Die EM steht vor der Tür und natürlich sind auch im watson-Büro plötzlich alle ausgewachsene Nationaltrainerinnen und Fussball-Experten. Wir haben in der Sportredaktion und darüber hinaus nach Tipps und Vorhersagen für die Europameisterschaft gefragt – das ist dabei herausgekommen.
Corina Mühle: Auch wenn viele Spielerinnen schon etwas älter sind, denke ich, dass The Lionesses im Gegensatz zu den Männern das Ding haben, die EM nochmals zu gewinnen. Vor den Französinnen, Spanierinnen und Deutschen müssen sie sich allerdings in Acht nehmen, auch die haben was drauf.
Timo Rizzi: Frankreich befindet sich in herausragender Form (jedes Spiel in diesem Jahr gewonnen). Dieses Jahr folgt der Triumph an der Europameisterschaft. In einer schwierigen Gruppe werden sie zwar hinter England nur Platz zwei belegen, gewinnen dann aber im Viertelfinal gegen Deutschland. Im Final kommt es zur Revanche mit den Engländerinnen und dieses Mal mit dem besseren Ende für Frankreich.
Ralph Steiner: Ich hoffe auf Frankreich. Die Französinnen sind in den letzten Turnieren immer wieder auf bittere Art und Weise ausgeschieden und warten noch immer auf einen grossen Titel. Vielleicht klappt es ja in der Schweiz.
Adrian Bürgler: Es kann nur Spanien sein. Die Auswahl von Montse Tomé verfügt mit Aitana Bonmatí und Alexia Putellas über die zwei Gewinnerinnen der letzten vier Weltfussballerinnen-Wahlen. Und auch sonst ist jede Menge Weltklasse im Kader vorhanden – sodass Top-Torschützin Jenni Hermoso gar zu Hause gelassen werden konnte. Die Weltmeisterinnen werden sich im Final gegen Deutschland auch zu den Europameisterinnen krönen.
Lena Schibli und Nina Bürge: Spanien. Ja, es ist vielleicht zu logisch, da die Spanierinnen die amtierenden Weltmeisterinnen sind. Jedoch ist ihr Kader vollgepackt mit Barça-Spielerinnen, dem aktuell dominierenden Club im Frauenfussball. Und Spanien ist technisch, taktisch und mental auf dem aktuell höchsten Niveau.
Ralf Meile: Spanien. Kein besonders mutiger Tipp angesichts der Tatsache, dass die Spanierinnen als amtierende Weltmeisterinnen antreten. Ich traue ihnen mehr zu als England und Deutschland, die ebenfalls für den Titel in Frage kommen.
Amber Vetter: Mein Tipp ist Spanien. Nicht mega überraschend, aber halt eine starke Truppe. Zudem fände ich es schön, wenn die Frauen nach dem Skandal von Rubiales nochmals mit ihrem Fussball überzeugen können und es dieses Mal nur um sie geht.
Niklas Helbling: Es wird keinen Überraschungssieger geben, weil die vier Favoriten alle in Topform sind. Spanien ist am stärksten, doch könnte der leichte Weg bis in den Halbfinal ein Problem darstellen. Ich tippe deshalb auf Deutschland, das von Beginn an die Spannung hoch halten muss, aber auch nicht ganz so viele Körner lassen sollte wie England und Frankreich, die in der Todesgruppe beginnen.
Niklas Helbling: Viertelfinal und tschüss! Ich glaube schon, dass die Nati weiterkommt, aber eben nur als Gruppenzweite hinter Norwegen. Dann geht es gegen Weltmeister Spanien …
Lena Schibli und Nina Bürge: Mit Heimvorteil und der vergleichsweise dankbaren Gruppe A schaffen wir’s ins Viertelfinale. Dann ist aber höchstwahrscheinlich Endstation.
Ralf Meile: Aus im Viertelfinal. Der Heimvorteil wird Pia Sundhages Team beflügeln und es ihm ermöglichen, die K.-o.-Phase zu erreichen.
Adrian Bürgler: Die letzten Monate und Wochen machen es schwer, Optimismus zu verbreiten. Immerhin: Die Schweiz hat das Glück, in einer verhältnismässig einfachen Gruppe zu sein. Mein Tipp: Die Schweiz wird Gruppenzweite und scheitert dann im Viertelfinal klar an Spanien.
Amber Vetter: Ich denke, die Schweizerinnen kommen bis ins Viertelfinal. Die Niederlagen der vergangenen Spiele mögen vielleicht negativ stimmen, doch mit dem Sieg im letzten Testspiel, glaube ich, konnten die Spielerinnen Selbstbewusstsein tanken. Dazu kommt der Heimvorteil. Und wer weiss, vielleicht treibt sie dieser ja zu Höchstleistungen an.
