Es ist kein Spiel wie jedes andere, es ist die «Mutter aller Derbys», zumindest im deutschen Fussball. Wenn Schalke 04 und Borussia Dortmund aufeinandertreffen, geht es um mehr als um nur drei Punkte. Es geht um Ruhm und Ehre, um die Vorherrschaft im Revier.
Tatort Dortmund, Stadion Rote Erde. Am 6. September 1969, dem 4. Spieltag der Bundesliga-Saison 1969/70 kam es im Revierderby zwischen Borussia Dortmund und Schalke 04 zu einem einzigartigen Vorfall. Damals standen die Zuschauer noch dicht gedrängt am Spielfeldrand und konnten so leicht aufs Spielfeld gelangen.
So auch bei dieser Partie. In der 37. Minute brachte Hans Pirkner Schalke in Führung. Anschliessend rannten dutzende Anhänger der «Königsblauen» aufs Spielfeld, um mit den Spielern zu jubeln. Die Dortmunder Polizei versuchte schnell für Ordnung zu sorgen, dabei setzten sie auch Hunde ein.
In der Hektik biss einer dieser Hunde den Schalker Friedel Rausch in den Hintern. Dieser erinnerte sich Jahre später noch an den Moment «Riesenaufregung. Meine Hose blutdurchtränkt. Ich hörte nur Stimmen. ‹Haltet den Hund fest.› Ein Dortmunder Ordner hatte seinen Schäferhund von der Leine gelassen. Ich wurde vom Platz getragen. Die Schmerzen waren tierisch.» Auch sein Mitspieler Gerd Neuser wurde von einem Schäferhund gebissen, allerdings in den Oberschenkel, daran erinnern sich heute jedoch nur noch die wenigsten.
Wie sich erst später herausstellte, war der Schäferhund «Blitz», welcher Rausch in seinen Allerwertesten biss, gar kein offizieller Wachhund. Er gehörte zu einem gewieften Fan, der sich den Hund von einem Nachbarn auslieh, um sich als Ordner einzuschleichen und dadurch den Eintritt zu sparen.
Das Derby am 19. Dezember war ein ganz besonderes. Nicht nur, weil beide Teams zum ersten Mal als Könige von Europa aufeinandertrafen. Schalke war als amtierender UEFA-Pokalsieger bei Champions-League-Sieger Borussia Dortmund zu Gast. Doch nicht nur deswegen sollte diese Partie in die Historie der Bundesliga eingehen.
55'000 Zuschauer wurden an diesem Freitagabend im Dezember zu Zeugen eines historischen Treffers. Die Hausherren führten kurz vor Ende des Spiels mit 2:1. Dann schlug Schalkes Marc Wilmots eine Flanke ins Nichts, woraufhin der damalige Linienrichter Dirk Margenberg dennoch auf Eckball für die Gelsenkirchener entschied. Die Dortmunder protestierten, weil der Ball von keinem «Schwarz-Gelben» berührt worden war, doch Margenberg blieb bei seiner Entscheidung.
Es gab nochmals Eckball für Schalke, wie schon seit der 80. Minute eilte der Schalker-Keeper Jens Lehmann auch bei diesem Standard in den gegnerischen Strafraum. Olaf Thon brachte die Ecke rein, Thomas Linke verlängerte den Ball an den langen Pfosten und dort kam Lehmann völlig frei angerauscht und köpfte den Ball in Mittelstürmer-Manier zum Ausgleich ins Netz.
Das 33'325. Tor in der Bundesliga war damit das Erste, welches von einem Torwart aus dem Spiel heraus erzielt wurde. Für Lehmann war es bereits sein zweites Bundesligator, er hatte 1995 im Spiel gegen 1860 München bereits per Penalty getroffen.
Schalke 04 stand zwei Spieltage vor Ende der Saison 2006/07 mit einem Punkt Vorsprung vor dem VfB Stuttgart an der Tabellenspitze. Am 33. Spieltag ging es ausgerechnet zum grossen Rivalen nach Dortmund. Ein Sieg war für die Schalker Pflicht, um am letzten Spieltag zu Hause gegen Arminia Bielefeld den lang ersehnten Titel vor heimischer Kulisse klarmachen zu können. Doch es sollte alles ganz anders kommen.
