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EM 2024: Das sind die Erkenntnisse nach der Schweizer Achtelfinal-Gala

Switzerland's goalkeeper Yann Sommer, center, and his teammates celebrate after winning 2:0 against Italy after a round of 16 match between Switzerland and Italy at the Euro 2024 soccer tournamen ...
Was ist noch möglich an dieser EM?Bild: keystone

Darum ist jetzt sogar der EM-Final möglich – die Erkenntnisse nach der Gala gegen Italien

Wie weiter nach dem 2:0 über Italien im Achtelfinal? Darf die Schweiz gross denken? Erkenntnisse und Erinnerungen rund um ein Spiel, das unvergessen bleibt.
30.06.2024, 07:2230.06.2024, 12:54
etienne Wuillemin, berlin / Ch media
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Manchmal ist der Fussball wie das Leben. Eine erste stürmische Begegnung. Faszination, was man gerade erlebt hat. Und die bange Frage: Sehen wir uns wieder?

Wenn das Flugzeug mit der Schweizer Nationalmannschaft am Sonntagmorgen um 11 Uhr abhebt, schwirrt dem einen oder anderen Passagier vielleicht genau diese Frage durch den Kopf. Berlin, sehen wir uns wieder?

epa11445187 A general view as the teams stand for the national anthems prior to the UEFA EURO 2024 Round of 16 soccer match between Switzerland and Italy, in Berlin, Germany, 29 June 2024. EPA/MOHAMED ...
In Berlin findet in zwei Wochen auch der EM-Final statt.Bild: keystone

Darf man das? So gross denken? In Berlin findet am 14. Juli, in genau zwei Wochen also, der EM-Final statt. Bis vor kurzem hätte die Antwort gelautet: Nie im Leben! Unerreichbar! Aber jetzt, nach diesem bravourösen 2:0 im Achtelfinal gegen Italien, ist dieser Schweizer Nati alles zuzutrauen.

2024 ist anders wie 2021

Auch 2021 erreichte die Schweiz den EM-Viertelfinal. Drei Jahre und ein Tag sind vergangen seit dem historischen Sieg gegen Frankreich. Die Nacht von Bukarest damals war ein einziger Rausch, ein Auf und Ab und Auf, mit dem perfekten Ende im Penaltyschiessen.

So emotional ist es 2024 in Berlin nicht. Dafür ist dieses Schweizer Team schlicht viel zu gut. So gut wie vermutlich noch gar nie eine Schweizer Nati war in der Geschichte der Neuzeit. Hände hoch, wer sich an ein Spiel erinnern mag, in dem die Schweiz einen so grossen Namen wie Italien derart dominiert hat.

Im Bauch des Olympiastadions von Berlin schreiten die Spieler mit sehr viel Zufriedenheit in ihren Gesichtern zur Analyse. Ohne ihren Chef zwar, weil Granit Xhaka zur Doping-Kontrolle muss und Wasserlösen direkt nach einem Spiel bisweilen etwas dauern kann. Dafür schreitet Manuel Akanji zur Tat. Und er beweist, dass er auch in dieser Disziplin, die nicht seine liebste ist, bereit ist, mehr Verantwortung zu übernehmen.

Bald einmal sagt Akanji diesen Satz: «Was wir hier erleben, ist der Höhepunkt meiner Zeit im Nationalteam.» Und nimmt gleich Bezug auf die EM 2021: «Das Frankreich-Spiel war unglaublich. Aber wir haben auch drei Tore erhalten …» In der Tat. Was dieses Team an Stabilität und Souveränität zeigt in der Defensive, ist grosse Klasse. «Wir haben gegen Deutschland wenig zugelassen. Wir haben gegen Italien gewonnen. Und auch in den ersten beiden Spielen, die nicht einfach waren, sahen wir gut aus.»

Im Moment dieses grossen Sieges vermitteln Akanji, aber auch viele andere, nicht den Eindruck, als wäre das bereits Grund genug für die totale Euphorie. Im Gegenteil. Es ist zu spüren, dass diese Reise erst gerade begonnen hat. «Wir dürfen uns nicht ausruhen. Wir arbeiten weiter hart. Dann ist etwas möglich», sagt Akanji. Was das ist, lässt er offen. Der Gedanke an Berlin vielleicht?

