Die Saison 2022/23 neigt sich dem Ende zu, am Wochenende fand in den meisten europäischen Ligen der zweit- oder drittletzte Spieltag statt. Das heisst also, es steht eine Menge auf dem Spiel. Es geht noch um Titel, die Europacup-Qualifikation, gegen den Abstieg oder um den Aufstieg. Und so kochen an einigen Stellen die Emotionen hoch.
Wie bei Schiedsrichter Deniz Aytekin. Dieser setzte nach dem Spiel Bayern gegen Leipzig – mehr dazu später – zu einer Wutrede an. Manuel Gräfe, Ex-Schiedsrichter und nun TV-Experte, hatte Aytekin für eine Entscheidung im Spiel kritisiert. Diesem gefiel dies überhaupt nicht: «Im Stadion redet kein Mensch vom Schiedsrichter und Manuel Gräfe sitzt in Berlin, mit seinen 180 Kilo, und labert so eine Scheisse. Das geht mir langsam gegen den Strich.» Unweit davon lauschte Thomas Müller den Worten gespannt. Später entschuldigte sich Aytekin bei Gräfe für die Wortwahl.
Deniz Aytekin auf 180. Thomas Müller: „Da hören wir gespannt zu!“ pic.twitter.com/gNzVZT7qqI
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Doch natürlich waren auch einige Spieler nicht gegen Übereifer gefeit. Zum Beispiel Guus Joppen von Roda Kerkrade. Im Spiel der niederländischen zweiten Liga senste er den Gegenspieler von Willem II humorlos um und liess beim Schiedsrichter keine Zweifel daran, dass er unter die Dusche gestellt werden muss.
Dies war auch bei Piero Hincapié von Bayer Leverkusen der Fall. Noch als dieser nach seiner Grätsche gegen Gladbachs Julian Weigl am Boden lag, streckte der Unparteiische den roten Karton in die Luft. Für den Ecuadorianer war es bereits der dritte Platzverweis in dieser Saison.
Für Leverkusen, das noch um einen Platz in der Conference League oder – sollte Leipzig den Cupfinal gegen Frankfurt gewinnen – gar in der Europa League spielt, war es das Ende einer nervenaufreibenden Partie. Schon nach 20 Minuten führte das Team von Trainer Xabi Alonso gegen die formschwachen Gäste 2:0. Doch anscheinend hatten einige von Alonsos Akteuren nach dem Halbfinal-Ausscheiden in der Europa League gegen die AS Roma erstmal genug vom Europacup.
Ein verunglückter Rückpass, den Goalie Lukas Hradecky nicht richtig kontrollieren konnte, führte erst zum 1:2 für Borussia Mönchengladbach. In der 90. Minute übersah Nadiem Amiri dann Gegenspieler Marcus Thuram und spielte ihm den Ball genau in die Füsse. Der legte dann den Ausgleich durch Lars Stindl auf.
Auch an anderer Stelle spielten die Nerven verrückt. Arsenal verspielte mit einer 0:1-Niederlage in Nottingham auch noch die kleinste Hoffnung, doch noch die Meisterschaft zu gewinnen. Mit nur 15 Punkten aus den letzten zehn Spielen liessen sich Granit Xhaka und Co. von Manchester City überholen und dann uneinholbar abhängen.
Dabei waren die «Gunners» während 248 Tagen Tabellenführer in England. Gemäss «OptaJoe» war noch nie ein Klub so lange an der Spitze der Premier League, ohne am Ende auch die Trophäe zu holen. Von City-Coach Pep Guardiola gab es dennoch ein dickes Lob: «Sie haben eine aussergewöhnliche Saison gespielt. Sie müssen konstanter werden, aber für mich sind auch sie Gewinner.» Das ist jedoch nur ein schwacher Trost für Arsenal, das auch 19 Jahre nach dem Titel der «Invincibles» weiter auf eine Meisterschaft warten muss. Für Manchester City war es hingegen bereits der fünfte Triumph in den letzten sechs Jahren.
And your @premierleague champions... Manchester City! 🥇 pic.twitter.com/yGepxj7JTE
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Remo Freuler und Nottingham dürfen sich dank des Erfolgs gegen Arsenal auf ein weiteres Jahr in der Premier League freuen. Sie stehen eine Runde vor Schluss mindestens vier Punkte vor den Abstiegsplätzen (Leicester spielt am Montagabend noch in Newcastle).
