Den Pokal des Europameisters berührte Kasper Schmeichel das erste Mal mit 5. Und mit 9 präsentierte er ihn bei der Eröffnungsfeier der EM 1996 der ganzen Welt. Damals kam er in den Genuss, weil sein Vater Peter 1992 mit Dänemark zum wohl überraschendsten Europameister der Geschichte wurde.
Inzwischen ist aus dem kleinen Kasper ein Mann geworden. Er ist 34 Jahre alt, noch immer wirkt er, der ewige Sohn, jünger. Nun bietet sich Kasper Schmeichel die grosse Möglichkeit, das Wunder von damals zu wiederholen. Diesmal den Pokal in die Höhe zu stemmen, weil er ihn geholt hat. Erstmals seit 1992 steht Dänemark wieder in einem Halbfinal, trifft dort heute auf England.
Die Vorzeichen sind andere als damals, als die Dänen aus den Ferien an die EM angereist waren, weil Jugoslawien nicht teilnehmen konnte. Aber auch in diesem Jahr braucht es eine spezielle Geschichte, um das Potenzial abzurufen: Der Zusammenbruch des Stars Christian Eriksen im Eröffnungsspiel trat eine Solidaritätswelle los, welche die Dänen noch immer beflügelt.
Wie 1992 steht ein Mann zwischen den dänischen Pfosten, der kaum überwindbar scheint. Wieder heisst er Schmeichel. Kasper Schmeichel hat das Erbe seines Vaters angetreten. Vieles erinnert an Peter: die blonden Haare, die Grösse, die beeindruckende Ausstrahlung, die guten Torhüterleistungen.
Vater Peter ist lange das Vorbild von Kasper. Heute aber mag er es nicht, von Journalisten auf seinen Vater angesprochen zu werden. Der ewige Vergleich. «Mein Nachname war keine Hilfe. Ich war immer konfrontiert mit Fragen dazu. Aber ich kann damit umgehen», sagt er. Und Vater Peter sagt: «Er hat die Denkschule durchbrochen, dass man es als Sohn von jemandem Berühmten nicht schaffen kann. Das hat ihn viele Jahre gekostet, er ist an jeder Kreuzung mit mir verglichen worden.»
Tatsächlich nimmt Kasper Schmeichel einige Kreuzungen, ehe es nach oben geht. Er startet seine Karriere dort, wo jene des Vaters zu Ende gegangen ist: bei Manchester City. Der jüngere Schmeichel ist 2007 sieben Spiele lang Stammgoalie – dann versinkt er in den Niederungen des Fussballs: Ausleihen zu Cardiff und Coventry, ehe er beim Viertligisten Notts County landet. Dort spielt er für ein Salär von einer Million Pfund, bis das Geld beim neureichen Klub ausgeht. Der Wechsel zu Leeds, später zum Zweitligisten Leicester City, wo das erste Märchen in Kasper Schmeichels Karriere folgt: Aufstieg, 2016 englischer Meister, Nationalgoalie. Vergleiche werden wieder gezogen.
Das liegt auch an den sensationellen Spielen, die Schmeichel zeigt. So ist er im Oktober 2019 praktisch im Alleingang dafür verantwortlich, dass Dänemark die Schweiz mit 1:0 bezwingt. Der Goalie wurde zu einer unüberwindbaren Wand. Ganz so, wie früher sein Vater. Doch der jüngere Schmeichel ist in gewissen Dingen anders. Peter Schmeichels typische Parade war jene, in der er sich vor einem heransprintenden Stürmer in die Pose eines fliegenden Seesterns warf. Kasper Schmeichel ist anders. Er zeichnet sich vor allem durch sichere Reflexe auf der Linie aus und gutes Spiel mit dem Fuss. Er hat seinen eigenen Weg an die Spitze gefunden.