Bei RB Leipzig bahnt sich in diesem Sommer der erste wirkliche Umbruch seit dem Bundesliga-Aufstieg 2016 an. Sportdirektor Max Eberl darf nun ausbaden, was ihm sein Vorgänger Oliver Mintzlaff, welcher nun in der Geschäftsführung von Red Bull sitzt, eingebrockt hat.
Die Entscheidungen des Ex-RB-Vorstands waren zwar wirtschaftlich gesehen keineswegs schlecht, aber sportlich gesehen könnte es den Klub kaum härter treffen. Eberl sieht sich nun der schweren Aufgabe gegenüber, gleich mehrere Leistungsträger ersetzen zu müssen.
Mit Christopher Nkunku verlässt der beste Torschütze der beiden letzten Saisons den Klub zum FC Chelsea. Dominik Szoboszlai (wechselt zu Liverpool) war in der abgelaufenen Saison in der Liga an 14 Treffern direkt beteiligt und Mittelfeld-Abräumer Konrad Laimer verlässt den Klub ablösefrei zu Meister Bayern München. Wohl kaum ein Klub auf dieser Welt könnte einfach so den Verlust von drei absoluten Leistungsträgern kompensieren. In den nächsten Tagen wird wohl auch noch Innenverteidiger Josko Gvardiol den Klub für eine Rekordsumme von rund 100 Millionen Euro in Richtung Manchester City verlassen. Alle vier waren in der abgelaufenen Saison Schlüsselspieler beim DFB-Pokalsieger.
We have completed the signing of Dominik Szoboszlai from RB Leipzig, subject to a work permit ✍️🔴
— Liverpool FC (@LFC) July 2, 2023
Zwar hat RB gegenüber den anderen Klubs einen Vorteil: Er hat im benachbarten Österreich einen Partnerverein, welcher regelmässig Top-Talente hervorbringt. Doch diese brauchen meist noch etwas Zeit, um sich an das Niveau der Bundesliga zu gewöhnen.
Mit Nicolas Seiwald und Benjamin Sesko tauschen auch in diesem Sommer wieder zwei Spieler das Trikot von Red Bull Salzburg mit dem von RasenBallsport Leipzig. Der 22-jährige Seiwald soll in die Fussstapfen seines Landsmanns Konrad Laimer treten. Laimer kam 2017 ebenfalls aus Salzburg nach Leipzig und sollte dort damals den zum FC Liverpool abgewanderten Naby Keita ersetzen.
Benjamin Sesko trat bereits in Salzburg in grosse Fussstapfen. Beim österreichischen Serienmeister wurde er bereits als der neue Haaland gehandelt und zog so das Interesse sämtlicher Top-Klubs auf sich. «Er hat Anlagen wie Erling Haaland, vielleicht sogar bessere», sagte sein Ex-Coach bei Salzburg, Mathias Jaissle, über den Slowenen. Der Stürmer selbst findet diesen Vergleich allerdings eher unpassend: «Vom Spielertyp her sind wir ziemlich verschieden.»
Sesko ist 1,95 Meter gross und damit exakt so gross wie Alexander Sörloth. Der Norweger passte allerdings überhaupt nicht in das System von RB, man darf hoffen, dass der Slowene in der Bundesliga nicht ein ähnliches Schicksal erleiden muss. Ein direkter Ersatz für Torschützenkönig Nkunku ist er in jedem Fall nicht.
Dominik Szoboszlai blühte nach dem Trainerwechsel von Domenico Tedesco zu Marco Rose besonders auf. Unter Rose bewegte sich der Neuzugang des FC Liverpools viel zwischen den Räumen und konnte so seine Stärken effizient nutzen. Sein Abgang dürfte dem Spiel der Leipziger einiges an Kreativität nehmen, die bislang noch nicht adäquat kompensiert werden konnte.
Zwar wurden mit Christoph Baumgartner und Fabio Carvalho bereits zwei offensive Mittelfeldspieler verpflichtet, doch beide sind ganz andere Spielertypen wie der Ungar. Baumgartner bringt jedoch als einziger Neuzugang schon Bundesligaerfahrung mit. Der Portugiese Carvalho gilt als äusserst talentiert, war aber im Star-Ensemble des FC Liverpool zumeist nur Ersatz und soll beim Pokalsieger für ein Jahr Spielpraxis sammeln, die Leihe beinhaltet keine Kaufoption.
Klar ist aber auch, dass RB nochmals auf dem Transfermarkt aktiv werden wird. Lois Openda von RC Lens bleibt weiterhin der Wunschspieler für den Angriff und würde von seinem Profil mehr ins typische Leipziger-Umschaltspiel passen als Sesko.
Auch für den Fall eines Abgangs von Josko Gvardiol zum Triple-Sieger sind die Roten Bullen vorbereitet. Mit dem niederländischen Rechtsverteidiger Lutsharel Geertruida von Meister Feyenoord Rotterdam und Lyons Innenverteidiger Castello Lukeba stehen bereits zwei mögliche Nachfolger für den Kroaten auf dem Zettel der Leipziger.
Eines ist jedoch deutlich zu erkennen: Die Leipziger bleiben sich treu. Trotz der hohen Transfereinnahmen setzt der zweifache DFB-Pokalsieger weiter auf die Entwicklung vielversprechender Talente. Dies mag zu einem Leistungsabfall in der kommenden Saison führen, denn auch Nkunku, Laimer, Szoboszlai und Gvardiol brauchten Zeit, um auf ihr aktuelles Leistungsniveau zu kommen. So werden vermutlich auch die aktuellen und künftigen Neuzugänge nicht sofort ihr volles Potenzial ausschöpfen.
Die Zauberfüße und der Mittelfeldmotor sind schon weg, der Abwehrboss steht kurz vor dem Absprung - doch in Panik verfällt Max Eberl deshalb nicht. 👀#skytennis pic.twitter.com/j4n0KhEnvE
— Sky Sport (@SkySportDE) July 3, 2023
Für Max Eberl dürfte es, neben zahlreichen Gerüchten um einen Abgang seiner Person zum FC Bayern München, ein sehr ereignisreicher Sommer werden. Doch das ist für den RB-Boss noch lange kein Grund zur Panik: «Ich kann die Enttäuschung und Sorgen der Fans verstehen. Aber das Ganze hat uns nicht unvorbereitet getroffen – und ich kann versprechen, dass wir wieder eine klasse und mitreissende Mannschaft haben werden.»