Diese Gala ist eine mit explosivem Charakter. Inka Grings, die Tage zuvor gefeuerte Nationaltrainerin der Frauen-Nati, ist als Rednerin eingeladen. Ebenso Dominique Blanc, Präsident des Schweizerischen Fussballverbandes, der die Entlassung von Grings zu verantworten hat. Und weil die Absetzung der Trainerin auf Schlagzeilen wie «Untreue-Skandal! Geldbusse für Ex-Nationalspielerin» erfolgte, rechneten einige Gäste der Aargauer Fussball-Gala damit, dass an diesem Abend dreckige Wäsche gewaschen würde.
Das Foyer des Badener Eventlokals Trafo füllt sich. Die Gäste gruppieren sich um Stehtische, prosten sich mit Cüpli, Bier oder Weisswein zu und fragen in die Runde. «Hast du sie gesehen?» «Ich glaube, sie kommt nicht.» Sie, das ist Inka Grings. Sicher, vor geraumer Zeit schon hat sie für diesen Anlass als Laudatorin für die Wahl des wertvollsten Spielers zugesagt. Aber wer hätte zu jenem Zeitpunkt ahnen können, dass sie acht Tage vor der Gala entlassen würde? Viele Gäste hätten Verständnis, wenn Grings auf einen Auftritt verzichten würde.
Eine andere Personalie, die an diesem Abend intensiv diskutiert wird, ist Murat Yakin. Es scheint, als würde die Trainerfrage das Land spalten. Die einen verweisen darauf, dass Yakin in seinen knapp zweieinhalb Jahren als Nationaltrainer alle Ziele erreicht hat: vor Italien in der WM-Qualifikation, WM-Gruppenphase überstanden, Ligaerhalt in der Nations League und nun die Qualifikation für die EM 2024 in Deutschland. Die anderen halten Yakin ebendiese EM-Quali vor, weil sie harzig, mühselig und glanzlos abgespult worden ist.
Einer, der sich verbal zwischen den Lagern bewegt oder zumindest diesen Anschein erwecken will, ist Nati-Direktor Pierluigi Tami. Nach dem abschliessenden 0:1 in Rumänien sagte er zwar, er hätte sich seine Meinung schon gemacht. Aber ausführen wollte er diese nicht. Deshalb deuten viele Tamis fehlendes Commitment und seine Kritik bezüglich Entwicklung des Teams als Zeichen, er hätte Yakin schon aufgegeben. Andere deuten Tamis Hinweis, die Zahlen würden für Yakin sprechen, als Signal für eine weiterführende Zusammenarbeit.
Konsens herrscht hingegen, ob die Trainerfrage vor der EM-Gruppenauslosung vom kommenden Samstag beantwortet werden müsste. Tami hatte am Dienstag nach dem 0:1 gegen Rumänien noch erklärt, man werde mit Yakin zur Auslosung fahren und erst danach in Ruhe und nach tiefgreifenden Analysen eine Entscheidung treffen. Ein würdevoller Umgang mit dem wichtigsten Angestellten sieht anders aus.
Aber da ist ja auch noch Dominique Blanc, der Präsident. Dieser hat im Oktober nach dem pitoyablen 3:3 gegen Belarus im Interview mit CH Media unmissverständlich klargemacht: «Wir fahren mit Yakin an die EM.» Da sich an dieser Gala die Chance eröffnet, mit Blanc ein bisschen zu plaudern, nutzen wir diese. Ja, es war richtig, zu diesem Zeitpunkt ein Bekenntnis zu Yakin zu geben, auch weil der Vertrag bis zum Ende der EM Gültigkeit hat. Aber es sei auch richtig, dass «man nun alles, was passiert ist, analysiert und die richtigen Schlüsse zieht, damit wir an der EM die bestmögliche Leistung abliefern können.»
Die Trainerfrage überstrahlt derzeit alles im Schweizer Fussball. Umso emsiger agieren die Informanten. Die einen wollen wissen, dass Tami sich von Yakin nach der Rückkehr aus Rumänien verabschiedet hätte, als sehne er sich nicht nach einem Wiedersehen. Die anderen berichten, Tami hätte schon auf dem Rückflug den Entscheid gefällt, über Yakins Zukunft nicht erst nach der Auslosung zu richten. Ziel sei es, am Donnerstag oder Freitag Klarheit zu haben, mit welchem Trainer die Schweiz zur EM fahren wird.
Herr Blanc, kommt nun Tempo in die Geschichte? Stimmt es, dass die Trainerfrage vor der Auslosung beantwortet ist? Der Präsident will weder bestätigen noch dementieren. Sagt aber, man bemühe sich um eine rasche Entscheidung.
Wir wissen: Im Hintergrund wird analysiert, werden Berichte verfasst und Diskussionen geführt mit dem Spielerrat (Sommer, Xhaka, Akanji, Freuler, Shaqiri, Zakaria), um zu spüren, ob die Mannschaft weiter mit Yakin zusammenarbeiten will. Den Erkenntnissen aus diesen Gesprächen will man grosses Gewicht geben. Danach wird sich Tami mit der «Sonderkommission Nationaltrainer A-Team» beraten. Und noch in dieser Woche dem Zentralvorstand seine Pläne und Überlegungen präsentieren.
Sandro Stroppa ist Mitglied des siebenköpfigen Zentralvorstands. Der Zufall will es, dass er an diesem Abend auch Gast der Aargauer Fussball-Gala ist. Wie stehen Sie zu Yakin? Wie steht der Zentralvorstand zu Yakin? Der Präsident der Amateur-Liga sagt freundlich, aber entschieden. «Dazu werde ich Ihnen nichts sagen.» Aber etwas will er doch noch loswerden. Als er Murat Yakin mal zu einem Treffen aller Regionalverbands-Präsidenten eingeladen habe, sagte dieser sofort zu. Yakins Vorgänger indes foutierten sich gerne um solche Aufgaben.
Aber wo ist Inka Grings? Während die Menschen immer noch im Foyer an den Stehtischen am Glas nippen, wage ich einen Blick in den leeren Saal. Oben, auf der Bühne, da steht sie, die 45-jährige Deutsche, und probt für ihren Auftritt. Sie hat also Wort gehalten.
Prompt tritt in diesem Moment Dominique Blanc in den Saal. Kommt es jetzt im Schutz der Diskretion zum verbalen Schlagabtausch? Blanc setzt ein Lächeln auf, ruft «Inka», geht auf sie zu, begrüsst sie mit drei Küsschen auf die Wange. Auch sie lächelt. Und es sieht nicht mal gequält aus.
Übrigens war nicht Xhaka der erste Spieler der Yakin öffentlich kritisierte. Es war Renato Steffen. Akanji ist auch null Yakin-Fan wie man aus den Interviews rausliest.
Unter Yakin passt vorne nicht zu hinten, oder umgekehrt. Die Mannschaft scheint sich auch nicht für ihn zu zerreissen wie bei Hitzfeld oder Petkovic.
Warum nicht mit Favre an die EM?