Timo Rizzi: Die letzten Resultate machen wenig Mut und ich bin mir unsicher, ob das Heimpublikum nicht eher zu einer Last werden könnte. Von einem Weiterkommen gehe ich nicht aus, aber die Schweizerinnen werden in der Gruppenphase vier Punkte sammeln (Sieg gegen Finnland und Unentschieden gegen Norwegen) und nur aufgrund des schlechteren Torverhältnisses ausscheiden.
Corina Mühle: Auch wenn ich es mir anders wünsche, denke ich, dass unsere Nati in der Gruppenphase ausscheiden wird. Ihre Performance unter Pia Sundhage hat mich leider gar nicht überzeugt. Ihre Gruppe ist zwar nicht so hart, sie benötigen aber doch etwas Glück, um es doch noch weiter zu schaffen. Spätestens im Viertelfinal ist aber endgültig Schluss.
Ralph Steiner: Unter den aktuellen Vorzeichen sieht es für die Schweiz eher schlecht aus. Ich glaube aber an den Effekt des Heimturniers. Das Team von Pia Sundhage spielt sich in einen Rausch und scheitert erst im Halbfinal.
Ralph Steiner: Die Schwedinnen gewannen 1984 die erste Europameisterschaft der Frauen. 41 Jahre später ist es wieder so weit. Gemäss Wettquoten zählt Schweden nicht zum engsten Favoritenkreis, doch die Schwedinnen werden lange im Turnier verbleiben.
Amber Vetter: Ich bin jetzt mal optimistisch und tippe auf unsere eigene Nati. Ich glaube dabei, vor allem junge Spielerinnen wie Schertenleib, Beney, Ivelj oder Xhemaili werden uns positiv überraschen.
Adrian Bürgler: Das Turnier als Ganzes. Vor der EM scheint vieles negativ: die Form der Nati, die Stimmung in der Bevölkerung gegenüber dem Frauenfussball ganz generell, die Tatsache, dass es momentan schlicht andere Probleme gibt. Die Erfahrung mit anderen Grossanlässen zeigt: Sobald der Ball rollt, ist das egal. Man ist froh um die Ablenkung. Das Wetter wird schön und die Stadien werden gut gefüllt sein. Viele Fans aus ganz Europa kommen hierher und werden für tolle Stimmung sorgen – wie es sich für eine Fussball-EM gehört.
Niklas Helbling: Livia Peng. Erst kurz vor der EM zur Nummer 1 erkoren, zeigte die 23-Jährige nach dem Fehler gegen Frankreich gute Leistungen. Auch am Heimturnier bleibt die Schweizerin souverän und führt die Nati immerhin in die K.-o.-Phase.
Corina Mühle: Holland. Die Niederländerinnen haben eine extrem starke Stürmerin, die für ihr Land Tore am Laufband schiesst. Deshalb werden die Holländerinnen – auch wenn sie sonst nicht so auffallen – eine positive Überraschung.
Lena Schibli und Nina Bürge: Island ist kein heiss gehandelter Favorit, aber hat für uns das Zeug zur Überraschung – kein Titelkandidat, aber für ein Viertel- oder sogar Halbfinale?
Timo Rizzi: Wenn es schon bei den Männern nie klappt, dann halt bei den Frauen. Belgien überrascht an dieser Europameisterschaft alle und wird die Gruppenphase vor Italien und Portugal auf dem zweiten Platz beenden. Im Viertelfinal schlagen sie Norwegen und schaffen es damit erstmals in einen EM-Halbfinal.
Ralf Meile: Portugal. In der Gruppe mit Spanien, Belgien und Italien kommt das Team weiter und die in der Schweiz von ihrer erfolgreichen Zeit bei Servette bestens bekannte, temperamentvolle Torhüterin Inês Pereira hext Portugal in die Halbfinals.
Timo Rizzi: 24:2, so lautet das Torverhältnis von Deutschland aus den letzten fünf Spielen. Dennoch glaube ich, dass für Deutschland bereits im Viertelfinal Schluss sein wird. Erst zum zweiten Mal seit der erstmaligen Teilnahme 1989 wird Deutschland nicht im Halbfinal vertreten sein und scheidet gegen Frankreich aus.
Ralph Steiner: Bis zur EM 2017 hat Deutschland sage und schreibe sechs Europameisterschaften in Folge gewonnen. Seit dem Turnier in den Niederlanden klappt jedoch nichts mehr und auch dieses Mal ist spätestens im Viertelfinal Schluss.
Adrian Bürgler: England. Rund um die Titelverteidigerinnen gibt es viele Fragezeichen. Wie fit sind Hemp, Stanway oder Greenwood wirklich? Die Formkurve ist nicht berauschend. Zudem haben die Lionesses schwierige Gegnerinnen. Meine Prognose: England landet hinter Frankreich und den Niederlanden nur auf Rang 3 und verpasst die Gruppenphase.
Lena Schibli und Nina Bürge: England geht zwar als amtierender Europameister ins Turnier – aber das Team hat gerade ziemlich viele Baustellen. Wichtige Spielerinnen wie Torhüterin Mary Earps oder Fran Kirby fehlen, andere sind nicht in Topform.
