Einen «historischen Zuschauerrekord» meldete die Swiss Football League letzte Woche, erstmals hätten durchschnittlich über 13’000 Zuschauer den Spielen der ersten 21 Runden der höchsten Schweizer Liga beigewohnt. Zwar ist der Schnitt nach den Spielen vom Wochenende wieder knapp unter die Marke von 13’000 gesunken, doch das ändert nichts daran, dass der Schweizer Fussball auf Rekordkurs ist – und im europäischen Vergleich gut dasteht, weil neben den fünf grossen Ligen nur noch Holland und Schottland pro Spiel mehr Zuschauer anziehen. Das sind mögliche Gründe.
In der Super League liegt gerade Servette auf Platz zwei, mit 34 Punkten. Platz zehn belegt Winterthur, Zählerstand: 22. Macht zwölf Punkte Abstand, nur zwölf Punkte zwischen Barrage-Platz und Champions-League-Qualifikation. Und das Anfang März, zu einem Zeitpunkt der Saison, an dem die Tabelle schon die eine oder andere Kontur gewonnen haben sollte. Oder eben nicht.
Eigentlich gibt es gerade nur eine Kontur in dieser Tabelle: YB eilt der Liga davon, 13 Punkte und mehr, was auch bedeutet: Die Differenz zwischen Platz eins und Platz zwei ist grösser als jene zwischen Platz zwei und Platz zehn.
Wer es nicht so gut meint mit dem Schweizer Fussball, der kann das als Beweis dafür sehen, dass viele Klubs sich einander auf bescheidenem Niveau angeglichen haben. Wie breit und tief sich der Mittelfeld-Sumpf ausbreitet. Wie sehr das Rennen um Platz zwei eines von Schnecken ist. Und wie sehr der Zufall bestimmt, wer am Ende wo steht.
Aber die Ausgeglichenheit bringt eben auch mit sich, dass für alle noch etwas auf dem Spiel steht, der Kampf gegen den Abstieg hier, jener um die Europacup-Plätze da. Und das wiederum lockt die Massen an.
Ein Grund für die rekordhohen Zuschauerzahlen ist die aktuelle Zusammensetzung der Super League. Im Sommer hat Winterthur, der Aufsteiger mit dem Image des Punkrockers, Lausanne-Sport ersetzt. Die Zürcher haben sechs ihrer elf Heimspiele ausverkauft und im Schnitt 8155 Zuschauer begrüsst – 3000 mehr als Lausanne.
Der Aufstieg von Winterthur ist ein Grund für den Zuschauerrekord. Und dann fehlt in der Super League gerade auch kein Traditionsverein, der Zuschauer anzieht, sei dies nun im eigenen Stadion oder in der Fremde. Das war in den letzten Jahren fast immer anders. Mal hatte sich GC in die Challenge League verabschiedet, zuvor Servette, der FC Zürich oder St. Gallen. Jetzt sind alle dabei. Das ist gut für den Zuschauerschnitt.
Die WM in Katar. Europäische Grossvereine in der Hand von Staaten, die sie mit ihren Rohstoff-Milliarden überschütten. Irrwitzige Transferausgaben. Fussballer, die so viel verdienen, dass ihre Lebensrealität nichts mehr mit jener der Fans zu tun hat. Der Fussball, zumal der Spitzenfussball, hat sich längst in eine Parallelwelt verabschiedet. Da kommt die Schweizer Liga vergleichsweise bodenständig und nahbar daher. Und das stellt sich jetzt als Trumpf heraus.
Sion hat Balotelli und Constantin. GC die Besitzer aus China, die bestimmen und doch nicht richtig da sind. Luzern die Alpstaeg-Saga mit all ihren Nebenwirkungen. Winterthur sein Image als Kultklub. Basel die Unstetigkeit als neuen Normalzustand. YB seine Überlegenheit. St. Gallen die Freude an sich selbst. Lugano den amerikanischen Milliardär und die vielen Möglichkeiten, die das mit sich bringt.
Es wimmelt nur so von Geschichten in der Super League. Sie sind mal traurig, mal verrückt, mal bedenklich, mal erfreulich – aber alle auf ihre Art gut. Das verleiht der Liga einigen Unterhaltungswert. Und beschert ihr das Interesse der Zuschauer.
Neun von zehn Super-League-Klubs konnten ihren Zuschauerschnitt im Vergleich zur Vorsaison verbessern, nur dem kriselnden FC Basel ist das nicht gelungen. Das hängt einerseits damit zusammen, dass noch in der Hinrunde der letzten Saison das Covid-Zertifikat Pflicht war. Seit das nicht mehr so ist, sind vielerorts die Zuschauerzahlen angestiegen. Andererseits honorieren die Zuschauer, wenn gute Arbeit geleistet wird. Zum Beispiel bei Leader YB, der souverän auf den Meistertitel zusteuert und pro Spiel 3390 Zuschauer mehr begrüsst als im Vorjahr – der Schnitt von 28211 ist ein Vereinsrekord.
Kräftig zugelegt hat auch der FC St. Gallen, der hinter YB und Basel unangefochten den dritten Platz belegt in Sachen Zuschauerinteresse. Mit Servette und Luzern kommen bei zwei weiteren Klubs, die sportlich gut unterwegs sind, deutlich mehr Zuschauer.
Der moderne Fussball mit all seinen Auswüchsen kann mir gestohlen bleiben. CL interessiert mich schon 3 Jahre nicht mehr im geringsten. Fussballspielende Multimillionäre mit schönen Frisuren, Autos und Frauen und die ganze Instakacke kann mich mal. Support your local team. Ein hoch auf die Super-League!
Schützäää-Wiesä!