Im 129. Revier-Derby kamen die Schalker überhaupt nicht in Schwung. Die Mannschaft von Mirko Slomka agierte offensiv zu inkonsequent und wirkte ängstlich. So kam es wie es kommen musste: Kurz vor der Pause eroberte Christoph Metzelder den Ball auf der rechten Seite und brachte die Flanke hinein auf Alex Frei. Dieser liess sich nicht zweimal bitten und brachte die Dortmunder in Führung.
Auch in der zweiten Halbzeit fanden die «Königsblauen» nicht in die Spur. Fünf Minuten vor dem Ende der Partie gelangte der Ball von Metzelder zu Ebi Smolarek. Der Pole stand im Rücken der Schalker-Abwehr mutterseelenallein und hämmerte den Ball volley zum 2:0 ins Netz.
Da Stuttgart nur wenige Kilometer weiter in Bochum eine spektakuläre Partie mit 3:2 gewann, gaben die Schalker die Tabellenführung aus der Hand. Der VfB gab diese am letzten Spieltag nicht mehr her und wurde vor Schalke Deutscher Meister.
Im ersten Derby nach der verpassten Meisterschaft wollten die Schalker Rache am ewigen Rivalen nehmen. Wie immer ging es während der Partie hoch her. So kam es nach einem Zusammenprall der beiden zu einer hitzigen Debatte zwischen Dortmunds Torwart Roman Weidenfeller und Schalkes Gerald Asamoah.
Weidenfeller soll Asamoah dabei rassistisch beleidigt haben, wofür er später vom DFB zu einer Geldstrafe verurteilt wird. Asamoah gab seine Antwort auf dem Platz, er traf zum zwischenzeitlichen 3:0 und sandte mit seinem Torjubel eine eindeutige Geste in Richtung des BVB-Keepers.
Den Start in sein erstes Derby als Trainer des BVB hatte sich Jürgen Klopp mit Sicherheit anders vorgestellt. Nach 54 Minuten lag Dortmund vor heimischer Kulisse bereits mit 0:3 zurück und alles deutete auf einen Kantersieg der Schalker hin.
Doch Schalke hatte die Rechnung ohne Alex Frei gemacht. Frei war zur Halbzeit von Klopp eingewechselt worden und avancierte so gleich zum Matchwinner für die Borussen. Zunächst bereitete er den 1:3-Anschlusstreffer von Neven Subotic vor. Nur wenige Minuten später traf er selbst zum 2:3. Danach ging es drunter und drüber: Zuerst sah Schalkes Christian Pander wegen wiederholten Foulspiels die Gelb-Rote Karte und nur Minuten später bekam Fabian Ernst wegen eines groben Foulspiels an Dortmunds Jakub Blaszczykowski glatt Rot.
In der Schlussphase drängte der BVB schliesslich auf den Ausgleich und nach einem Handspiel der Schalker zeigte Schiedsrichter Lutz Wagner auf den Penaltypunkt. Diese Chance liess sich Alex Frei nicht nehmen und verwandelte souverän zum 3:3 für die «Schwarz-Gelben».
Im September 2010 geht der Stern eines kleinen japanischen Dribbelkünstlers in der Bundesliga auf. Sein Name: Shinji Kagawa. Am 4. Spieltag der Saison 2010/11 sind die Dortmunder zu Gast in Gelsenkirchen. Der Saison-Start verlief für beide Teams völlig unterschiedlich, Dortmund startete mit zwei Siegen und einer Niederlage, während die Schalker zu diesem Zeitpunkt noch nicht einen Punkt auf dem Konto hatten.
Dortmund überzeugte mit seinem Vollgas-Fussball von Beginn an auch auf Schalke, Kagawa war der alles überragende Mann auf Seiten der «Schwarz-Gelben». Der Japaner traf zweimal und wurde beim 3:1-Sieg der Borussen zum Matchwinner.
Schalke stand dadurch nach vier Spielen mit null Punkten auf dem letzten Platz und wurde am Saison-Ende gerade mal 14., während sich der ewige Rivale dazu aufmachte, am Ende der Saison die Meisterschaft zu gewinnen.
Ein Derby der Superlative erlebten die Fans Ende November 2017 im ausverkauften Signal-Iduna-Park. Der BVB zerlegte die Gäste aus Gelsenkirchen innerhalb der ersten 25 Minuten in alle Einzelteile. Pierre-Emerick Aubameyang, ein Eigentor von Benjamin Stambouli, Mario Götze und Raphael Guerreiro brachten die Hausherren mit 4:0 in Führung.