Niklas Helbling: Die Niederländerinnen werden die Todesgruppe mit England und Frankreich nicht überstehen. Klar ist es mit so Gegnerinnen hart, von einer Enttäuschung zu sprechen, aber als Europameister von 2017 und Vizeweltmeister von 2019 sind die Ansprüche höher.
Ralf Meile: Niederlande. In der Todesgruppe D mit England und Frankreich bleiben die Oranje, 2017 Europameisterinnen und 2019 im WM-Final, chancenlos.
Corina Mühle: Die Niederländerin Vivianne Miedema. Sie zählt momentan zu den treffsichersten Spielerinnen. In 124 Länderspielen hat sie 97 Tore erzielt.
Lena Schibli und Nina Bürge: Hier setzen wir auf die Allzeit-Top-Torschützin der Niederlande, Vivianne Miedema. Aktuell spielt sie für ManCity, seit 2019 trägt sie den Titel der Rekordtorschützin in der niederländischen Nationalmannschaft.
Niklas Helbling: Die Spanierin Esther Gonzalez Rodriguez kann sich schon in der Gruppenphase gegen die leichteren Gegner austoben und dann womöglich auch die Schweiz abschiessen.
Timo Rizzi: Alessia Russo, unvergessen ihr Traumtor an der EM 2022 im Halbfinal gegen Schweden. An der diesjährigen Europameisterschaft wird keine Spielerin so oft einnetzen wie die frisch gekrönte Champions-League-Siegerin. Auch dank der 26-Jährigen wird es England wieder in den Final schaffen.
Ralph Steiner: Die Schweizerin Sydney Schertenleib holt sich mit fünf Buden die Krone. Die erst 18-jährige Barça-Stürmerin spielt im Verein mit Weltstars wie Aitana Bonmatí und Alexia Putellas und wird dem Heimturnier ihren Stempel aufdrücken. Hoffentlich.
Adrian Bürgler: Lea Schüller. Die deutsche Stürmerin ist in Topform. Im Mai hat sie Bayern München mit einem Hattrick im Final zum Pokalsieg geschossen. In der Nations League war sie mit fünf Toren in sechs Spielen die beste deutsche Torschützin. Das kann sie auch an der EM zeigen.
Ralf Meile: Lea Schüller. Die Torjägerin von Bayern München ist schnell und kopfballstark, und sie profitiert von der offensiven Spielweise, auf die Bundestrainer Christian Wück setzt.
Adrian Bürgler: Aitana Bonmatí ist vielleicht eine langweilige Antwort, aber auch naheliegend. Ich tippe auf die Spanierinnen als Europameister und bei ihnen läuft in der Offensive nun mal alles über die 27-jährige Katalanin. Was für eine Geschichte nach ihrer Hirnhautentzündung kurz vor EM-Start.
Lena Schibli und Nina Bürge: Das ist ein No-Brainer. Sie ist zweifache Ballon-d’Or-Gewinnerin, drei Mal hat sie die Champions League gewonnen und Spanien hat sie 2023 zum Weltmeistertitel geführt: Mittelfeldspielerin Aitana Bonmatí.
Amber Vetter: Aitana Bonmatí. Vorausgesetzt, sie wird rechtzeitig fit und kann von Turnierbeginn an spielen und ihre Qualitäten auf den Platz bringen.
Ralf Meile: Salma Paralluelo. Bei Spaniens Titelgewinn wird die pfeilschnelle Angreiferin des FC Barcelona eine Schlüsselrolle einnehmen.
Niklas Helbling: Die beste Spielerin muss vom Europameister kommen und deshalb gehe ich mit Deutschlands Spielmacherin Laura Freigang, die sowohl im offensiven Mittelfeld als auch im Sturm eingesetzt werden kann. Die Frankfurterin wird neben einigen Toren auch viele Assists sammeln.
Ralph Steiner: Salma Paralluelo. Die 21-Jährige hat Spanien vor zwei Jahren an der WM ins Finale geschossen und ihrem Land somit den Weg zum Titel geebnet. Auch dank Paralluelo sind die Spanierinnen heuer die Topfavoritinnen für den EM-Titel.
Corina Mühle: Bis vor Kurzem hätte ich noch gesagt: die englische Torhüterin Mary Earps. Doch die hat sich einen Monat vor dem Start der EM komplett aus dem Profifussball zurückgezogen. Deshalb setze ich nun auf ihre Teamkollegin Keira Walsh.
Timo Rizzi: Bekanntlich kommt die beste Spielerin des Turniers meistens vom Siegerland. Dieses Jahr wird es Marie-Antoinette Katoto. Zwar hat Katoto schwierige Jahre hinter sich, wird aber nun ausgerechnet an der EM aufblühen und zur alten Stärke zurückfinden. An der letzten Europameisterschaft verletzte sich die 26-Jährige schwer und riss sich im zweiten Gruppenspiel das Kreuzband.