Sport
Kommentar

Neymar geht zu Al-Hilal – jetzt geht es Europas Fussball an die Substanz

Neymar Al-Hilal, Auch Neymar wechselt nach Saudi-Arabien – der trickreiche Freigeist spielt in Zukunft für Al-Hilal.
Auch Neymar wechselt nach Saudi-Arabien – der trickreiche Freigeist spielt in Zukunft für Al-Hilal.Bild: instagram.com/neymarjr/
Kommentar

Hilfe, die Saudis haben unseren Fussball geschrumpft

Mit den neuesten Verpflichtungen wie jener von Neymar sind der Saudi Pro League echte Coups gelungen. Nun müssen sich die europäischen Topklubs ernsthaft Sorgen machen.
16.08.2023, 09:4023.08.2023, 11:48
Mehr «Sport»

Bisher war das saudische Treiben aus Sicht des europäischen Fussballs verkraftbar. Klar, die immensen Gehälter sorgten für Kopfschütteln, aber Angst vor einem grossen Qualitätsverlust in den Topligen musste man nicht haben.

Die Transferoffensive auf der Arabischen Halbinsel begann mit den Verpflichtungen alternder Superstars wie Cristiano Ronaldo und Karim Benzema. Bei beiden machte ein Abschied von der ganz grossen Fussballbühne Sinn. Die Diskussionen vor seinem Weggang bei Manchester United waren der grossen Karriere des Portugiesen unwürdig. Und der Franzose feierte mit dem Gewinn der Champions League und des Ballon d'Or 2022 einen perfekten Abschluss für seine Karriere bei Real Madrid.

Al-Nassr FC vs Al-Raed FC - SAFF Roshn Saudi Pro League 2023-24 Match Day 24 Cristiano Ronaldo of Al-Nassr FC in action against Al-Raed FC during their SAFF Roshn Saudi Pro League 2023-24 Match Day 24 ...
Er ist der Vorreiter: Cristiano Ronaldo im Trikot von Al-Nassr.Bild: www.imago-images.de

Dann entschieden sich selbst Profis im besten Fussballeralter für einen Wechsel in die Saudi Pro League. Ruben Neves, Sergej Milinkovic-Savic und Fabinho beispielsweise. Doch mit Ausnahme von Letzterem spielten auch diese keine grosse Rolle bei einem Topklub und sind nicht unersetzlich. Zwar sind sie alle wie auch Allan Saint-Maximin oder Seko Fofana begnadete Fussballer, doch schaltet ihretwegen kaum jemand den Fernseher ein, wenn kein Bezug zu ihren Klubs besteht.

Neymars Weggang geht dem europäischen Fussball an die Substanz. Spieler wie ihn wollen die Fans sehen.

Bei den neuesten Coups der Klubs aus Saudi-Arabien ist jedoch das Gegenteil der Fall. Sadio Mané war in der Saison 2021/22 noch einer der besten Spieler beim Champions-League-Finalisten Liverpool. Zwar erlebte er in München eine schwierige letzte Saison, doch hätte er in der richtigen Situation wieder an alte Leistungen anknüpfen können und so die Fussballwelt begeistern. Jetzt steht er aber wie Ronaldo bei Al-Nassr unter Vertrag.

Der Weggang Neymars geht dem europäischen Fussball noch stärker an die Substanz. Obwohl der 31-jährige Brasilianer wegen seiner Theatralik bei gegnerischen Fouls in Verruf geraten ist, kann ihm seine fussballerischen Qualitäten niemand absprechen. Spieler wie den trickreichen Freigeist wollen Fussballfans sehen. Bis zu seiner Verletzung im Februar der letzten Saison erzielte er für PSG in 29 Spielen 18 Tore und bereitete 17 weitere vor. In Zukunft wird er seine Skorerpunkte für Al-Hilal sammeln und dafür bis zu 200 Millionen Euro jährlich verdienen.

Spätestens jetzt muss den europäischen Klubs und auch der UEFA klar sein, dass sie etwas unternehmen müssen, um den Aderlass zu stoppen. Denn die Geister, die sie riefen, haben sich jetzt gegen sie gewendet. Jetzt sind sie nicht mehr die Reichsten, nicht einmal Manchester City, Newcastle oder PSG können mit den Summen aus dem Nahen Osten mithalten. Nun mit der moralischen Keule zu schwingen oder den Spielern Gier vorzuwerfen, bringt nichts, bei diesen Summen wird fast jeder früher oder später weich.

Zumal es nicht allen nur um sich selbst geht. So sagte Kalidou Koulibaly nach seinem Wechsel von Chelsea zu Al-Hilal: «Ich kann meiner Familie helfen, gut zu leben, und die sozialen Aktivitäten meiner Stiftung in Senegal aufrechterhalten. Wir haben gerade begonnen, eine Kinderklinik zu bauen.»

