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Warum an der Tour de France gegen Israel-Premier Tech protestiert wurde

12.10.2022, Vicenza, ITA, 85. Giro del Veneto 1.1 2022, von Padova nach Vicenza, im Bild Alessandro De Marchi ITA, Israel Premier-Tech // during the 85th Giro del Veneto 1.1 UCI cycling race from Pado ...
Alessandro De Marchi fuhr während zwei Saisons für das Team Israel.Bild: IMAGO/Eibner Europa

Umstrittenes Team an der Tour: «Ich bin erleichtert, nicht mehr für Israel zu fahren»

Unsichtbar in den Rennen, umstritten ausserhalb und sogar von einem seiner ehemaligen Fahrer verschmäht: Das Radsportteam Israel-Premier Tech hatte eine schwierige Tour de France 2025.
29.07.2025, 11:1929.07.2025, 11:19
Romuald Cachod
Romuald Cachod
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Letztendlich bleibt von ihrer Teilnahme an der Tour nur der vierte Platz von Pascal Ackermann beim Sprint in Laval, die Ausreissversuche von Alexey Lutsenko und die von Michael Woods in der Bergwertung gesammelten Punkte in Erinnerung. Das ist nicht genug für ein Team, das sich einen Etappensieg zum Ziel gesetzt hatte.

Auch wenn die israelische Mannschaft im Rennen unauffällig blieb, war das neben der Strecke überhaupt nicht so.

Israel-Premier Tech benötigte von der Grand Départ in Lille bis zur Zielankunft in Paris umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen. Bis zu acht Polizisten umringten den Bus, darunter zwei Beamte der Nationalpolizei und einer mit Sturmgewehr. Ein solch bedrückendes Umfeld könnte die schlechten Leistungen des Teams erklären, auch wenn Michael Woods als guter Profi versicherte, dass ihn diese fast schon gewohnheitsmässige Eskorte nicht störte.

Der Grund für diese verstärkte Überwachung liegt auf der Hand. Das nach dem hebräischen Staat benannte Team Israel-Premier Tech wird vom kanadisch-israelischen Milliardär Sylvan Adams finanziert, der als enger Vertrauter des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu gilt.

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Sylvan Adams, Eigentümer des Teams Israel-Premier Tech.Bild: imago images/Sirotti

Der Geschäftsmann macht keinen Hehl aus seinem Bestreben, mit Hilfe seines Teams das Image Israels wieder aufzupolieren, das seit dem Krieg in Gaza als Vergeltungsmassnahme für die Anschläge vom 7. Oktober 2023 stark gelitten hat. Die Teilnahme des israelischen Teams an der Tour de France hat daher teilweise heftige Reaktionen hervorgerufen, wie beispielsweise die des französischen Abgeordneten Thomas Portes (LFI), der zu einem «massiven Boykott von Israel-Premier Tech» aufgerufen hat.

Während der drei Wochen der Rundfahrt kam es auch entlang der vom Peloton befahrenen Strassen zu Protesten gegen die Präsenz von Israel-Premier Tech. Dies war insbesondere in Lauwin-Planque der Fall, dem Startort der zweiten Etappe der Tour, wo die Association France Palestine Solidarité (AFPS) Flugblätter mit der Aufschrift «Keine Tour de France für Völkermörder!» verteilte. Aber auch in Toulouse, wo der Sprint des Schweizers Mauro Schmid um den Etappensieg durch das Eindringen eines pro-palästinensischen Aktivisten gestört wurde, der auf seinem T-Shirt folgende Botschaft trug:

«Israel, raus aus der Tour»

Dieser Slogan wurde auf der 17. Etappe zwischen Bollène und Valence wieder aufgegriffen, als Demonstranten in Dieulefit, einem kleinen Dorf in der Drôme, das dafür bekannt ist, während des Zweiten Weltkriegs 1500 Menschen – darunter von Deportation bedrohte Juden – versteckt zu haben, etwa dreissig palästinensische Flaggen schwenkten. Er tauchte auch an einigen Stellen entlang der Strecke auf, trotz der Bemühungen der Organisatoren, alle politischen Botschaften auf der Strasse zu entfernen.

