Die Partie ist keine fünf Minuten alt, als der Gedanke aufkommt und einfach nicht mehr weggeht. Auch wenn man dagegen ankämpft. Der Gedanke, dass man diesen Match in die letzte, in die vorletzte oder in die vorvorletzte Saison verpflanzen könnte und trotzdem alles genau gleich abläuft.
Nach fünf Minuten zirkuliert der Ball hin und her zwischen den FCB-Spielern, der FC Sion hat sich eingeigelt in der eigenen Hälfte. Ohne Anstalten, aktiv zu werden. Aus der Muttenzerkurve erklingen die altbekannten Gesänge, leise erwidert von der kleinen Gruppe Auswärtsfans. Das Publikum auf der Haupt- und Gegentribüne mampft Pommes frites, trinkt Bier, frohlockt nach dem ersten Dribbling eines FCB-Spielers und schimpft nach dem ersten Fehlpass. Und irgendwann, gestern in der 37. Minute, führt der FC Basel.
Nach einem streberhaft gepfiffenen, korrekten Penalty, den Delgado verwandelt. Der Spieler notabene, der schon vor einem Jahr den Führungstreffer gegen Sion erzielte. Als der FCB wie gestern 3:0 gewann. Delgado ist wie damals der beste Mann auf dem Platz, trifft noch ein zweites Mal und leitet den sportlichen Höhepunkt der Partie ein, dieses wunderbar herausgespielte und durch Doumbia erzielte 2:0. Es ist ein Auftritt des FCB, an dem es wenig zu mäkeln gibt.
Kein Sieg in der Vorbereitung. Acht neu verpflichtete Spieler, viele erst vor kurzem dazugestossen. Die Suche vor dem Saisonstart nach Stolpersteinen für den FCB, auch sie ist altbekannt. Sie weckt die Hoffnung auf mehr Spannung, auf mehr Ungewissheit in dieser Meisterschaft. Eine Hoffnung, die immer wieder schnell erlischt: Seit fünf Jahren gewinnt Basel jedes Startspiel, ist auf den Punkt bereit, während die Gegner das nicht sind.
Der Gegner ist gestern der FC Sion. Wie vor jeder Saison gelten die Walliser als Geheimfavorit. Wie in jedem Sommer werden diese Prognosen schnell relativiert. Der FC Sion ist gestern schwach, nach dem 0:3 in der 47. Minuten wehrt er sich gar nicht mehr und hat Glück, dass die Basler zufrieden sind mit den drei erzielten Toren. Nach dem Schlusspfiff tönt es im Sion-Lager mehr nach Selbstzerfleischung als nach Aufraffen. Präsident Christian Constantin sagt, einige Spieler würden sich in der «orangen Zone» bewegen. Heisst: Sie stehen vor dem Rauswurf, werden wohl ersetzt durch Neuzugänge.
Eine solche Arbeitseinstellung, von den Spielern und vom Trainerstab, die könne er nicht akzeptieren. Altbekannte Worte aus Constantins Mund und eine Warnung an Trainer Didier Tholot, der sagt: «Wir haben keinen Zweikampf gewonnen. Darum haben wir auch keine Chance gehabt. So wird es schwierig für uns, eine interessante Rolle in der Liga zu spielen.»
Urs Fischer, Tholots Kollege in FCB-Diensten, fühlt sich spätestens nach Spielende erinnert an die Vergangenheit. Als er gebetsmühlenartig erklären muss, dass das klare Resultat primär der harten Arbeit seines FCB und nicht der Schwäche des Gegners geschuldet sei. Dass es bei weitem nicht so leicht sei, wie es vielleicht aussehe. Dass die Saison lang und hart werde. Dass für den FCB jedes Spiel wie ein Cupspiel sei, in dem der Gegner nichts zu verlieren habe. «Unsere Erfolge sind keine Selbstverständlichkeit.»
Ja, man muss aufpassen, die Gegner nicht zu schwach zu reden und die Basler zu wenig zu rühmen für ihre Leistungen. Geld bedeutet nicht automatisch Erfolg. Aber dass diese Gedanken nach sieben Meistertiteln in Serie und nach dem erneuten Traumstart in die Saison ein menschlicher Reflex sind, das weiss auch Fischer. «Aber ich werde nie aufhören damit, zu betonen, wie viel Arbeit wir investieren.»
Die Young Boys haben zum Auftakt auch gewonnen, 2:0 am Samstag in St.Gallen. Daran, dass Basel wegen des besten Torverhältnisses bereits wieder Tabellenführer ist, ändert das nichts. Aber die Hoffnung lebt, dass die neue Saison nicht wie die letzte schon nach fünf Runden entschieden ist, als YB und Basel bereits acht Punkte trennten. Spannung zumindest bis im Herbst, das wäre schön. Und wichtig. Für diese Liga im Hamsterrad.