Das deutsche Fussballnationalteam der Frauen zählt an jedem Turnier zu den Favoriten. Alleine der Wert von 200’000 lizenzierten Fussballerinnen verdeutlicht, mit welchen Möglichkeiten die Deutschen agieren. Zum Vergleich: In der Schweiz spielen rund 40’000 Frauen und Mädchen Fussball.7
An der EM in der Schweiz muss Deutschland allerdings gleich ohne zwei der besten Spielerinnen auskommen: Alexandra Popp und Lena Oberdorf. Popp, mit 145 Länderspielen und 67 Toren die prägende Figur des deutschen Frauenfussballs der vergangenen 15 Jahre, verkündete nach den Olympischen Spielen 2024 in Paris ihren Rücktritt aus dem Nationalteam.
Oberdorf, die deutsche Fussballerin mit dem wohl grössten Potenzial, schaffte die Rückkehr in die EM-Equipe nach einem Kreuzbandriss nicht mehr rechtzeitig.
Doch auch ohne Oberdorf und vor allem den langjährigen Kopf des Teams Popp kann Deutschland auf viele Topspielerinnen zählen. «Wir werden keine zweite Alexandra Popp mehr sehen», sagte Nationaltrainer Christian Wück zwar. Doch der Rücktritt der Identifikationsfigur sei auch eine Chance für andere Spielerinnen.
Vor allem in der Vorwärtsbewegung ist Deutschland nach Popps Abgang unberechenbarer. Stürmerin Lea Schüller sprach im Vorfeld von einer «brutalen Offensive» und «Torgefahr ohne Ende».
Neben ihr streiten sich Klara Bühl, Jule Brand, Laura Freigang, Linda Dallmann und Bundesliga-Torschützenkönigin Selina Cerci um die vier vordersten Plätze in Deutschlands Startaufstellung.
Bundestrainer Wück lobte nach den überzeugenden Partien vor rund einem Monat gegen die Niederlande (4:0) und Österreich (6:0) die Intensität im deutschen Spiel. In Sachen Sprintmeter sei die Partie gegen die Niederlande die beste der vergangenen drei Jahre gewesen. Diese Intensität sei Voraussetzung, um den typisch deutschen Spielstil durchzusetzen.
Als Gesicht des deutschen Nationalteams hat sich der neue Captain Giulia Gwinn in den Vordergrund gespielt. Die Rechtsverteidigerin überzeugt mit Technik, Offensivdrang und Zweikampfstärke.
Für Gwinn wird die Partie in St.Gallen zu einem Heimspiel, ist sie doch nur 36 Kilometer Luftlinie entfernt auf der anderen Seite des Bodensees in Tettnang aufgewachsen.
Gwinn hebt den Teamgeist hervor: «Wir haben ein fantastisches Miteinander», sagt die Spielerin des FC Bayern München. Schüller pflichtet Gwinn bei: «Der Zusammenhalt ist ganz besonders – das habe ich so noch nie erlebt.»
Eine Kostprobe dieses besonderen Teamgeists gaben die Spielerinnen zum Abschluss ihres Trainingslagers in Herzogenaurach ab. Sie überraschten den Trainerstaff mit einem Auftritt des Schlagerstars Wolfgang Petry, bekannt für die Songs «Wahnsinn» oder «Weiss der Geier». Allerdings war es das Lied «Verlieben, verloren, vergessen, verzeih’n», das die Equipe durch die vergangenen Monate getragen habe, so Gwinn.
Nun wird der Hit zur offiziellen Hymne der DFB-Frauen. Pünktlich zum ersten deutschen EM-Spiel bringt Petry eine gemeinsame Single mit dem deutschen Team heraus. Am Freitag erscheint die Neufassung von «Verlieben, verloren, vergessen, verzeih’n». Gwinn sagte dazu mit einem Lächeln: «Ich glaube, da kann sich jeder drauf freuen, was da für Engelsstimmen herausgekommen sind.»
Diese Episode beweist: Deutschlands Frauen besitzen auf und neben dem Platz das Potenzial, die Menschen zu begeistern. «Wir haben das Ziel, eine Euphorie zu entfachen», sagt Trainer Wück. Diesmal ganz auf den Fussball bezogen. Gelingt dies ein erstes Mal mit einem überzeugenden Startsieg morgen Freitag gegen Polen, dürfte auch der neu eingesungene EM-Hit in den Charts ganz vorne auftauchen.