Wenn es einen Moment gibt, in dem Topklubs und UEFA gemeinsam für Finanzregularien kämpfen, dann jetzt.

Vielmehr müssen die Klubs und der europäische Fussballverband verhindern, dass überhaupt solche Summen angeboten werden können. Es braucht nun ein echtes «Financial Fair Play», an das sich alle Klubs halten und bei dem Verstösse ernsthaft sanktioniert werden. Gleichzeitig müssen die anderen Verbände sowie die FIFA ins Boot geholt werden, um die Vorgaben weltweit durchzusetzen. Die UEFA ist noch immer der mächtigste Kontinentalverband und sollte diese Position jetzt nutzen.

epa09146635 A handout photo made available by the UEFA of UEFA President Aleksander Ceferin speaking at the 45th Ordinary UEFA Congress in Montreux, Switzerland, 20 April 2021. EPA/Richard Juilliart / ...
Auch er ist nun gefragt: UEFA-Präsident Aleksander Ceferin.Bild: keystone

Wie stark der Wille vor allem der Topklubs ist, gemeinsam für eine solche Regelung zu kämpfen und diese durchzusetzen, mag bezweifelt werden. Aber wenn es einen Moment gibt, in dem dies passieren könnte, dann ist er jetzt gekommen.

Denn wird nichts unternommen und verfolgt die Saudi Pro League den von Ronaldo angekündigten Plan, bald eine der besten fünf Ligen der Welt zu werden, drohen weitere Spieler wie Neymar dem europäischen Fussball den Rücken zu kehren. Das hätte einen negativen Einfluss auf die Qualität der Spiele sowie die Attraktivität des Produkts. Und damit auch auf die Anzahl Zuschauerinnen und Zuschauer, die Champions League und Co. vor die Bildschirme ziehen.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Diese Star-Spieler wechselten bereits nach Saudi-Arabien
1 / 26
Diese Star-Spieler wechselten bereits nach Saudi-Arabien
Ivan Rakitic verlässt den FC Sevilla vorzeitig und ablösefrei, um bei Al-Shabab zu unterschreiben.
quelle: keystone / peter dejong
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Ist er der neue Neymar? Zweijähriger Kicker begeistert TikTok
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
190 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Scaros_2
16.08.2023 09:17registriert Juni 2015
Warum müssen sich europäische Klubs sorgen machen?
Diese Spieler sind doch meistens eh komplett überbewertet, teils egozentrische Divas und schwer zu handhaben und läuft es mal nicht wie diese Herren es wollen sabotieren sie Trainings etc.

Es kann den europäischen Klubs nur gut tun wieder einmal ein wenig Bodenhaftung zu bekommen, weniger auf das grösste Geld zu schauen und mehr Fussball. Also ich sehe hier keine Probleme. Es ist viel mehr eine Chance muss man sagen.
40514
Melden
Zum Kommentar
avatar
Osteinwohner
16.08.2023 09:19registriert Mai 2018
Für naive Fussballromantiker wie mich sind das alles gar keine schlechten Neuigkeiten.
3155
Melden
Zum Kommentar
avatar
Marsupilami123
16.08.2023 09:15registriert Juni 2016
Glaube kaum, dass Neymar da entscheidend ist. Ist auch schon ü30. Und: Er passt doch genau dort hin. Da ging es schon immer nur um die Kohle, sportlicher Erfolg war doch zweitranging.

Fragwürdig wäre wenn Bellingham, Haaland, Gavi, Musiala und co gehen würden. Also Top-Spieler Mitte 20 mit Ambitionen.
2815
Melden
Zum Kommentar
190
Hirscher wie Schumacher, Hingis oder Jordan: Die grössten Comebacks der Sportgeschichte
Österreichs Ski-Legende Marcel Hirscher will es noch einmal wissen, startet im nächsten Winter für die Niederlande und fordert Marco Odermatt heraus. Er ist nicht der einzige Sportstar, der nach dem Rücktritt ein Comeback gibt. Einige waren nach ihrer Rückkehr erneut erfolgreich, andere wurden zur Karikatur ihrer selbst.

Als er 2006 zurücktrat, hatte Michael Schumacher sämtliche Rekorde in der Formel 1 gebrochen, war sieben Mal Weltmeister geworden und hatte 91 Siege gefeiert. Lange hielt es der Deutsche nicht aus. 2009 verhinderte das Veto der Ärzte einen Einsatz als Ferrari-Ersatzfahrer für den zuvor verunfallten Felipe Massa, Schumacher litt an Nackenbeschwerden. Kurz darauf unterschrieb der Deutsche dann bei Mercedes. Siege gab es in den drei Saisons von 2010 bis 2012 keine mehr. Schumacher belegte die WM-Plätze 8, 9 und 13. Im letzten Jahr fuhr er als Dritter einmal aufs Podest.

Zur Story