Ihr Wunsch ist deponiert. Ramona Bachmann möchte im Nati-Camp während der Heim-Europameisterschaft ihr Baby mit dabei haben. «Das wäre wunderbar. Ich glaube, dass er unser Glücksbringer werden könnte.» Ihre Frau Charlotte Baret soll im Mai in Paris das gemeinsame Kind zur Welt bringen, nur zwei Monate später steigt die Fussball-Europameisterschaft im eigenen Land. Ob der kleine Junge tatsächlich mit dabei sein darf im Nati-Hotel, ist derzeit noch unklar.
Unklar könnte auch die Rolle sein, die Ramona Bachmann während dieser Heim-Europameisterschaft ausübt. Seit zwei Jahrzehnten prägt sie als Schlüsselspielerin das Schweizer Nationalteam. 2007 debütierte sie im zarten Alter von 16 Jahren für die Nati, bestritt seither 151 Spiele und erzielte 60 Tore. Die Luzernerin führte das Nationalteam an die ersten beiden Weltmeisterschaften (2015 und 2023) und an die ersten beiden Europameisterschaften (2019 und 2022). Als Spielgestalterin prägt sie das Nationalteam in den letzten zwei Jahrzehnten so, wie es sonst nur die 2021 zurückgetretene Lara Dickenmann tat.
Ob Ramona Bachmann auch an der EM im eigenen Land wieder die grosse Schlüsselspielerin wird? Dahinter steht ein Fragezeichen. Wegen ihres Fitnesszustands droht ihr eine Jokerrolle, wie sie in der Männer-Nati an der letzten EM Xherdan Shaqiri innehatte.
Die Saisonvorbereitung mit ihrem Team Houston Dash verpasste Bachmann verletzt, am vergangenen Wochenende beim 0:0 gegen Gotham kam sie am dritten Spieltag zu ihren ersten dreissig Minuten in diesem Jahr. «Es ist kein Geheimnis, dass ich ein Fitnessdefizit hatte. Das Hauptziel ist, dass ich bei Houston wieder mehr spielen kann und dass ich am 2. Juli topfit bin.» Dann starten die Schweizerinnen im Eröffnungsspiel gegen Norwegen in Basel in die Europameisterschaft.
Auch wenn eine fitte Ramona Bachmann wohl noch immer unantastbar wäre im Schweizer Frauenfussball: So unsicher wie jetzt war ihre Rolle im Nationalteam noch nie. Früher musste sie fast alleine für die Musik sorgen, war auch in halbfittem Zustand besser als alle anderen Nati-Offensivspielerinnen. Nun aber rücken junge Talente wie Sydney Schertenleib, Naomi Luyet und Iman Beney nach.
Wie Bachmann verfügen sie ebenfalls über grosse spielerische und technische Fähigkeiten, auch sie haben das Zeug zur Künstlerin auf dem Platz. Dazu kommt, dass es die ideale Rolle für Spielgestalterin Bachmann im von Pia Sundhage bevorzugten 3-5-2-System nicht gibt. «Ich spiele überall in der Offensive und bin deshalb flexibel», sagt Bachmann. «Und mit meinen Qualitäten kann ich dem Nationalteam immer noch viel helfen.»
Für die Nati-Küken gilt Bachmann oft als Idol, viele schauen auf zur 34-Jährigen, die so viel geleistet hat für den Schweizer Frauenfussball. Doch auch sie hat festgestellt, dass der Kampf um die Nati-Plätze gerade wegen den jungen Talenten grösser geworden ist. «Wir haben jetzt eindeutig mehr Konkurrenz innerhalb des Teams, dadurch kommt jede Spielerin auf ein höheres Niveau.»
Sorgen um ihren Platz macht sich Bachmann nicht, stattdessen sieht sie Vorteile. «Es ist eine grossartige Entwicklung, dass es so viele junge gute Spielerinnen gibt in der Nati. Ich glaube, dass sie uns dadurch eine grössere Flexibilität ermöglichen. Es ist gut für uns, wenn sich der Fokus in der Offensive auf mehrere Personen verteilt.»
Während Ramona Bachmann sagt, dass sie alles daran setzt, wieder in Topform zu kommen, liegt ihr privater Fokus auf ihrer Rolle als werdende Mutter. Sie spielt in den USA Fussball, Frau Charlotte bereitet sich gleichzeitig in Paris auf die Geburt im Mai vor. Vor dem Geburtstermin wird Bachmann von den USA nach Frankreich fliegen. «Für uns war es in der derzeitigen politischen Situation in den USA klar, dass wir das Kind lieber in Paris bekommen möchten», erklärt Bachmann.
In den USA störe das Paar nicht nur die Wahl von Präsident Donald Trump, wodurch unter anderem die Situation für LGBTQIA+-Personen nicht vereinfacht wurden, sondern es fehle auch ein guter Mutterschutz wie in Frankreich. Zudem erhalte das Kind nun nicht den amerikanischen, sondern den französischen und den Schweizer Pass.
Derzeit plant die neue Familie nach der Geburt gemeinsam in den USA zu leben, weil Bachmann in Houston noch einen Vertrag bis im Dezember 2026 hat. «Ich gehe davon aus, dass ich diesen Vertrag erfülle», sagt sie. In der Gerüchteküche brodelt es derweil, dass Bachmann nach einer möglicherweise erfolgreichen Europameisterschaft wieder nach Europa zurückkehren könnte.
Vielleicht gibt ihr das noch eine zusätzliche Motivation für eine erfolgreiche Heim-EM. Dass Träume von einem erfolgreichen Heimturnier durchaus erlaubt sind, zeigt sich in ihrem allerletzten Satz des Gesprächs. Sie sagt: «Das ist sicher die beste Nati, in der ich je gespielt habe.» Und wenn das Ramona Bachmann sagt, dann heisst das: Das derzeitige Schweizer Nationalteam ist das beste aller Zeiten.