Sollte der 10. März 2024 der Tag der Wachablösung sein? Der Tag, an dem das formstarke Servette den kriselnden Meister Young Boys überholen würde?
Nun, zunächst lief der Sonntag ganz nach dem Gusto der Genfer. Sie schlugen Lausanne-Sport im Derby dank zwei späten Toren von Enzo Crivelli 3:1 und stürmten in der Live-Tabelle an die Spitze. Erstmals seit fast zwei Fussballer-Leben, erstmals seit dem 26. Juli 2003.
Doch noch bevor die Servette-Spieler ihre Dusche beendet hatten, wurden ihre Leadergefühle kalt geduscht. Keine halbe Stunde nach dem Schlusspfiff in Genf lagen die Young Boys in ihrem Heimspiel gegen den FC Basel bereits in Führung. Oder: Neue Besen kehren gut.
102 Sekunden benötigte YB, um im ersten Spiel unter Interimscoach Joël Magnin das 1:0 zu erzielen. Zehn Minuten später führten die Young Boys 2:0, nach etwas mehr als einer Viertelstunde stand es 3:0. Die Wachablösung fand nicht statt. Zumindest nicht an diesem Sonntag.
Es war eine Startphase wie ein Nackenschlag gegen Raphaël Wicky, der vor einer Woche trotz Leaderposition nach drei Pflichtspielniederlagen in Folge entlassen wurde. Fünf Wechsel nahm Magnin vor in der matten Mannschaft, welche Wicky vor Wochenfrist bei seiner Dernière gegen den FC Zürich aufs Feld geschickt hatte.
Ausgerechnet der spätere Doppeltorschütze Joël Monteiro sowie Cédric Itten schossen die zwei frühen, wegweisenden YB-Treffer. Sie hatten im Spiel zuvor unter Wicky noch auf der Ersatzbank gesessen.
Das 3:0 erzielte Meschack Elia. Der Stürmer steckte zuletzt im Formtief, fand nach dem Afrika-Cup im Januar nicht in die Gänge. In der Super League hatte er letztmals vor mehr als drei Monaten getroffen. Und der vierte Treffer? Fiel 30 Sekunden nach Wiederanpfiff durch Jaouen Hadjam. Hadjam, der Winterneuzugang aus Frankreich? Du ahnst es: Auch er neu in der Mannschaft.
Fünf Wechsel, 3:0 nach 17 Minuten, Monteiro, Itten, Elia und Hadjam als Torschützen. Das sind die die objektiven Eckdaten zur Transformation der Young Boys. Doch da war noch mehr: Einstellung, Mut und Freude. Laufbereitschaft, Kampf und Wucht. Die Berner spielten so, wie man sie seit Monaten nicht mehr gesehen hatte. So dominant und auf Überfall eingestellt waren sie letztmals am 22. April 2023 unterwegs, als sie Servette 6:1 deklassierten. Auch damals hatten sie nach einer Viertelstunde 3:0 geführt.
Er habe im Verlaufe der Woche viele Einzelgespräche geführt und dem Team zwei bis drei Prinzipien als Vorgabe mitgegeben: Duelle gewinnen, Zweikämpfe durchziehen und mutig nach vorne spielen. So erklärte sich Magnin vor dem Spiel. So einfach sich das Berner Erfolgsrezept anhört, so sehr müssen sich die YB-Spieler auch diese Frage gefallen lassen: Ist es nicht Teil des gut bezahlten Jobs eines Fussballers, sich diese simplen Prinzipien immer zu Herzen zu nehmen, egal, wer auf dem Trainerstuhl sitzt?
Zum Debüt von Magnin spielten die Young Boys so unwiderstehlich, wie es in der Schweiz wohl nur sie können. Es wird die spannende Frage der nächsten Wochen sein, ob die Veränderungen in den Köpfen der Spieler nachhaltig sind. Ob die Leidenschaft anhält. Ob die auflodernde Flamme nicht nur ein Strohfeuer war.
Schon wenige Minuten nach dem Schlusspfiff richtete Magnin den Fokus auf diese Punkte. Ihm hat offenbar nicht gefallen, wie seine Mannschaft gegen Basel in einzelnen Phasen etwas genügsam wurde. «Ich würde nicht sagen, dass die Spieler überheblich wurden. Aber sie waren zwischenzeitlich vielleicht etwas weniger seriös», urteilte Magnin.
Am nächsten Sonntag wird die YB-Mentalität auswärts gegen den Tabellenvorletzten Lausanne-Sport einem nächsten Test unterzogen. Denn noch immer liegt Servette nur einen Punkt zurück.