Wer sich gegen die Schweiz entscheidet, muss zahlen: So sollen Toptalente gebunden werden
Was ist schiefgelaufen im Fall «Leon Avdullahu»? Nach dem gelungenen Start in die WM-Qualifikation gegen Kosovo und Slowenien befindet sich der Schweizer Fussballverband (SFV) aktuell in der Aufarbeitung. Zur Erinnerung: Der frühere FCB-Profi, der seit Sommer in der Bundesliga für die TSG Hoffenheim die Schuhe schnürt, hätte aus SFV-Sicht im Kosovo-Spiel nicht gegen, sondern für die Schweiz auflaufen sollen. Doch trotz über 20 Junioren-Länderspielen für die Nati und trotz einer Stippvisite von Verbandspräsident Peter Knäbel, Trainer Murat Yakin und seinem Assistenten Davide Callà in Hoffenheim entschied sich der talentierte Mittelfeldspieler letztlich für den Kosovo.
Gut möglich, dass man in der Aufarbeitung zum Schluss kommt: Der entscheidende Fehler passierte vor etwa sechs Jahren. Als Avdullahu in Basel von der U15 in die U16 wechselte, aber vom Schweizerischen Fussballverband nicht ins Programm «Footuro» aufgenommen wurde. Vielleicht wäre es dann anders gelaufen mit Avdullahu – vielleicht hätte er sich in diesem Sommer für die Schweiz entschieden.
Toptalente: Wer das Land wechselt, muss zahlen
«Footuro»-Spieler wird, wer von einem SFV-Expertengremium zu einer etwa Handvoll herausragender Talente pro Jahrgang gezählt wird. Sie erhalten eine Rundumbetreuung: Durchführung und Analyse von zusätzlichen Leistungstests, Techniktraining, Mentalcoaching, Karriereplanung, etc. In der Regel dauert das «Footuro»-Programm rund sechs Jahre. Heisst: Der Verband investiert jeweils mehrere zehntausend Franken in seine Supertalente. Zusätzlich zum eh schon geleisteten Aufwand während der Zusammenzüge der Junioren-Auswahlen.
Was nur wenige wissen: Um sich abzusichern, verlangt der SFV von angehenden «Footuro»-Spielern seit jeher ein schriftliches Bekenntnis. Die Talente verpflichten sich, die Angebote des SFV wahrzunehmen und den Verband über wichtige Ereignisse in ihrem Fussballerleben, zum Beispiel eine Verletzung, auf dem Laufenden zu halten. Und: Sie versichern mit ihrer Unterschrift, während der Phase als «Footuro»-Spieler auf Einsätze mit einem anderen Landesverband zu verzichten. Talente, die die Vereinbarung zwischen ihnen und dem SFV verletzen, werden zur Kasse gebeten. Fällig wird dann eine Busse in fünfstelliger Höhe.
Patrick Bruggmann, Direktor Fussballentwicklung beim SFV, sagt: «Wir möchten mit der Vereinbarung zwischen einem Footuro-Spieler und dem SFV vor allem eine moralische Verbindlichkeit erreichen. Die Talente bekennen sich so langfristig zum Schweizer Weg. Die Busse hat den Zweck, für die Entwicklung eines Spielers getätigte Investitionen zumindest teilweise zurückzuerhalten.»
Wie viele Footuro-Spieler wegen Nationenwechseln bislang zur Kasse gebeten wurden, will Bruggmann nicht verraten. Nur so viel: Es seien wenige. Und sowieso: «Dass ein Spieler nur wegen einer drohenden Busse für die Schweiz spielt, ist nicht Sinn der Sache. Wir wollen eine Identifikation mit unseren Werten – fussballerisch und persönlich.» Diesbezüglich, so Bruggmann, gebe es auf Verbandsseite Luft nach oben. Auf Stufe U14 habe der SFV erstmals Zugriff auf die Spieler und somit die Möglichkeit, die Schweiz bei den Talenten und ihren Familien als attraktive Fussballmarke zu positionieren. «Hier müssen wir noch besser werden. Und wir müssen uns die Frage stellen: Wie gelingt es, möglichst früh alle Talente mit Potenzial für die A-Nationalmannschaft zu entdecken und sie ins Footuro-Programm aufzunehmen?»
70 Prozent der Schweizer Talente haben Doppelbürger-Status
Dem SFV bleibt nichts anderes übrig, als schon früh viel Zeit und Geld in die Talente zu investieren. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass bei den Top-Junioren irgendwann ein anderer Verband anklopft, ist hoch: Von den aktuellen Junioren-Nationalspielern beim SFV haben 70 Prozent Doppelbürger-Status. Unter allen lizenzierten Fussballern in der Schweiz sind 197 Nationen vertreten. Bruggmann: «Die Realität verlangt, dass der SFV in diesem Bereich mehr Aufwand für Doppelbürger betreibt als für Spieler, die nur den Schweizer Pass haben.»
Die personellen und finanziellen Ressourcen, sich pausenlos um sämtliche Doppelbürger-Talente zu kümmern, vor allem um die grosse Mehrheit ausserhalb des Footuro-Programms, hat der SFV schlichtweg nicht. Dies erklärt vielleicht die Lockerheit von Nati-Direktor Pierluigi Tami, der als Reaktion auf die Niederlage im Fall «Avdullahu» sagt: «Klar sind wir enttäuscht, aber gleichzeitig wollen wir nur Spieler in der A-Nati, die sich zu 100 Prozent mit der Schweiz identifizieren. Mein Fokus gilt den Doppelbürgern, die sich für die Schweiz entschieden haben: Xhaka, Embolo, Akanji – früher Shaqiri, Mehmedi, Dzemaili, Behrami. Auf diese Spieler bin ich stolz.»
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