Gestern Sonntag ging die Reise der Schweizer durch das WM-Land Russland weiter. Nach dem chaotisch-lauten Rostow im Süden, dem westlich angehauchten Kaliningrad in der Exklave zwischen Polen und Litauen sowie dem im Zentrum mediterran anmutenden Nischni Nowgorod an der Wolga nun also St.Petersburg. Diese an der Ostsee gelegene nördlichste Millionenstadt der Welt mit ihrem historischen Zentrum, einem Weltkulturerbe der UNESCO.
Trainer Vladimir Petkovic und seine Spieler haben allerdings keine Zeit für die Eremitage oder die Auferstehungskirche. Für sie ist der neuste Prachtbau von St.Petersburg wichtig: das für rund eine Milliarde Franken gebaute Krestowski-Stadion mit seinen 67'000 Sitzplätzen. Hier will die Mannschaft am Dienstag Geschichte schreiben. Hier will sie gegen Schweden in den ersten WM-Viertelfinal seit 1954 einziehen.
Die Schweizer fühlen sich stark vor diesem Duell mit den Skandinaviern. Sie ziehen ihr Selbstbewusstsein aus dem bisherigen WM-Verlauf, auch wenn sie auf ihrem Parcours durch die Vorrunde alles andere als perfekt waren und ihnen gerade in wegweisenden Momenten auch das Glück zur Seite gestanden hat. Torhüter Yann Sommer sagte: «Wir haben schon einige Prüfungen überstanden. Immer wieder Rückstände aufgeholt, nicht nur an der WM. Das gibt uns eine gewisse Gelassenheit.»
Die Schweizer soll auch nicht aus der Ruhe bringen, dass sie im wichtigsten Spiel der letzten vier Jahre wegen Sperren auf Captain Stephan Lichtsteiner und Abwehrchef Fabian Schär verzichten müssen. Die beiden werden durch die erfahrenen Johan Djourou und Michael Lang ersetzt.
Der 31-jährige Djourou hat an der WM 2014 und an der EM 2016 keine Minute verpasst. Und der 27-jährige Lang hat mit dem FC Basel zwei Champions-League-Kampagnen absolviert. Auch er ist sich durchaus an grosse Bühnen gewohnt. Der Thurgauer wirkte vor dem bedeutendsten Spiel seiner Karriere unaufgeregt. «Die Vorfreude ist riesig. Aber wenn so viel auf dem Spiel steht, darf man sich persönlich nicht zu viel vornehmen. Man soll locker und unbeschwert auf den Platz gehen.»
Dass Djourou und Lang die Plätze von Schär und Lichtsteiner einnehmen, steht ausser Frage. Andere Personalfragen beschäftigen Petkovic mehr.
Wie fit ist Xherdan Shaqiri, der gegen Costa Rica eine «Tomate» eingefangen hat? Er hat zwar am Samstag wieder voll trainiert, aber wie explosiv kann er im Wettkampf sein? Gefährdet ist Shaqiris Einsatz nicht. Aber wo soll er spielen? Weiterhin auf dem rechten Flügel oder doch im Zentrum, wo er sich eigentlich wohler fühlt?
Steven Zuber ist wieder gesund und kann die Vorbereitung absolvieren. Die Alternative wäre Breel Embolo, der ihn gegen Costa Rica ersetzt hat, dabei allerdings trotz eines Assists nicht restlos überzeugte. Kommen die Schweizer Taktiker und Analysten zum Schluss, dass der schwedische Riegel vor allem über die Seiten zu knacken ist, wäre Zuber im Vorteil gegenüber Embolo, den es eher ins Zentrum zieht. Oder spielen am Ende beide? Zuber auf dem Flügel und Embolo ganz vorne als Sturmspitze?
Die Position der Sturmspitze ist nach wie vor die grösste Baustelle im Schweizer Team. Haris Seferovic ist in den ersten anderthalb WM-Spielen durchgefallen. Sein Ersatz Mario Gavranovic war gegen Serbien stark, gegen Costa Rica aber unsichtbar. Und Josip Drmic? Er schoss gegen Costa Rica ein Tor und traf einmal den Pfosten.
Von den Qualitäten her müsste Drmic die Nummer 1 im Sturm sein: schnell, gradlinig, stark im Abschluss. Doch lassen seine vielen Verletzungen der letzten Jahre einen Einsatz von Beginn weg zu? Die Frage ist eher zu verneinen. Drmic hat in der letzten Bundesliga-Saison bei Borussia Mönchengladbach nur vier Mal in der Startformation gestanden. Ein einziges Mal kam er über 90 Minuten zum Einsatz.
Es sind diese drei Fragen, auf die Petkovic bis zum Anpfiff am Dienstag um 16.00 Uhr die richtigen Antworten finden muss. «Jetzt wird es immer enger, es kommt auf Details an», sagte Sommer. Und Djourou sagte: «Schweden liegt in unserer Reichweite. Aber es wird eng. Das ist ein 50:50-Spiel.» (sda/qae)
Zuber - shaqiri - embolo
Xhaka - behrami
Rodriguez - akanji - elvedi - lang
Sommer