Zur Pause hätte wohl keiner mehr damit gerechnet, dass die Schalker in dieser Partie noch einen Fuss in die Tür bekommen. Nach etwa einer Stunde traf dann allerdings Guido Burgstaller zum 1:4 aus Schalker Sicht und vier Minuten später schoss Amine Harit das 2:4.
Als dann in der 72. Spielminute auch noch Aubameyang mit Gelb-Rot vom Platz musste, witterten die Schalker plötzlich wieder Morgenluft. Zunächst verhinderte Roman Weidenfeller mit einer Glanzparade den zweiten Treffer von Burgstaller und alles sah danach aus, als ob der BVB den Sieg doch über die Zeit bringen würde.
Doch dann liess Daniel Caligiuri die Dortmunder Verteidiger stehen und jagte vier Minuten vor Ende der regulären Spielzeit den Ball zum 3:4-Anschlusstreffer in den Winkel. Die Schalker drängten nun auf den Ausgleich und als Schiedsrichter Deniz Aytekin sieben Minuten Nachspielzeit anzeigte, wurde die Hoffnung auf den Ausgleich umso grösser.
Etwas mehr als die Hälfte der Nachspielzeit war abgelaufen, als es noch einmal einen Eckball für Schalke gab. Jewhen Konopljanka schlug den Ball in die Mitte, wo Naldo am höchsten stieg und den Ball vorbei an Weidenfeller zum nicht mehr für möglich gehaltenen Ausgleichstreffer ins Tor köpfte.
Die Schalker feierten dieses Unentschieden damals wie einen Sieg, was sich angesichts des Pausen-Rückstands für Mannschaft und Fans auch so angefühlt haben dürfte.
Im April 2019 befand sich der BVB mitten im Meisterschaftsrennen mit dem FC Bayern München. Nun kam am 31. Spieltag der ungeliebte Nachbar aus Gelsenkirchen in den Signal-Iduna-Park. Die Vorzeichen hätten nicht unterschiedlicher sein können. Während Dortmund um die Meisterschaft kämpfte, steckte Schalke im Abstiegskampf fest.
Zunächst lief für das Team von Lucien Favre noch alles nach Plan. Nach einer Flanke von Jadon Sancho ist Mario Götze zur Stelle und köpfte zur Dortmunder-Führung ein. Doch die Führung der Dortmunder sollte nicht von allzu langer Dauer sein.
Nur vier Minuten später machte sich Schalkes Daniel Caligiuri auf, seine eigene Derby-Geschichte zu schreiben. Zunächst erzielte er per Penalty den Ausgleich, um noch vor der Pause den Führungstreffer von Salif Sané vorzubereiten.
Nach einer Stunde sah dann Marco Reus wegen eines groben Fouls an Suat Serdar die Rote Karte. Den fälligen Freistoss nutze Caligiuri mit einem sehenswerten Schlenzer zum 3:1 für die Schalker aus. Kurz darauf wiederholten sich die Ereignisse, auch Marius Wolf senste Serdar von hinten um und musste vorzeitig unter die Dusche.
Die Dortmunder verkürzten in Unterzahl durch einen Treffer von Axel Witsel zwar noch auf 2:3, doch quasi mit dem nächsten Angriff stellte Breel Embolo den alten Abstand wieder her.
Schalke machte damit den vorzeitigen Klassenerhalt klar und beendete die Dortmunder Meisterschafts-Träume. Der Sieg wurde von den Königsblauen ausgiebig gefeiert. Schalkes Team-Manager Gerald Asamoah lief durch die Katakomben und rief immer wieder «2007 Jungs! Ich sage nur 2007!». Auf dem Rückweg nach Gelsenkirchen kehrte die Mannschaft noch in der Kneipe «Bosch» ein um mit den Fans zu feiern.
...und sie feiern immer noch! Ihr auch? 😃😋 #Derbysieger #S04 pic.twitter.com/xwFuB07PLl
— FC Schalke 04 (@s04) April 28, 2019
Das bisher letzte Derby in der Arena auf Schalke liegt wegen des Schalker-Abstiegs bereits über 2 Jahre zurück. Im Februar 2021 wurden die Schalker vom BVB mit 0:4 deklassiert. Erling Haaland traf damals doppelt, die weiteren Treffer erzielten Jadon Sancho und Raphael Guerreiro.