Mit Kirsty Coventry traf die 144. IOC-Vollversammlung in Griechenland am Donnerstag gleich eine doppelt historische Wahl: Die Schwimm-Olympiasiegerin von 2004 und 2008 ist nicht nur die erste Frau an der Spitze des IOC, sondern auch das erste IOC-Mitglied aus Afrika, das die olympische Dachorganisation in seiner 130-jährigen Geschichte anführen wird.
Coventry hatte sich zusammen mit sechs Mitstreitern, allesamt Männer, um die Nachfolge von Thomas Bach beworben, der nach zwölf Jahren im Amt am 23. Juni ausscheidet. Zuvor hatten neun Männer das IOC angeführt, alle stammten aus Europa oder Amerika.
Mrs Kirsty Coventry has been elected as the 10th President of the International Olympic Committee at the 144th IOC Session in Costa Navarino. pic.twitter.com/Dv8Tfbecf6
— IOC MEDIA (@iocmedia) March 20, 2025
Coventry setzte sich auch gegen die als Mitfavoriten gehandelten Sebastian Coe und Juan Antonio Samaranch Junior durch. Sie holte im ersten Wahlgang 49 der 97 Stimmen und damit knapp die absolute Mehrheit, der Spanier Samaranch, Sohn eines früheren IOC-Präsidenten, folgte mit 28, der britische Leichtathletik-Weltverbandschef Coe erhielt nur acht Stimmen.
«Das ist ein aussergewöhnlicher Moment. Als neun Jahre altes Mädchen hätte ich nie gedacht, hier zu stehen», sagte Coventry in einer ersten, kurzen Dankesrede. «Ich hoffe, ich kann Ihnen Zuversicht geben mit dieser Wahl.»
Doch wer ist diese Kirsty Coventry? Mit sieben olympischen Medaillen, darunter zwei Goldmedaillen über 200 m Rücken (2004 und 2008), und drei WM-Titeln in grossen Becken ist sie die erfolgreichste afrikanische Schwimmerin der Geschichte. 2013 rückte sie zunächst als Athletenvertreterin ins IOC, 2018 auch ins Exekutivkomitee, in welchem unter Bach die massgeblichen Entscheide getroffen wurden.
In ihrem Amt als Sportministerin von Simbabwe war die zweifache Mutter nicht unumstritten. Von Vorwürfen, sie habe eine vom einstigen Diktator Robert Mugabe beschlagnahmte Farm als Geschenk angenommen, sprach sie ein Gericht frei.
Coventry wurde vorab als Bachs Wunschkandidatin gehandelt. Es wird damit gerechnet, dass sie die sportpolitischen Linien des Deutschen weitgehend fortsetzen wird. Ihre Wahl ist damit auch ein letzter Erfolg für Bach. Ein grosser Kurswechsel, wie er mit einer Wahl von Sebastian Coe hätte erwartet werden können, bleibt wohl aus.
Coventrys Amtszeit beginnt erst am 24. Juni. Bis dahin führt Bach weiterhin die Geschäfte. Durch die Vergabe der Olympischen Spiele bis 2034 und den Abschluss grosser Fernseh- und Sponsorenverträge hat der Deutsche die Weichen für die Zukunft gestellt.
Das IOC steht wirtschaftlich zwar auf gesunden Beinen, gleichwohl wird es Coventry an Baustellen nicht mangeln. So beschäftigt das IOC seit Jahren die Frage des Umgangs mit Russland. Mit der Rückkehr von Donald Trump ins Amt des US-Präsidenten ist das weltpolitische Klima noch einmal deutlich angespannter. Die nächsten Sommerspiele finden 2028 in Los Angeles statt, Trump dürfte als Gesprächspartner für das IOC unberechenbarer als seine Vorgänger sein – zum Beispiel in der kontroversen Frage der Zulassung von Transgender-Athleten.
Auch der Klimawandel wird die olympische Welt mehr denn je herausfordern. Zudem haben sich die meisten Bewerber für den Chefposten vorgenommen, für mehr Offenheit und eine grössere Mitsprache für IOC-Mitglieder und Athleten zu sorgen.
Wie will Coventry die Herausforderungen anpacken? Die Afrikanerin verspricht mehr Offenheit und will die IOC-Mitglieder stärker einbinden, als dies in den vergangenen Jahren unter Bach der Fall war. «Frauen sind bereit zu führen. Ich sehe dies als Chance, Schranken niederzureissen», hatte Coventry zu ihrer Bewerbung gesagt.
Ihren Wahlkampfslogan („Ubuntu“) hat sie der Kultur ihres Kontinents entnommen, ein Konzept, das von Nelson Mandela weitgehend geprägt wurde. «Es bedeutet im Wesentlichen ‹Ich bin, weil wir sind›,» erklärt sie und will damit zum Ausdruck bringen, dass Entscheide gemeinsam getroffen werden müssen,
Coventry hat viele Barrieren durchbrochen, um sich an die Spitze des Weltsports zu setzen und mit 41 Jahren die jüngste IOC-Präsidentin in der Geschichte zu werden. Sie ist sich der Aufgabe und der Bedeutung für Afrika bewusst, sagt aber auch: «Wir sind bereit, die Führung zu übernehmen.» (abu/sda)