Es ist der dritte Tag im Trainingscamp der Schweizer Fussballer in Marbella. Das schlechte Wetter hat die gute Laune zwar nicht verdorben. Der geplante Teamevent mit Tennis und Padel fällt aber ins Wasser.
Als die Trainingseinheit am Vorabend vorbei ist, schreiten Noah Okafor und Ruben Vargas gemeinsam zum Interview. Die beiden sind die Aufsteiger des letzten Nati-Herbsts unter Murat Yakin. Sie sind mit ihrer Art wie gemacht für den Tempo-Fussball, den der neue Nationaltrainer so schätzt.
Die Geschichte von Okafor und Vargas ist auch eine zweier Freunde, die sich in den Zusammenzügen des Nationalteams kennen- und schätzen gelernt haben. Zunächst in der U21. Nun im A-Team. In der vergangenen Winterpause genossen sie eine zehntägige gemeinsame Auszeit in Dubai. «Es hat relativ rasch ‹klick› gemacht», erzählt Vargas. «Wir sind ähnliche Typen, haben viele gemeinsame Interessen – und verstehen uns einfach super.»
Der 23-jährige Vargas hat schon ein paar Erfahrungen mehr machen dürfen im Nationalteam. Seine Aktien sind jetzt aber noch einmal gestiegen. «Ich mag die Art, wie Yakin Fussball spielen lässt sehr. Wobei ich auch unter Petkovic zu vielen Einsätzen gelangte – häufig hatte ich das gar nicht erwartet.»
An der EM gehörte Vargas erst zu den Penalty-Helden gegen Frankreich. Im Viertelfinal gegen Spanien aber auch zu jenen, die mit ihrem Versuch scheiterten. Die Bilder seiner Tränen und wie ihn der Spanier Thiago Alcantara in die Arme nahm, gingen um die Welt.
Doch die Tränen trockneten schnell. Spätestens am 15. November war die Welt von Vargas wieder eine ganz andere. Beim 4:0 gegen Bulgarien, das die WM-Qualifikation sicherte, war er einer der Torschützen.
«Diesen Abend werde ich mein Leben lang nicht vergessen», sagt Vargas. «Das erste Mal, dass ich nach meinem Wechsel von Luzern nach Augsburg ins heimische Stadion zurückkehrte, und dann diese Emotionen. Ich kriege heute noch Gänsehaut.»
Auch Okafor war an jenem Abend massgeblich beteiligt am Schweizer Exploit. Er war es, der kurz nach der Halbzeit zum 1:0 traf und damit den Schweizer Sturmlauf so richtig lancierte. Ihn kannte die Fussball-Schweiz (ausserhalb Basels) bis zu diesen November-Tagen mit den Auftritten in Italien und gegen Bulgarien noch nicht so gut.
Im Juni 2019 durfte Okafor beim Nations League Finalturnier in Portugal ein erstes Mal mit der A-Nati reinschnuppern. Danach musste er sich aber lange gedulden. Noch im Oktober 2021 spielte er für die U21, im Spitzenspiel gegen Holland gelangen ihm zwei Tore. «Das war mein Zeichen dafür, dass ich bereit bin für den Sprung», sagt der 21-Jährige im Rückblick.
Zumal ihm mit Salzburg eine herausragende Saison gelingt – gerade in der Champions League. Zunächst traf er als erster Schweizer überhaupt doppelt in einem Spiel. Danach sorgte er beim 1:0 im letzten und entscheidenden Spiel gegen Sevilla für die Entscheidung.
Der Lohn: Das Achtelfinalduell mit Bayern München. Doch ausgerechnet in diesem Spiel zieht sich Okafor einen Muskelfaserriss am rechten Oberschenkel zu. Er muss sich bereits nach zwölf Minuten des Hinspiels auswechseln lassen. Auch das Rückspiel verpasst er. Okafor sagt: «Es gibt Dinge im Fussball, die man nicht beeinflussen kann. Darum denke ich auch gar nicht mehr darüber nach. Ich beschäftige mich lieber mit der Zukunft.»
Ganz ohne Rückblick geht es aber dann doch nicht. Sein Aufstieg verlief so rasant, dass er manchmal auch selbst staunt. «Es ist schon so: besser hätte ich es mir fast nicht wünschen können. Es ging so schnell, dass ich manchmal Mühe damit habe, das alles zu realisieren.» Die EM-Spiele gegen Frankreich und Spanien verfolgte Okafor noch im Trainingslager seines Klubs Salzburg. Nun ist er mitten drin, wenn sich die Schweiz auf die WM vorbereitet.
Nicht ganz so gut verläuft die Saison im Klub für Vargas. Zwar ist er bei Augsburg weiterhin gesetzt. Aber die persönliche Bilanz könnte etwas freundlicher aussehen. Erst ein Tor gelang ihm im DFB-Pokal. Noch kämpft der Verein gegen den Abstieg.
Am Samstag in England wollen die beiden Freunde Trainer Yakin ein erstes Mal in diesem Jahr beweisen, dass sie weiter gereift sind. Und bereit, um mit der Schweiz ein nächstes Märchen zu schreiben.