Es ist ein kleines Fussballmärchen: Der Aargauer Amateurfussballer Oruc Teke wechselt von der regionalen 2. Liga direkt in den Profifussball. Der 25-jährige Mittelfeldspieler will jetzt richtig durchstarten, und zwar in der zweithöchsten kosovarischen Liga beim Spitzenklub FC Phoenix Banjë.
Es sind aufregende Tage für Oruc Teke. Sein Flug nach Pristina geht in rund zwei Wochen. Von dort aus reist er dann weiter in den Westen des Landes nach Peja, mit knapp 100'000 Einwohnern die viertgrösste Stadt des Kosovo. Dort wird der schweizerisch-türkische Doppelbürger in der kommenden Saison für Phoenix Banjë spielen. Und zwar unter professionellen Bedingungen. Ihm werden Wohnung, Chauffeur, das Essen sowie ein Lohn bezahlt, mit dem er in der Stadt über die Runden kommen sollte. Kurz: Teke ist endlich Profifussballer.
Nervös ist der in Birr wohnhafte Aargauer deswegen aber nicht. Ein Wechsel ins Ausland hat sich schon länger angebahnt: «Es gab schon im letzten Jahr Angebote, die verlockend waren. Konkret aus der Türkei und aus Dubai. Doch es hat jeweils nicht gepasst, da ich noch meine Weiterbildung zum Logistikfachmann in der Schweiz abschliessen wollte», betont Teke.
Für ihn ist der Transfer eine Erleichterung nach langer Ungewissheit: «Wenn du älter als 20 Jahre bist und noch Profifussballer werden möchtest, dann hast du in der Schweiz praktisch keine Chance mehr. Entsprechend hatte ich in den letzten Jahren grosse Zweifel. Zwischenzeitlich begrub ich sogar meine Ambitionen und kickte mit meinen Freunden in der 3. Liga bei Menzo Reinach.»
Teke führt aus: «In Reinach merkte ich aber, dass mich der Traum vom Profifussball nicht loslässt. Also begann ich wieder härter zu trainieren und wechselte im Frühjahr 2022 zum SC Zofingen in die 2. Liga inter. Im letzten Winter landete ich dann beim FC Klingnau. Ich konnte bei beiden Vereinen eine tragende Rolle im Abstiegskampf einnehmen. Dadurch tauchten dann auch die Angebote aus dem Ausland auf.»
Es mag verwunderlich klingen, dass ein Amateurfussballer aus der 2. Liga inter plötzlich einfach so Angebote von Profivereinen bekommt. Bei Teke ist der Fall jedoch speziell. Er wird seit Jahren von der deutschen Fussballeragentur Profundo betreut. «Ich habe wirklich vieles meinem Agenten Serkan zu verdanken. Er hat das Vertrauen in all den Jahren nie verloren und war stets von meinen Qualitäten überzeugt. So kamen schlussendlich auch die Gespräche und Probetrainings mit den Profiklubs zustande.»
Dass Teke seit acht Jahren von einer Agentur betreut wird, ist kein Zufall. Einst war er nämlich sehr nahe am Profifussball dran. Im Nachwuchs der Grasshoppers und des FC Aarau lief es für ihn lange nach Plan. Bereits im Alter von 17 Jahren trainierte er in Aarau mit der 1. Mannschaft. Doch dann wurde während der Militär-Rekrutierung bei Teke ein Herzfehler entdeckt. Ein Schock für den aufstrebenden Fussballer. Es folgte eine Operation und damit verbunden eine lange Genesungspause.
Für Teke war das die härteste Zeit: «Da brach für mich eine Welt zusammen. Ich spielte seit meiner Kindheit nur Fussball und trainierte praktisch jeden Tag. Plötzlich hiess es, dass ich vorerst nicht mehr spielen kann und dass das womöglich auch in Zukunft so bleiben wird.» Nach einem Jahr kehrte Teke auf den Platz zurück. «Die Ärzte sagten mir, dass ich mir eines Restrisikos bewusst sein müsse, wenn ich wieder Fussball spiele. Aber ich hatte keine Angst, ich wollte einfach wieder auf dem Platz stehen.»
Bis heute ist es gut gegangen. Teke betont, dass er seither keine Beschwerden gehabt habe. Zudem gehe er halbjährlich zur Kontrolle. Auch dort sei bisher alles im grünen Bereich gewesen. Während Teke den Rückschlag körperlich einigermassen gut wegstecken konnte, lief es auf dem Rasen aber nicht mehr ganz so rund. Die einjährige Pause in der entscheidenden Entwicklungsphase machte sich bemerkbar. «Ich versuchte mich in der Promotion League bei Zürich United und später beim FC Wohlen. Wurde aber nirgends glücklich. Ich musste darauf einen Schritt zurückmachen und landete bei Schöftland in der 2. Liga inter. Dort kehrte die Freude am Fussball zurück.»
Der bisherige Werdegang von Teke hätte garantiert leichter sein können. Doch er hat ihn auch Durchhaltewillen gelehrt. Er glaubte stets daran, dass sich harte Arbeit irgendwann ausbezahlt macht. Eine Inspiration dabei war für ihn Kevin Spadanuda, der einst im Aarauer Nachwuchs sein bester Kumpel war. «Man hat bei ihm gesehen, wie schnell es im Fussball gehen kann. Sein Werdegang machte mir Mut, er hat es aus dem tiefsten Amateurfussball bis zur Ligue 1 geschafft. Wir trafen uns zwar in den letzten Jahren nicht mehr so oft, aber der Kontakt blieb bestehen. Vielleicht treffe ich ihn nochmals, bevor ich abfliege. Dann kann er mir noch ein paar Tipps geben.»
Gewiss, das Abenteuer in Peja wird Teke erneut vor eine Prüfung stellen. Neues Land, neue Stadt, neue Sprache, neue Menschen und eine Liga, die nicht gerade als fussballerischer Leckerbiss bekannt ist. Doch all das spielt ihm keine Rolle. Für den Aargauer Fussballer gibt es nur ein Ziel: Schnell akklimatisieren und auf sich aufmerksam machen. «Der Präsident des Vereins hat sehr gute Kontakte zu ein paar Erstligisten. Sollte ich gute Leistungen bringen, könnte ein Wechsel in die höchste Liga schnell zum Thema werden.»
Teke fügt an: «Peja ist wunderschön, die Natur hat dort viel zu bieten. Mit Fluss und Bergpanorama erinnert der Ort ein bisschen an die Schweiz. Aber um ehrlich zu sein, ich möchte dort keine Wurzeln schlagen, sondern als Fussballprofi richtig durchstarten und mich bei grösseren Vereinen auf den Zettel spielen.» (aargauerzeitung.ch)