Bayern heisst Straftäter Jérôme Boateng herzlich willkommen – Ärger der Fans ist gross
Der Aufruhr begann mit einem Zitat von Jérôme Boateng in einem Interview mit der Bild: «Ich kann bei Bayern hospitieren und darauf freue ich mich sehr», verriet er dort. Der ehemalige deutsche Fussballer, der seine Karriere Mitte September beendet hat, plant eine Trainerkarriere, die B-Lizenz hat er bereits erlangt. Nun plane er einige Hospitanzen – unter anderem eben bei Bayern München, das von seinem ehemaligen ManCity- und HSV-Kollegen Vincent Kompany trainiert wird. Mit diesem habe er bereits gesprochen. «Wir müssen nur noch den richtigen Zeitpunkt finden», so Boateng.
Kompany hatte schon vor einigen Wochen gesagt, dass sein «guter Freund» bei den Münchnern willkommen wäre. «Ein paar Wochen zu uns kommen? Seine Erfahrung als Top-Verteidiger teilen? Natürlich! Ich würde immer dazu einladen, hundertprozentig», erklärte der 39-jährige Belgier und fügte an: «Ich bin extrem stolz auf ihn und glücklich darüber, was er alles erreicht hat.» Im September besuchte der Champions-League-Sieger von 2013, der 363 Pflichtspiele für Bayern absolvierte, zudem das Heimspiel gegen Werder Bremen.
Boateng ist der Körperverletzung schuldig
Wovon er oder der FC Bayern München nicht reden, ist die Tatsache, dass Jérôme Boateng ein verurteilter Straftäter ist. Seine ehemalige Lebensgefährtin und Mutter seiner beiden Töchter, Sherin Senler, habe er im Karibik-Urlaub 2018 an den Haaren vom Sofa gerissen, ihr in den Kopf gebissen und sie angespuckt. 2021 wurde er vom Amtsgericht München wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 1,8 Millionen Euro verurteilt. Boateng legte Berufung ein, drei Jahre später fällte das Landgericht München das finale Urteil: Boateng ist der Körperverletzung schuldig und musste 100'000 Euro an gemeinnützige Organisationen spenden.
Auch im Fall von Boatengs Ex-Freundin Kasia Lenhardt, die sich im Februar 2021 das Leben nahm, wurde dem Weltmeister von 2014 Gewalt vorgeworfen. Recherchen wie jene vom Spiegel fanden mehrere Indizien dafür, im März dieses Jahres wurde das Verfahren nach dem Prinzip «im Zweifel für den Angeklagten» aber eingestellt. Das Landgericht erklärte aber auch: «Hinweise ergaben, dass die Geschädigte kurz vor ihrem Tod vom Beschuldigten massiv verletzt wurde.» Jedoch gebe es keine Belege für die Entstehung der Verletzungen, weshalb Boateng keine Schuld nachgewiesen werden konnte.
Anlaufstellen für Opfer von häuslicher Gewalt
Unter häuslicher Gewalt versteht man körperliche, psychische oder sexuelle Gewalt innerhalb einer Familie oder in einer aktuellen oder aufgelösten Paarbeziehung.
Betroffene können sich bei den kantonalen Opferhilfestellen melden, die auf der Website der Opferhilfe Schweiz zu finden sind. Die Beratung ist kostenlos, vertraulich und anonym. Sollten sich Frauen zu Hause nicht mehr sicher fühlen, finden sie in Frauenhäusern eine sichere Unterkunft. Weitere Unterstützung bietet das Frauen-Nottelefon. Betroffene Männer können sich an die Anlaufstelle Zwüschehalt oder an das Männerbüro Zürich wenden.
Bei Straftaten im Ausland können Schweizer Staatsangehörige die Helpline des EDA kontaktieren: +41 800 24 7 365.
Dass er nun trotzdem ein Praktikum bei Bayern München absolvieren kann, sorgt bei den Fans für Ärger. Am Donnerstagabend wurde eine Petition gestartet, die nach 22 Stunden bereits über 2000 Personen unterschrieben haben. Schon vor zwei Jahren, als der damals vereinslose Boateng bei Bayern mittrainierte, äusserte sich die Münchner Südkurve auf drei Bannern dezidiert: «Misogyne Gewalt ist keine Privatsache! Steht zu unseren proklamierten Werten – oder sind Satzung und Awareness doch nur Marketing?»
Bayern widerspricht sich selbst
In einem Kommentar zeigt das Fussballmagazin 11 Freunde auf, wie Bayern München mit dem Willkommenheissen von Boateng den Aussagen mehrerer Funktionäre aus der Vergangenheit widerspricht. Sportchef Christoph Freund reagierte auf die Fan-Kritik im Herbst 2023 so: «Für den FC Bayern und mich persönlich ist es ganz, ganz wichtig, die Werte des FC Bayern hochzuhalten. Was da berichtet wurde: Gewalt oder häusliche Gewalt, das sind Werte, die für uns nicht zu tolerieren sind. Da gibt es auch keine Akzeptanz.»
Im letzten November setzte der Klub zudem ein «Zeichen gegen Gewalt gegenüber Frauen», indem er das Stadion in Orange aufleuchten liess – es handelt sich um die Symbolfarbe gegen häusliche Gewalt. Präsident Herbert Hainer sagte dazu: «Der FC Bayern erneuert seinen Appell an alle, beim Thema häusliche Gewalt nicht wegzuschauen.» Deshalb wird den Verantwortlichen beim deutschen Rekordmeister nun Heuchelei vorgeworfen.
Bayern München ist aber nicht der einzige Klub, der Boateng herzlich willkommen heissen würde. So soll auch der FC Barcelona dem 37-Jährigen angeboten haben, unter Hansi Flick zu hospitieren.
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