Es ist ein herber Schlag, den Manchester City kurz vor dem europäischen Supercup gegen den FC Sevilla, einstecken muss. Kevin De Bruyne, der beim Premier-League-Auftakt am Freitag in Burnley bereits nach 22 Minuten ausgewechselt werden musste, hat sich eine schwere Verletzung am Oberschenkel zugezogen und wird mehrere Monate ausfallen.
Damit fehlt dem Triple-Sieger der Strippenzieher in der Offensive. 16 Tore bereitete De Bruyne alleine in der Premier League vor, über alle Wettbewerbe gesehen waren es in der letzten Saison unglaubliche 28 Assists. Damit ist der 32-Jährige einer der wichtigsten Spieler bei Manchester City, weshalb in seiner drei bis vier Monate langen Abwesenheit spannend zu beobachten sein wird, wie das derzeit beste Team der Welt und sein Star-Trainer Pep Guardiola damit umgehen.
Der Norweger ist ein klassischer Strafraumstürmer, der fast immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Das heisst aber auch, dass er auf gute Zuspiele angewiesen ist. In der letzten Saison kamen diese meistens von De Bruyne. Zwölf der 44 Tore (ausgenommen Penaltys) von Erling Haaland bereitete dieser vor, in der Premier League waren es neun von 29. Wenig überraschend war dies die häufigste Kombination im englischen Oberhaus.
Weil mit Ilkay Gündogan ein weiterer wichtiger Vorbereiter der letzten Saison nach Barcelona gewechselt ist, wird interessant zu sehen sein, wer den hungrigen Mittelstürmer nun füttert. Und ob dieser seine Wahnsinnsquote von knapp einem Tor pro Einsatz auch ohne De Bruyne halten kann.
Vielleicht nutzt der 23-Jährige die Abwesenheit des belgischen Dreh- und Angelpunkts aber auch, um eine seiner Schwächen auszumerzen. Denn wenn es darum geht, Chancen zu kreieren, ist Haaland gemäss fbref.com auf die Einsatzzeit gerechnet nur auf Platz 10 der City-Profis, die in der letzten Saison regelmässig zum Einsatz kamen.
Der Katalane gilt als grösstes Taktik-Genie seiner Zeit. Immer wieder lässt er neue Ideen in die Spielweise seines Teams einfliessen und hält die Konkurrenz so stets auf Trab. Da nun ein wichtiger Fixpunkt seines Teams wegbricht, auf den Pep Guardiola seit seiner Ankunft in Manchester im Jahr 2016 setzen konnte, wird sich der dreifache Champions-League-Sieger wohl etwas Neues einfallen lassen müssen.
Die ersten beiden Spiele der Saison erlauben da bereits erste Schlüsse. Im Supercup gegen Arsenal kam De Bruyne nämlich nicht zum Einsatz, gegen Burnley musste er früh ausgewechselt werden. Im zentralen Mittelfeld nahm Mateo Kovacic dabei jeweils die offensivere Rolle neben Rodri ein. Die Vorbereiter-Qualitäten von De Bruyne gehen dem Kroaten aber etwas ab. So kam Kovacic in bisher 143 Premier-League-Spielen bisher erst auf 13 Assists.
Für die kreativen Aufgaben wird daher das Offensivtrio hinter Haaland zuständig sein. Etwas überraschend kam dort auf der zentralen Position zwischen Bernardo Silva und Phil Foden Mittelstürmer Julian Alvarez zum Einsatz. Und der Argentinier machte hinter der Spitze eine gute Figur, wobei er im Passspiel nicht ganz so eingebunden war, wie ein typischer Zehner. So könnte Guardiola in De Bruynes Abwesenheit auf eine andere, spielstärkere Option setzen.
Ein Kandidat, um diese Lücke zu schliessen, ist nämlich auch Phil Foden. Der 23-jährige Engländer gilt als eines der grössten Talente im Fussball und ist sehr flexibel einsetzbar. Zwar spielte er in den letzten beiden Saisons vor allem auf den Flügeln, kam aber auch immer wieder mal im offensiven Mittelfeld zum Einsatz. So überraschte es nicht, dass Foden nach De Bruynes Verletzung gegen Burnley stärker ins Zentrum rückte.
Dies könnte auch in den nächsten Spielen der Fall sein. Gerade, wenn es um die entscheidenden Pässe und Aktionen ging, deutete Foden schon in der letzten Saison grosse Qualitäten an. Kommt er nun vermehrt in der Schaltzentrale zum Einsatz, könnte er diese noch stärker beweisen. Und selbst im Falle, dass Alvarez der nominelle Zehner bleibt, dürfte Foden ohne De Bruyne bei Ballbesitz eine wichtigere Rolle zukommen.
Es geht für Manchester City dabei auch darum, wie es den bisherigen Spielmacher ersetzen kann, wenn dieser aufgrund seines Alters nachlässt. Neben De Bruyne und Bernardo Silva, über dessen möglichen Weggang immer wieder spekuliert wird, fehlt ein echter Zehner im Kader der «Cityzens». Foden könnte aufgrund seiner Flexibilität eine interessante Option sein – und sich in den nächsten Monaten dafür in Position bringen. Möglicherweise kommt für diese Position aber auch noch Lucas Paqueta von West Ham.
Unabhängig von De Bruynes Verletzung wird sich in den nächsten Spielen auch zeigen, wer in der Viererkette das Vertrauen des 52-jährigen Trainers geniesst. Im Super Cup setzte Guardiola auf Manuel Akanji, Ruben Dias, John Stones und Kyle Walker, zum Ligaauftakt dann auf Rico Lewis, Nathan Aké, Akanji und Walker. Mit Josko Gvardiol ist ein weiterer Innenverteidiger zum Team gestossen.
Während es für die Aussenpositionen in Walker, Lewis und Sergio Gomez neben João Cancelo, der den Verein noch verlassen soll, nur drei nominelle Optionen gibt, tummeln sich in der Innenverteidigung gleich fünf Kandidaten. Aufgrund der vielen Spiele, welche Manchester City zu absolvieren hat, werden alle zu ihren Chancen kommen.
Wenn Dias fit war, war er seit seiner Ankunft im Sommer 2020 aber fast immer gesetzt. So kämpfen die anderen vier Spieler um eine Position. Akanji hat durch seine Flexibilität einen Vorteil. Weil er auch mal auf der rechten oder linken Seite der Viererkette eingesetzt werden konnte, kam er in der letzten Saison auf die meisten Einsatzminuten aller Verteidiger. Doch auch der 29-jährige Stones und Aké bewiesen ihre Qualitäten in der Vergangenheit stets. Und jetzt kommt auch noch der teuerste Verteidiger der Geschichte dazu, der sich wohl kaum mit der Rolle als Ersatzspieler zufriedengeben wird.
Einen solch grossen Konkurrenzkampf wie in Manchester Citys Innenverteidigung gibt es sonst wohl bei kaum einem Klub. Es wird spannend zu beobachten, welches Duo sich bewährt und wie die Lücke im Mittelfeld geschlossen wird. Erste Antworten gibt es schon heute Abend (21 Uhr) im UEFA Super Cup, wo Manchester City auf den spanischen Europa-League-Sieger aus Sevilla trifft. Dann könnte es auch zum Schweizer Duell zwischen Akanji und dem aus Frankfurt nach Andalusien gewechselten Djibril Sow kommen.