Die letzte Saison war eine schwierige für Manchester United. Von Spiel zu Spiel hangelten sich die Red Devils durch die Saison, einen echten Lauf hatten sie eigentlich nie. Am Ende platzierte sich der englische Rekordmeister auf Platz 8, nur durch den Triumph im FA Cup qualifizierte er sich noch für das internationale Geschäft.
Die Teilnahme an der Europa League war wohl die Rettung für Trainer Erik ten Hag, der die ganze Saison über wackelte. Nach drei Spielen der neuen Premier-League-Saison muss sich die neue Vereinsführung um INEOS-Gründer Jim Ratcliffe aber bereits fragen, ob es die richtige Entscheidung war, an ten Hag festzuhalten und seinen Vertrag bis 2026 zu verlängern.
Nach dem knappen Auftaktsieg gegen Fulham durch ein Tor in der 87. Minute unterlag Manchester United nämlich erst Brighton und dann auch Liverpool. Von dem ewigen Rivalen wurde der Gastgeber im Old Trafford regelrecht vorgeführt. Zwar deuten die Statistiken auf ein ausgeglichenes Spiel hin, doch war United über weite Strecken in allen Belangen unterlegen und verlor nicht unverdient 0:3. So sagte Gary Neville, ManUnited-Legende und Sky-Kommentator, noch während des Spiels: «Sie werden komplett zerfleischt.» Auch Roy Keane, ebenfalls früherer United-Profi und heutiger Sky-Experte, zeigte sich schockiert vom Auftritt seines Ex-Teams: «Jedes Mal, wenn Liverpool angriff, sah es so aus, als würden sie ein Tor erzielen.»
Sorgen bereiten muss den Verantwortlichen in Manchester vor allem, dass es nach wie vor dieselben Probleme gibt wie in der letzten Saison. Allen voran Casemiro – 2022 für über 70 Millionen Euro von Real Madrid gekommen – zeigte eine katastrophale Leistung. Bei beiden Gegentoren vor der Pause war der 32-jährige Mittelfeldspieler für den Ballverlust verantwortlich. Nur 27 seiner 37 Pässe kamen beim Mitspieler an, in der Pause wurde Casemiro dann durch den 20-jährigen Toby Collyer, der damit zu seinem Premier-League-Debüt kam, ersetzt.
Mit Blick auf Casemiro bemühte Jamie Carragher bei Sky eine seiner liebsten Redewendungen: «Verlass den Fussball, bevor der Fussball dich verlässt.» Der Brasilianer habe eine grossartige Karriere gehabt und alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt, aber jetzt könne er auf dem höchsten Niveau nicht mehr bestehen. «Es ist ein trauriger Anblick zu sehen, was er da draussen durchmacht.» Die Hoffnungen der Red Devils ruhen nun auf Neuzugang Manuel Ugarte von PSG. Doch ob dieser die Probleme im defensiven Mittelfeld alleine lösen kann, muss sich erst noch zeigen.
Zumal die Sechser-Position zwar die grösste, aber nicht die einzige Problemzone bei Manchester United ist. Auch die Offensive schwächelt weiterhin. Bruno Fernandes ist noch ohne Skorerpunkt in dieser Saison, der von Bologna gekommene Stürmer Joshua Zirkzee wusste bei seinem ersten Einsatz von Beginn an am gestrigen Sonntag ebenso wenig zu überzeugen und Marcus Rashford wartet nun seit März auf ein Tor. Dennoch hält ten Hag weiterhin am Topverdiener seines Klubs fest.
Was die Fans davon halten, zeigte sich bei der Auswechslung von Alejandro Garnacho für Amad Diallo in der zweiten Halbzeit. Die Buhrufe waren unüberhörbar, das Publikum im Old Trafford hätte wohl lieber gesehen, dass der bei den Fans in Ungnade gefallene Rashford vom Feld gegangen wäre. Es war nicht das einzige Mal, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer ihren Unmut äusserten. Auch in der Halbzeit und nach dem Schlusspfiff buhten viele Fans ihr eigenes Team aus.
Garnacho substitution pic.twitter.com/Sh73y0CEBJ
— uniteddiehard fans (@DieHardUtdFans_) September 1, 2024
Zusätzliche Demütigung erlitt Manchester United durch die gegnerischen Fans. Diese genossen den Sieg über den verhassten Rivalen in vollen Zügen. In der Schlussphase war im Old Trafford plötzlich die Liverpool-Hymne «You'll Never Walk Alone» zu hören. Ausserdem verhöhnten einige Gästefans den gegnerischen Trainer, indem sie beim Stand von 0:3 aus Sicht von Manchester United sangen: «Ten Hag ist am Werk.»
Liverpool fans singing 'Ten Hag's at the wheel' 😭😭 pic.twitter.com/Eo1KoEuJ6s
— Footy Humour (@FootyHumour) September 1, 2024
Der 54-Jährige zeigte sich nach dem Spiel einmal mehr von seiner schnippischen Seite. Dass sich sein Team im Vergleich zur Vorsaison trotz Ausgaben von über 200 Millionen Euro noch nicht wirklich verbessert zeigte, kommentierte ten Hag mit den Worten: «Ich bin nicht Harry Potter.» Die Entwicklung und auch das Einbinden von Neuzugängen brauche Zeit. «Wir werden sehen, wo wir am Ende der Saison stehen werden», so ten Hag.
Ten Hag selbst lässt den Vorwurf, dass sein Team dieselben Probleme wie in der letzten Saison hat, aber nicht gelten. Er sehe dies anders, «sonst hätten wir keine Titel gewonnen und nicht stärkere Gegner geschlagen». Dass ManUnited nun aber von Liverpool in Arne Slots drittem Ligaspiel als Cheftrainer der Reds derart dominiert wurde, lässt ten Hag nicht gerade gut aussehen.
Ebenso, dass Slot scheinbar kaum Probleme hatte, die Schwächen im System seines Landsmanns zu identifizieren und zu seinem Vorteil zu nutzen. Im Interview bei Sky sezierte der 45-Jährige die Pressing-Strategie von Manchester United und erklärte auch gleich, was er insbesondere den Torschützen Luis Diaz und Mohamed Salah vorgab, damit es zu vielen 1-gegen-1-Situationen kommen konnte.
Slot konnte erst seit einigen Wochen mit dem gesamten Team trainieren, ten Hag hat hingegen schon über zwei Jahre Zeit, seine Spielidee zu implementieren. Ernsthafter Fortschritt ist aber noch immer nicht zu erkennen. Experte Carragher glaubt daher, dass ten Hag die Zeit, die er nach eigener Aussage braucht, kaum bekommen wird: «Ich wäre überrascht, wenn Erik ten Hag am Ende der Saison noch Trainer bei Manchester United ist.»
Man kann am Anfang ja mal sagen, es muss zuerst wachsen, man muss zuerst Spieler dazu holen etc. etc., aber irgendwann muss es funken sonst bleibt nur das Fazit: versagt
Weil ich offenbar gerne enttäuscht werde...