Für einmal hatte dieses nervige Virus auch einen kleinen Vorteil. Die Frauen-Nati ist im Privatflugzeug zum nächsten EM-Qualifikationsspiel von heute Nachmittag gereist. So schreibt das die UEFA vor. In Mogosoaia, knapp 30 Autominuten von Bukarest entfernt, traf die Schweiz auf Rumänien – und gewann 2:0. Die EM 2022 rückt damit immer näher. Ein Punkt gegen Belgien im letzten Quali-Spiel würde bereits reichen.
💪 Die Schweiz gewinnt in Rumänien
— 🇨🇭 Nati (@SFV_ASF) October 27, 2020
La Suisse s'impose en Roumanie
La Svizzera vince in Romania#ROUSUI #WEURO2022 pic.twitter.com/1qrGE7aLuj
Dass das so ist, hat auch mit Alisha Lehmann zu tun. Auch wenn sie gegen Rumänien nicht von Beginn an spielte und sich auch nicht unter die Torschützinnen reihte. Die 21-Jährige sorgte allerdings mit ihrem Tor vor gut einem Monat für den wichtigen 2:1-Sieg im Spitzenkampf gegen Belgien. Für Lehmann wäre es das erste grosse Turnier. 2017 an der EM war sie noch nicht dabei. Das Verpassen der WM 2019 schmerzt noch immer.
Die Geschichte der Fussballerin Alisha Lehmann beginnt in Konolfingen im Kanton Bern. Sechs Jahre alt ist sie, als sie mit ihrem Cousin dem Fussballclub beitritt. Nach einem halben Jahr hört sie wieder auf. Nur mit Buben hält sich der Spass in Grenzen. Ein halbes Jahr später beginnt sie zum zweiten Mal, «nur wenn du es durchziehst», sagt ihre Mutter. Tut sie. Auch weil diesmal zwei Freundinnen dabei sind.
Mit 12 führt der Weg zu YB. Im Sommer 2015 ist Lehmann Teil der U17, die an der EM bis in den Final kommt, es ist das beste Ergebnis einer Schweizer Frauen-Auswahl. Spätestens da wird klar: Ihr Weg wird eher früher als später ins Ausland führen. 2018 ist es soweit. Sie wechselt 19-jährig zu West Ham United. Bis heute spielt sie dort, mittlerweile hat sie den Vertrag bis 2022 verlängert.
Doch Lehmann ist mehr als nur eine Fussballerin.
Die Geschichte der Influencerin Alisha Lehmann beginnt im Frühling 2018. Mit einem Video am Vierwaldstättersee. Barfuss und im Bikini zeigt Lehmann ihre Künste mit dem Ball. Die Bilder gehen viral, fast eine Million Aufrufe erzielen sie.
Seither geht es auch auf Social Media steil bergauf. 1,5 Millionen Follower hat sie auf Instagram bereits. Zum Vergleich: Von allen Schweizer Nationalteams haben nur Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka eine grössere Reichweite mit ihren Profilen.
Für Lehmann ist die Bedeutung ihrer virtuellen Präsenz indes ungleich höher. Weil sie im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen mit Fussball keine Millionen verdient. «Von meinem Lohn als Spielerin kann ich leben, viel mehr aber nicht. Dank den sozialen Medien verdiene ich gutes Geld dazu. Und der Aufwand dafür hält sich auch in Grenzen.»
Nun soll indes kein falsches Bild entstehen. Lehmann inszeniert sich gerne, steht dazu, sagt aber auch: «Ich mache nur Dinge, die mir Spass bereiten. Wenn mein Management Anfragen erhält, dann bespreche ich das und wähle Marken aus, die zu mir passen. Mein Kleiderschrank hat gar nicht Platz für all die Dinge, die ich zugeschickt bekomme. Manch ein Stück verschenke ich dann meinen Teamkolleginnen weiter.» Genauso wichtig sei es Lehmann, dass sie dazu beitragen könne, den Frauenfussball sichtbarer zu machen. «Ich finde es toll, wenn einige Mädchen mit Fussballspielen beginnen, wenn sie Videos oder Bilder von mir sehen.»
Im Gespräch geht die mittlerweile 21-Jährige genauso erfrischend offen mit der Thematik um, wie sie sich im Netz präsentiert. Sie steht für eine Generation, die tut und macht, wonach ihr gerade steht. Und auch ihr Privatleben mit der Öffentlichkeit teilt.
Dazu gehört auch ihre Beziehung mit Nati-Kollegin Ramona Bachmann. Die beiden haben nie ein Geheimnis darum gemacht. Weil es nichts gibt, das sie verstecken müssten. Auch nicht während Zusammenzügen mit dem Nationalteam. Aber eines hält Lehmann fest: «Auf dem Platz sind wir normale Teamkolleginnen, nicht in einer Beziehung.»
Bis vor kurzem haben sie zusammen in London gewohnt. Bachmann spielte für Chelsea. Im Sommer nun hat sie die Stadt verlassen und nach Paris gewechselt. Weil sie sich bei Chelsea nicht mehr wohl fühlte. «Alisha hat gesehen, wie unglücklich ich war, sagte mir: ‹Du bist zu gut, als dass du nicht spielst, du musst weg›». So erzählte das Bachmann der «NZZ am Sonntag».
Und darum wohnt Lehmann jetzt alleine in London. «Zum ersten Mal im Leben. Es ist wegen Corona manchmal schon ziemlich langweilig», sagt sie. Besuche zwischen verschiedenen Haushalten sind in London schon länger untersagt. «Aber zum Glück gibt es Facetime, an manchen Tagen hören und sehen wir uns bis zu vier Stunden. Kochen virtuell zusammen. Oder gehen gleichzeitig mit unseren Hunden spazieren.»
In diesen Tagen geniessen es die beiden, sich wieder einmal live zu sehen. Gemeinsam standen sie beim 2:0 gegen Rumänien auf dem Feld. Wer die Tore geschossen hat? Völlig egal. Hauptsache, es hat zum Sieg gereicht.