Und alle fragen sich: Bekommt die Bundesliga endlich wieder einen Titelkampf?
Wäre es vermessen, am siebten Spieltag von einem saisonentscheidenden Spiel zu sprechen? Ja und nein.
Natürlich wird heute (18.30 Uhr) zwischen Bayern München und Borussia Dortmund nicht die Meisterschaft entschieden. Dennoch wird das Ergebnis des Spiels einen grossen Einfluss auf den weiteren Verlauf der Bundesliga-Saison haben.
Gewinnt Bayern auch das siebte Spiel, wächst der Vorsprung auf den grössten Konkurrenten bereits auf sieben Punkte an. So, wie der Rekordmeister sich bisher präsentierte (6 Spiele, 6 Siege, 25:3 Tore), dürfte er in diesem Fall kaum noch einzuholen sein. So viel dürften wir in den letzten 13 Jahren, in denen die Münchner 12 Mal Meister geworden sind, gelernt haben. Punktet der BVB hingegen, dürfen Bundesliga-Fans endlich mal wieder auf einen echten Titelkampf zweier Topteams hoffen.
Und dafür, dass Borussia Dortmund das gelingt, gibt es tatsächlich Argumente. Einerseits bewies der BVB in den letzten drei Direktduellen, dass er mit Bayern München mithalten kann. Seit Niko Kovac das Ruder übernommen hat, ist Dortmund noch ungeschlagen. Das erste Aufeinandertreffen gewann Dortmund in München 2:0, in der letzten Saison trennten sich die Klubs zweimal Unentschieden (1:1 und 2:2).
Unter Kovac wurde der BVB abgebrühter
Entgegen der anfänglichen Skepsis gegenüber dem kroatischen Trainer hat dieser das Team stabilisiert und weiterentwickelt. Obwohl Dortmund auch in dieser Saison gegen St. Pauli (3:3 nach 3:1-Führung) und Juventus Turin (4:4 nach 4:2-Führung) wichtige Punkte verspielt hat, wirken die Borussen abgebrühter und widerstandsfähiger. In beiden Fällen reagierten sie mit Siegen in den folgenden Spielen, im zweiten Champions-League-Spiel überstanden sie eine heikle Phase nach dem 1:2-Anschlusstreffer von Athletic Bilbao.
Unter Kovac spielt Dortmund vielleicht nicht immer den attraktivsten Fussball – aber es ist erfolgreich. Nach vier Niederlagen in den ersten zehn Spielen nach der Amtsübernahme im Februar 2025 verlor der BVB nur noch zweimal: gegen den FC Barcelona im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League und im Viertelfinal der Klub-WM gegen Real Madrid. In dieser Saison siegte Dortmund sechsmal und spielte dreimal Unentschieden.
«Wohltuende Reife und Gelassenheit»
Dem 54-jährigen Trainer ist aber auch neben dem Platz anzumerken, dass er aus den Rückschlägen in München, Monaco und Wolfsburg gelernt hat. Bei Pressekonferenzen und in Interviews wirkt er sehr souverän, findet meist die richtigen Worte und im Team kommt er mit seiner Art gut an. «Er strahlt eine wohltuende Reife und Gelassenheit in dieser oft so getriebenen Branche aus – und entwickelt daraus eine natürliche Autorität», urteilt der Kicker.
Und er macht Spieler besser, wie unter anderem an Karim Adeyemi zu erkennen ist, der unter Kovac regelrecht aufblüht. Der blitzschnelle Flügelspieler dürfte auch in München einer der gefährlichsten Dortmunder sein, gemeinsam mit Torjäger Serhou Guirassy. Trainer Kovac machte vor dem Spitzenspiel klar, wie er sein Team einstellen wird: «Wenn man in München zu ängstlich agiert, dann wird es schwierig. Das haben die vergangenen Spiele gezeigt, in denen die Gegner versucht haben, nur zu verteidigen. Das geht nicht gut aus.»
Vielmehr soll Dortmund mutig spielen und «den Gegner bearbeiten». Das letzte Aufeinandertreffen in München habe nämlich gezeigt, «dass wir dann unsere Möglichkeiten bekommen». Im April trennten sich Bayern und Dortmund 2:2, alle Tore fielen nach der Pause. Seither sei sein Team aber noch besser geworden, findet Kovac: «Man sieht, dass wir inzwischen weniger Grosschancen zulassen und auch weniger Gegentore bekommen. Unsere Qualität ist gross genug, Spiele zu entscheiden.»
Zwei Fäuste für ein Topspiel
Gleichzeitig hat aber auch Bayern München eine Entwicklung durchgemacht. Zehn Siege in zehn Pflichtspielen in dieser Saison sprechen eine deutliche Sprache. Kovac lobt zudem die Laufstärke des Teams von Vincent Kompany und sagt: «Wenn sich ihre individuelle Qualität mit Körperlichkeit und Physis paart, dann sind sie nur sehr schwer zu bespielen.» Der BVB-Coach fordert deshalb vor allem ein grosses Zusammengehörigkeitsgefühl: «Wir müssen eine Faust sein, denn die tut mehr weh als eine Schelle.»
Angesprochen auf die Metapher, schmunzelt Bayern-Trainer Kompany: «Wir sind beide ungeschlagen, also sind es zwei Fäuste gegeneinander.» Der 39-jährige Belgier ist ebenso heiss auf die Partie wie Kovac und schreibt den Duellen gegen Dortmund zu, «fast schon wie ein eigener Pokal» zu sein. «Wir wollen einfach gewinnen», so Kompany.
Freuen darf sich der Bayern-Trainer unter anderem darüber, dass Harry Kane, der angeschlagen in die Länderspielpause gegangen ist, fit zurückgekehrt ist. Der englische Stürmer erzielte in 10 Pflichtspielen in dieser Saison 18 Tore. Ihn zu bremsen, wird vor allem die Aufgabe von Nico Schlotterbeck sein, bei dem pünktlich vor dem Topspiel alte Mechanismen griffen. Der BVB-Verteidiger mit einem Vertrag bis 2027 wurde öffentlich mit einem Wechsel zu Bayern München in Verbindung gebracht. «Ich kann dazu nichts sagen», kommentierte der 25-Jährige die Gerüchte.
Am heutigen Samstagabend wird Schlotterbeck eine der wichtigsten Aufgaben haben. Nur dann, wenn er Kane einigermassen im Zaum halten kann, hat der BVB eine Chance. Fussballdeutschland wird ihm dabei gespannt zusehen und wahrscheinlich die Daumen drücken. Denn sonst würde sich die Hoffnung auf einen spannenden Titelkampf wohl bereits wieder zerschlagen.