Daran könnten sie sich in St.Gallen gewöhnen. Schon letztes Jahr standen die Grün-Weissen im Cupfinal, nun erneut. Doch dieses Mal soll es klappen mit dem Traum vom ersten Titelgewinn seit 22 Jahren und vom zweiten Cupsieg nach 1969.
«Noch drei Mal schlafen», sagt Trainer Peter Zeidler am Donnerstagmittag vor den Medien. Die Vorfreude ist auch bei ihm gross. «Es ist wie an Weihnachten, man zählt die Tage bis zum Cupfinal», so der Deutsche, der im August 60 Jahre alt wird. Es ist auch Zeidlers Aufgabe, diese Vorfreude bei seinen Spielern so zu kanalisieren, dass sie einerseits nicht überschwappt und sich andererseits nicht in zu grosse Nervosität verwandelt.
«Nervosität ist normal, jeder wird nervös sein, wahrscheinlich ein bisschen mehr als bei anderen Spielen. Aber jeder weiss, dass er sich auf die Kollegen verlassen kann», betont Zeidler. Das Wissen um die eigenen Stärken und das Vertrauen in diese könne dabei helfen, die Nervosität abzulegen.
Der Final 2021 gegen den FC Luzern ging im Corona-bedingt menschenleeren Wankdorf 1:3 verloren. Nun bestimmt die Pandemie nicht mehr unseren Alltag, am Sonntag wird eine grün-weisse Lawine nach Bern rollen und im Stadion für Stimmung sorgen. «Das ist der ganz grosse Unterschied, dass nun unsere Fans dabei sein dürfen», sagt Zeidler. Es ist keine mutige Prognose, zu behaupten, dass im Wankdorf die FCSG-Fans in Überzahl sein und den Ton angeben werden.
Im letzten Jahr habe er im Vorfeld des Finals eine etwas seltsame Stimmung im Team wahrgenommen, erinnert er sich. «Die Stimmung war beinahe zu angespannt. Klar, wir wollten alle gewinnen, aber es war irgendwie nicht dieses Feuer da, diese Vorfreude, die nötige Konzentration. Ich glaube, das wird in diesem Jahr anders sein.»
Zu verlieren habe der FCSG nichts, meint Zeidler. «Wir haben den Ansatz gewählt, entspannt nach Bern zu reisen. Wir hätten in Yverdon im Halbfinal etwas zu verlieren gehabt, jetzt nicht. Unser grosses Ziel, mit unseren Zuschauern nach Bern zu kommen, haben wir erreicht. Alles, was jetzt noch hinzu kommt, ist die Erfüllung eines Traums.»
Wie locker seine Mannschaft drauf ist, belegt Zeidler mit einer Anekdote. Als St.Gallen nach dem Spiel bei YB am Dienstag um 01.30 Uhr wieder im eigenen Stadion ankam, machten sich einige Spieler noch auf zum Tischtennis-Tisch. «Im Normalfall müsste der deutsche Trainer da kommen und sagen: ‹Jungs: Regeneration, geht lange schlafen!› Aber die waren so drauf, die Lockerheit ist da.»
Am Freitagmorgen bricht die Equipe westwärts auf, Quartier bezieht sie in Spiez. Da, wo schon Deutschlands Weltmeister 1954 weilten, die auch dank dem «Geist von Spiez» sensationell den Titel gewannen. Auch das Team, das 1969 den bislang einzigen Cupsieg des FC St.Gallen errang, hatte sich für die Vorbereitung für Spiez entschieden.
«Ob man es will oder nicht, man ist immer etwas abergläubisch», sagt Zeidler über diese Wahl. «Ich hätte nicht im gleichen Hotel wie letztes Jahr sein können, weil ich dann gedacht hätte, dass wir den Final wieder verlieren.» Im Berner Oberland will er sich Zeit nehmen für Einzelgespräche mit seinen Spielern. Seine Startelf hat er bereits im Kopf, der 20-Mann-Kader steht.
Schon seit längerer Zeit ist bekannt, dass Stammgoalie Lawrence Ati Zigi auf der Bank Platz nehmen muss. Im Cup setzt Peter Zeidler auf seine Nummer 2, Lukas Watkowiak. Das bleibt auch im Final so, wenngleich diese Personalie in den letzten Tagen für einigen Gesprächsstoff sorgte. Zigi präsentierte sich zuletzt in grossartiger Form.
Dass das Thema nicht abgeschlossen ist, zeigte sich bei der Frage eines Reporters, ob Zeidler es sich überlege, Zigi vor einem möglichen Penaltyschiessen einzuwechseln. Davon ist nicht auszugehen. «Wir haben in den letzten Wochen immer wieder Elfmeterschiessen ins Training eingebaut. Ich habe keine Statistik geführt, aber sie sind beim Halten von Penaltys auf dem gleichen Niveau.»
Die Hauptprobe am Dienstag ging im Finalstadion verloren, St.Gallen unterlag dem entthronten Meister YB 1:4. Die Einstellung habe nicht hundertprozentig gepasst, sagt Zeidler, «man kann das nicht wegreden, so kurz vor dem Cupfinal.» Diesen bezeichnet Zeidler zwar als «normales Fussballspiel» und trotzdem weiss er natürlich, dass es ein ganz besonderes sein wird.
Der Cupsieg wäre der grösste Erfolg in Peter Zeidlers Trainerlaufbahn. «Aber es geht nicht um mich», bekräftigt er, «sondern um unseren Klub. Wer die Begeisterung in der Stadt und in der Region mitbekommt, der weiss: Das wäre ein ganz grosser Tag für unseren FC St.Gallen.»
felixJongleur