Weihnachten ist ja bekanntlich das Fest der Liebe. Ob Gerardo Bedoya dieses ebenfalls feiert, ist nicht überliefert. Auf viele Geschenke vom Christkind sollte der Ex-Fussballer aber in jedem Fall nicht hoffen – denn artig war er nur selten.
Bedoya ist nämlich hauptsächlich deshalb bekannt, weil er mit 46 Roten Karten der Rekordhalter für die meisten Platzverweise der Geschichte ist. Manche davon seien seiner Meinung nach nicht gerechtfertigt gewesen, erzählte er im Podcast Otro Futbol. Oftmals hätten die Schiedsrichter nur wegen seines Rufs schnell die Gelbe Karte gezückt, damit er sich zurückhalten müsse und sie das Spiel leichter unter Kontrolle halten können. «Manchmal habe ich mich auf harmlose Weise beschwert und sie haben mir sofort Gelb gezeigt», so Bedoya, der klarstellt: «Mit vielen dieser Platzverweise bin ich nicht einverstanden.»
Bei anderen gibt es jedoch keine Diskussionen. Zum Beispiel als der Kolumbianer gemäss eigener Aussage einem Gegenspieler einen linken Haken verpasste. Dieser habe ihn zuvor provoziert, indem er ihm unter anderem gesagt habe: «Ich bringe dich um.» Es war wohl der Platzverweis, der sich am besten angefühlt habe, sagt Bedoya.
In einem anderen Spiel rammte der heute 49-Jährige einem Verteidiger erst den Ellbogen ins Gesicht und bedachte den am Boden liegenden Gegner dann auch noch mit einem Tritt gegen die Stirn, der zu einer blutenden Wunde führte.
Fans bezeichneten seine Aktion im Trikot von Independiente Santa Fe gegen die Millonarios im Fernsehen nach dem Spiel als «Traurigkeit» und forderten: «Bedoya raus aus dem Fussball!» Der Wunsch wurde in der Folge immerhin während einer 15 Spiele dauernden Sperre erfüllt. Der Übeltäter selbst entschuldigte sich danach und erklärte, dass es keine Rechtfertigung für sein Verhalten gebe.
Die vielen Roten Karten seien ihm peinlich gewesen, sagt Bedoya nun mit etwas Abstand und fügt an: «Ich habe ja auch meinem Team geschadet.» Dies wirft jedoch die Frage auf, weshalb er sein Gemüt auf dem Platz nicht etwas besser zügelte. Schliesslich schien er das auch zu können, wie er berichtet. So habe er sich in einem Spiel für den argentinischen Racing Club gegen River Plate einmal keine Gelbe Karte leisten können, weil es seine fünfte gewesen wäre, welche eine Sperre nach sich gezogen hätte. «Die Gegner haben mich ständig provoziert, besonders Orteguita. Ich wollte es ihm unbedingt heimzahlen, ich war regelrecht verrückt danach, aber ich konnte nicht», sagt Bedoya.
Der Treter hatte mit seiner Spielweise aber durchaus auch Erfolg. Der Verteidiger, der auch als defensiver Mittelfeldspieler auflief, wurde 2001 Meister mit Racing. Mit seinem späten Ausgleichstor gegen den Konkurrenten River Plate vier Runden vor Schluss wurde er zum Held. Es war der erste Titel nach 35 Jahren für den Klub aus Avellaneda, einem Vorort von Buenos Aires.
Im selben Jahr war er auch Teil des Nationalteams, das Kolumbiens einzigen Titel an der Copa America gewann. Insgesamt lief er 49 Mal für die «Cafeteros» auf und erzielte vier Tore. Auch in seiner Heimat wurde der in der Nähe von Medellin aufgewachsene Bedoya mit Deportivo Cali zweimal Meister.
Am liebsten spielte er jedoch in Argentinien, wo er neben Racing kurzzeitig auch bei den Boca Juniors unter Vertrag stand. «Dort ist Fussball ein Lebensstil, alle reden darüber. Es fühlte sich anders an, in Argentinien zu spielen. Das war das Beste, was mir passiert ist, und deshalb habe ich den Fussball noch mehr geliebt», erklärt Bedoya.
Über den Spielstil von Racings Meisterteam sagt er, dass dieser vielen Leuten nicht gefallen habe. «Manchmal habe ich mich geschämt, weil wir den Ball einfach auf die Tribüne geschossen haben. Wir haben keinen ansehnlichen Fussball gespielt, aber wir wussten, wie wir gewinnen können.» Dort sei ihm bewusst geworden, dass es einen Unterschied gebe zwischen schönem und erfolgreichem Fussball. Vielleicht fühlte er sich so darin bestätigt, dass es auch einmal Härte braucht.
Für seine Teams war er wohl auch deshalb stets ein wichtiger Faktor und Anführer. Sein ehemaliger Mitspieler Omar Vasquez sagte einmal zur BBC: «Er war ein grossartiger Leader und hat mit aller Kraft um jeden Ball gekämpft.» Neben dem Feld sei Bedoya ein sensibler und stets hilfsbereiter Typ mit einem riesigen Herz.
Bedoya teilte jedoch nicht nur aus, er musste auch einstecken. Einmal rammte ihm ein Gegner die Stollen in die Brust, als Bedoya zum Kopfball hochstieg. Das Resultat waren ein kaputtes Trikot und fünf Stollenspuren auf der Brust. «Danach bin ich auf die Jagd nach ihm», berichtet der Kolumbianer, der ebenso weiterspielen durfte wie sein Gegner.
Ein anderes Mal verpasste ihm ein Stürmer einen Ellbogenstoss unters Auge, woraufhin er mit 18 Stichen genäht werden musste. Eine Strafe gab es für den Gegner nicht – der Schiedsrichter beendete jedoch das Spiel zwei Minuten zu früh, weil Bedoya ihm gesagt habe, dass er das Feld nicht verlasse, wenn der Gegner nicht Rot sehe.
Auch nach seiner aktiven Karriere geriet er gerne mal mit den Unparteiischen aneinander. So dauerte sein Debüt als Co-Trainer bei Independiente lediglich 19 Minuten. Dann musste er sich auf die Tribüne setzen, weil er sich so fürchterlich über ein Gegentor aufregte, dem in seinen Augen eine Abseitsstellung vorangegangen war.
Auch danach war seine Trainerkarriere nicht besonders erfolgreich. Zwar wirkte er in Santa Fe einige Jahre als Co-Trainer, Jugend-Trainer oder auch mal als Interimscoach, doch ist er seit September 2023 ohne Anstellung.
Ohnehin wäre der Fussball von heute wohl nichts mehr für ihn. Ihn störe es, dass die Spieler heute häufig simulieren würden und so dafür sorgen, «dass ihre Kollegen vom Platz fliegen». Das sei früher anders gewesen: «Wenn mich einer geschlagen oder getreten hat, habe ich zurückgetreten, aber etwas vorzutäuschen, damit der Gegner vom Platz fliegt, gab es bei uns nicht.» Mittlerweile gebe es jedoch schon für ein kleines Foul die Rote Karte. Bedoya: «Es wäre sehr schwierig, jetzt Fussball zu spielen.»
Wer weiss, wie viele Platzverweise Gerardo Bedoya, der von 1995 bis 2015 Profi war, kassiert hätte, wäre er 20 Jahre später geboren worden. Der Abstand auf Sergio Ramos, den mit 29 Roten Karten zweitfleissigsten Sammler, wäre womöglich noch grösser. Nun kann er lediglich darauf hoffen, vom Christkind nicht ebenfalls die Rote Karte gezeigt zu bekommen.