Für Leeds United wird es hingegen richtig brenzlig. Mit dem 1:3 in West Ham verlor Leeds in dieser Saison auch das siebte Spiel in London und muss am nächsten Sonntag nun Tottenham schlagen, während Everton gleichzeitig gegen Bournemouth verliert. Immerhin ging Leeds nicht ganz mit leeren Händen nach Hause: Der als Feuerwehrmann engagierte Coach Sam Allardyce fand am Spielfeldrand eine Fünf-Pfund-Note.
Just Big Sam finding a fiver 😅 pic.twitter.com/oO9db4wAn3
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Auch in Deutschland ist der Titelkampf in dieser Saison aussergewöhnlich spannend. Dies liegt einerseits an Borussia Dortmund, das eine sehr starke Rückrunde spielt und am Sonntag mit einem 3:0-Erfolg in Augsburg wieder den Sprung an die Tabellenspitze geschafft hat. Andererseits – oder vor allem – liegt es aber an überraschend nervenschwachen Münchnern, die immer wieder Punkte liegen gelassen haben. Zuletzt am Samstagabend beim 1:3 gegen Leipzig.
Erstmals seit April 2007 und einer 1:2-Niederlage gegen den HSV verspielte Bayern dabei eine Halbzeitführung im eigenen Stadion, wie «Sky» berichtet. Zu viel für einige Fans des FC Bayern, die bereits nach Christopher Nkunkus Penalty zum 2:1 für die Gäste das Weite suchten. Vereinstreue wird eben nicht überall grossgeschrieben.
Bei Domenico Criscito kann davon nicht die Rede sein. Der italienische Linksverteidiger wechselte mit 15 Jahren in die Jugend Genoas und absolvierte insgesamt 291 Spiele für den Klub, bei dem auch Silvan Hefti unter Vertrag steht. In seinem letzten Spiel für Genoa erlebte der 36-jährige Criscito, der auch lange bei Zenit St.Petersburg spielte, noch einmal einen grossen Moment. In der 93. Minute der Partie gegen Bari wurde Criscito eingewechselt, zwei Minuten später verwandelte er einen Penalty zum 4:3. In der nächsten Saison wird Genoa wieder in der Serie A vertreten sein, Criscito geniesst dann aber seine Fussballer-Rente.
🪢🔴🔵🪢 pic.twitter.com/Lykdq5MmG6
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Vielleicht ja gemeinsam mit Nils Petersen. Der 34-jährige Stürmer beendet ebenfalls seine Karriere, die ihn unter anderem nach Cottbus, Bayern und Bremen brachte. Seit Januar 2015 spielte der Deutsche jedoch für den SC Freiburg, wo er am Freitagabend sein letztes Heimspiel absolvierte. Nach dem 2:0-Erfolg gegen Wolfsburg verabschiedete sich Petersen von den Fans und diese sich von ihm.
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— SC Freiburg (@scfreiburg) May 19, 2023
Doch genug der Nebenschauplätze und wieder zurück zum Geschehen auf dem Platz. Denn auch an diesem Wochenende gab es wieder einige tolle Tore zu bestaunen. Wie zum Beispiel dieses von Tottenhams Harry Kane, der nun bei 28 Ligatoren in dieser Saison steht. Die Spurs mussten sich Brentford trotz der Führung am Ende jedoch 1:3 geschlagen geben.
Auch Casemiro schaffte am Wochenende in der Premier League ein besonderes Kunststückchen. Den einzigen Treffer im Auswärtsspiel bei Bournemouth erzielte der Mittelfeldspieler von Manchester United per Fallrückzieher.
Den Abschluss macht ein Altbekannter. Luis Suarez, dem die Verteidiger der Premier League wohl kaum hinterhertrauern, erzielte beim 3:1-Erfolg im Derby von Porto Alegre den ersten Treffer Gremios gegen Internacional mit einem Traumtor aus rund 20 Metern.
Bei den vielen Highlights, die dieses Wochenende bot, ist es umso trauriger, dass die Saison bald zu Ende ist. Aber mindestens eine Runde bleibt ja noch – und dann wird auch noch in den nationalen sowie internationalen Cups um den Titel gespielt. Einige Höhepunkte dürfen wir also noch erwarten.