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Rechts sprintet der Schweizer Mauro Schmid um den Etappensieg, links läuft ein Demonstrant auf die Zielgerade von Toulouse.Bild: IMAGO/Belga

Aber der Wirbel um das Team Israel-Premier Tech kam auch von einem seiner ehemaligen Fahrer: Alessandro De Marchi. In einem Interview mit dem Magazin «The Observer» ging der Italiener in die Offensive, ohne sich von seinem Sattel zu erheben, und berichtete von seinen Erfahrungen, als er 2021 und 2022, also vor dem 7. Oktober, für Israel fuhr.

«Die Teammitglieder wollten die Schönheit des Landes hervorheben, das war eine klare Vorgabe. Es gab nie Ressentiments gegenüber Gaza oder den Palästinensern, noch wurde auf die Besetzung des Westjordanlands Bezug genommen. Es gab sozusagen eine eher sanfte Propaganda, in der die Sichtweise Israels vermittelt wurde. Man spürte, dass die Gesellschaft komplex und gespalten war. Aber man sah auch, dass es keinen Raum für Diskussionen über Gaza gab.»
Alessandro De Marchi

De Marchi, der nun für das Team Jayco AlUla fährt, versichert: Er könnte heute nicht mehr Teil der israelischen Mannschaft sein.

«Ich bin erleichtert, dass ich nicht für Israel-Premier Tech fahre, denn es wäre mir sehr schwer gefallen, jetzt dort zu sein. Heute würde ich keinen Vertrag mit Israel unterschreiben. Ich wäre nicht in der Lage, meine Emotionen zu kontrollieren und mich auf ein solches Abenteuer einzulassen. (...) Ich verstehe, dass es im Leben Momente gibt, in denen es besser ist, seiner Moral zu folgen, auch wenn es schwer ist. Heute würde ich die Dinge anders machen.»
Alessandro De Marchi
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Alessandro De Marchi fährt heute für Jayco AlUla.Bild: IMAGO/Sirotti

Abgesehen von diesen Äusserungen endete die Tour de France für das Team Israel-Premier Tech am Sonntag mit einer positiveren Note und einer starken Botschaft: Ofer Kalderon, der Anfang des Jahres nach 484 Tagen Gefangenschaft von der Hamas freigelassen worden war, hatte die Ehre, vor dem ersten Durchgang des Pelotons mit dem Fahrrad über die Champs-Elysées zu fahren.

Die ehemalige Geisel trug das Trikot des israelischen Teams und wurde von Sylvan Adams begleitet. Letzterer hatte ihm, als er noch in den Händen der Hamas war, ein Versprechen gegeben: Dass sie eines Tages gemeinsam bei der Tour de France mitfahren würden.

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Janster
29.07.2025 13:03registriert März 2021
Naja mit dieser Argumentation müsste dann auch UAE kritisiert werden. Dort sind auch keine demokratischen Strukturen vorhanden und auch dieses Team dient einzig dem Ziel Sports-washing zu machen.
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Ravel
29.07.2025 11:32registriert Juni 2015
Mit Verlaub: De Marchi ist ein Heuchler. Er würde nicht für Israel fahren, hat aber kein Problem damit, für ein Team zu arbeiten, welches von Saudi-Arabien mitfinanziert wird? Lächerlich.
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Ich hol jetzt das Schwein
29.07.2025 13:47registriert September 2015
Israel - Premier Tech ist also umstritten und dagegen wird demonstriert. Gegen UAE Team Emirates XRC, Bahrain Victorious und XTS Astana Team hat niemand etwas. Sind ja alles keine Diktaturen, die die Menschenrechte mit Füssen treten. Wie schon mal geschrieben und nicht veröffentlicht: Antisemitismus ist wieder en vogue.
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Umstrittenes Team an der Tour: «Ich bin erleichtert, nicht mehr für Israel zu fahren»
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