BERLIN, GERMANY - JUNE 29: Manuel Akanji of Switzerland celebrates after wining the match between Switzerland and Italy on Round of 16 - UEFA EURO, EM, Europameisterschaft,Fussball 2024 at Olympiastad ...
Bild: www.imago-images.de

Zunächst einmal dürfen die Schweizer in aller Ruhe den Achtelfinal zwischen England und der Slowakei anschauen. Der Gewinner wird ihr Gegner im Viertelfinal am nächsten Samstag (18 Uhr, in Düsseldorf). Wer soll das sein? «England!», ruft Akanji mit einer Entschlossenheit, die fast noch grösser ist als vorhin auf dem Platz, «ich würde gerne gegen meine Kollegen spielen.» Und auf die Nachfrage, was er denn über diese so zu erzählen wisse, sagt Akanji: «Es gibt da ein paar Spieler, welche die Schweiz immer ein bisschen kleinreden. Darum wäre es ein unglaubliches Gefühl, gegen sie zu gewinnen.»

Kein Champagner, kein Bier – nur demütige Freude

Einer, der an diesem Abend mindestens so sehr strahlt wie die Berliner Sonne, ist Giorgio Contini. Als CH Media den Assistenten von Murat Yakin bittet, einen kleinen Einblick in die Kabine zu geben und die Momente nach dem Sieg zu beschreiben, sagt Contini: «Ich habe eine besonnene, demütige Freude erlebt. Da ist kein Champagner oder Bier geflogen.»

Mittlerweile scheint es gar so, dass die Schweiz von Spiel zu Spiel wächst. An sich. An den Herausforderungen. Contini sagt: «Eines dürfen Sie nicht vergessen: In dieser Truppe sind Leute drin, die wissen, wie man etwas gewinnt. Ein Akanji, ein Xhaka – die verlieren nie! Und damit stecken sie die anderen an.» Im Jahr 2024 haben sowohl Akanji wie auch Xhaka, mit Manchester City und Bayer Leverkusen, nur ein einziges Spiel verloren. Dieses Selbstverständnis haben sie nun auch in die Nati gebracht. Akanji und Xhaka tragen das Team. Um sie herum blühen viele andere auf.

Das unvergessene Spiel 1993

Und so steht am Ende dieses Abends der erste Sieg gegen Italien seit 31 Jahren. Damals, am 1. Mai 1993, schlägt die Schweiz in Bern Italien im Rahmen der WM-Qualifikation 1:0. Es ist der wegweisende Sieg für die Teilnahme an der WM-Endrunde 1994. Erstmals seit 1966 betritt die Schweiz wieder die grosse Bühne. Es ist der Startschuss in die erfolgreichste Epoche der Schweizer Fussballgeschichte. Darum ist jener Sieg über Italien, jenes Tor von Marc Hottiger, bis heute unvergessen.

Vielleicht ist es auch 31 Jahre später wieder ein Sieg über Italien, der etwas Grosses auslöst in der Fussball-Nation Schweiz. Berlin, sehen wir uns wieder? Die Antwort muss noch etwas warten. Aber das Kribbeln ist da.

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Die Noten der Nati beim 2:0-Sieg gegen Italien
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Die Noten der Nati beim 2:0-Sieg gegen Italien
Yann Sommer – Note 5: Vor drei Jahren der Achtelfinal-Held dank seines gehaltenen Penaltys gegen Mbappé. Und diesmal? Ist er gar nie wirklich gefordert. Guckt den Ball zweimal an den Pfosten. Aber die ganz grosse Parade muss er noch nicht zeigen. In der ersten Hälfte kann er sich von der Berliner Abendsonne bräunen lassen.
quelle: keystone / filip singer
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35 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Hundshalter Leno
30.06.2024 09:03registriert September 2023
Was mir bei der Schweiz gefällt ist das Selbstvertrauen. Früher war bei grossen Siegen dauernd so ein „niemand hat an uns geglaubt und wir haben es allen gezeigt“ Vibe bei dem immer etwas Trotz mitschwamm und polarisierend wirken konnte. Inzwischen ist diesbezüglich ein gesünderes Selbstbewusstsein vorhanden. Ähnlich wie bei den Eishockeyaner. Wir gewinnen weil wir gut sind und fertig.
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Gopfridsenkel
30.06.2024 08:26registriert Juni 2018
„ 2024 ist anders wie 2021“
Anders ALS
Besser ALS
Genauso WIE
… ;-)
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Seebarsch
30.06.2024 09:10registriert April 2020
Darf die Schweiz gross denken? Natürlich aber bitte trotzdem Spiel für Spiel nehmen.
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    Ajoie, viel Romantik und die gefährliche Logik einer Niederlage
    Ajoie verliert gegen Visp im dritten Drittel der Verlängerung 2:3. Die Jurassier haben gegen Heinz Ehlers taktischen Zaubertrank und so viel Hockey-Romantik noch kein Mittel gefunden.

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