Aus dem Nichts in die Champions League – ein kleines Schweizer Fussballmärchen
Man kann am Fussball von heute vieles nervig finden. Doch dann und wann lässt er immer noch magische Momente zu, die man so nicht kommen sah.
Am Dienstagabend war so ein Moment. In der Champions League gewann Royale Union Saint-Gilloise bei PSV Eindhoven – und mittendrin war ein junger Schweizer. Marc Giger wurde nach 67 Minuten eingewechselt, als die Belgier 2:0 führten. Am Ende siegten sie 3:1.
Mit 18 bei GC ausgemustert
Die Partie war der vorläufige Höhepunkt eines rasanten Aufstiegs. Noch vor acht Monaten spielte Giger in der Challenge League beim späteren Absteiger FC Schaffhausen. Im ersten Halbjahr in Belgien trug Giger mit drei Kurzeinsätzen einen kleinen Teil zum Meistertitel von USG bei. In der aktuellen Saison scheint der Stürmer in der Hierarchie ein wenig nach oben gerückt zu sein, die Teileinsätze nehmen zu.
Dabei schien der Traum von der grossen Karriere schon geplatzt zu sein. Als 18-Jähriger musterte sein Jugendklub GC Marc Giger aus, vom Campus in Niederhasli wechselte er zum viertklassigen FC Linth 04 in die 1. Liga Classic. Er habe nicht glauben können, dass ihn ausser ihnen niemand haben wollte, sagte Linths Sportchef der «Linth-Zeitung», Giger sei doch «ein Rohdiamant».
Dribbling als grosse Stärke
Im Glarnerland muss der Zürcher zunächst beissen, doch er gibt nicht auf. Der Stürmer steigert sich, wechselt eine Liga höher ins Tessin zum ambitionierten FC Paradiso. Dort wird Juventus auf ihn aufmerksam, doch Giger entscheidet sich gegen einen Transfer in dessen Nachwuchsabteilung. Stattdessen unterschreibt der 20-Jährige in Schaffhausen in der Challenge League, wo er gegen Erwachsene spielen kann.
Fünf Tore in 32 Einsätzen sind normalerweise nichts, weshalb ein angehender belgischer Meister in der Schweizer Zweitklassigkeit anklopfen würde. Doch die akribischen Analytiker bei USG fanden heraus, dass Giger in der Challenge League mit Abstand die meisten Eins-gegen-eins-Duelle für sich entscheiden konnte. Dieser Fakt ist es, der die Belgier neugierig macht.
Sein ehemaliger Sportchef bei Linth 04 bezeichnet Giger als einen «Strassenfussballer», der unberechenbar sei, und meint, dass man diese Eigenschaft nur bei wenigen Spielern finde. Für eine Ablösesumme von rund 300'000 Franken holte Saint-Gilloise Giger nach Brüssel.
Einer für Yakin?
Nach dem Transfer sagte der aktuelle U21-Nationalspieler im Blick, sein grosser Traum sei die Teilnahme an der WM 2026. «Das ist ganz klar für mich. Als ich 2022 bei Linth spielte, war im Dezember die WM in Katar. Schon da sagte ich, dass ich an der nächsten dabei sein wolle.» Nationaltrainer Murat Yakin wird seinen Werdegang in den nächsten Monaten bestimmt verfolgen.
Die Chance auf ein WM-Ticket mag klein sein – doch sie existiert. Und dass es im Fussball manchmal schnell gehen kann, bewies Marc Giger mit seinem Aufstieg scheinbar aus dem Nichts schon einmal. Vor zwei Jahren und vier Monaten kickte er noch in der viertklassigen 1. Liga, jetzt in der Champions League. Das hätte ausser ihm selber wohl kaum jemand für möglich gehalten.