Mindestens 125 Menschen sollen beim Spiel zwischen Arema und Persebaya Surabaya am Samstag ums Leben gekommen sein. Es ist eine der grössten Tragödien in der Geschichte des Sports. Der Fussball in Indonesien und dem Rest Südostasiens fand hierzulande bis zu diesem Wochenende kaum Aufmerksamkeit. Dabei ist die Bevölkerung im Inselstaat regelrecht verrückt nach diesem Sport.
Regelmässig strömen zehntausende Zuschauerinnen und Zuschauer in die Stadien. Am Samstag sollen es rund 42'000 Fans gewesen sein. Mychell Chagas, der für Rapperswil-Jona, Servette und GC in der Challenge und Super League spielte, sprach letzte Woche mit dem SRF in einem mittlerweile entfernten Beitrag über seine neue Heimat. Der 33-Jährige spielt seit dieser Saison für den indonesischen Klub PSS Sleman. Chagas schwärmte von der «unglaublichen Atmosphäre» und den Fans, die «für den Fussball leben und über die gesamte Spielzeit singen».
Der Stürmer sprach von einer Stimmung, die «jeder Spieler einmal erlebt haben sollte». Es klingt nach diesem Wochenende makaber, doch Indonesien hat eine der ausgeprägtesten Fankulturen der Welt. Und so wurde auch das Spiel zwischen Arema und Persebaya heiss erwartet. Obwohl beide Klubs im Mittelfeld der Liga stehen, ist es eines der prestigeträchtigsten Duelle in Indonesien. Denn Malang, wo Arema zu Hause ist, und Surabaya liegen nur knapp zwei Autostunden auseinander. Eine kurze Distanz in dem auf über 17'000 Inseln verteilten Land.
Rund um das Super East Java Derby kam es bereits in der Vergangenheit zu Vorfällen. Die Rivalität der beiden Fangruppierungen führte gar schon bei einem Konzert einer brasilianischen Rockband zu Ausschreitungen. 2006 setzte sich Arema im Viertelfinal des indonesischen Cups durch, woraufhin die Anhänger von Persebaya drei Autos anzündeten und mehrere Leute, darunter auch Polizisten, verletzten.
I personally feel sorry for what happened to the State of Indonesia which took so many lives, especially the supporters of AREMA.
— Bjorka (@bjorkanismreal) October 2, 2022
Hey @PSSI so who's at fault if it's like this? Please investigate this case thoroughly. pic.twitter.com/ZPGYvhA2rv
Als Arema nun erstmals im eigenen Stadion gegen Persebaya unterlag, stürmten hunderte Fans der Gastgeber aufs Feld und begannen gemäss AP Flaschen und andere Gegenstände auf die Spieler und Offiziellen zu werfen. Es handelte sich dabei ausschliesslich um Arema-Supporter, weil Gästefans aufgrund der vergangenen Ereignisse bei den Spielen nicht zugelassen sind. Die Ausschreitungen breiteten sich auch ausserhalb des Stadions aus, wo mehrere Polizeiautos angezündet und beschädigt wurden.
Die Polizisten reagierten mit dem Einsatz von Tränengas, wodurch eine Massenpanik ausgelöst wurde. Dies sorgte für Kritik – auch weil der Einsatz von Tränengas im Stadion laut Fifa-Regularien eigentlich verboten ist. In der Folge starben mindestens 125 Menschen. Doch auch sonst kommen die Geschehnisse für Experten nicht ganz unerwartet.
So schreibt Andrin Brändle bei SRF: «Die Tragödie ist für Kenner keine Überraschung.» Brändle besuchte bereits über 500 Stadien und kennt sich auch in der indonesischen Fanszene aus. Er begleitete die Fans des PSS Sleman einen Sommer lang und schrieb über diese Zeit ein Buch. Der Groundhopper sieht neben der suboptimalen Infrastruktur mit zu wenigen Eingängen sowie fehlenden Sicherheitselementen und mangelnde Koordination der Sicherheitskräfte auch die Eigendynamik auf den Rängen als Grund für die Geschehnisse.
Brändle schreibt: «Aufgrund fehlender Überwachungsinfrastruktur und schlecht koordinierter Exekutive haben randalierende Personen in indonesischen Stadien nur selten mit juristischer Strafverfolgung zu rechnen.» Zudem sei das Vertrauen in die Staatsorgane aufgrund der früheren Schreckensherrschaften unter den Diktatoren Sukarno und Suharto sehr gering und auch eine antiautoritäre Einstellung weit verbreitet. Diese Faktoren sorgen gemeinsam mit der grossen Bedeutung des Fussballs für die Anhängerschaft einiger Klubs für ein grosses Konfliktpotenzial.