Nach dem Schlusspfiff schwenkten die TV-Kameras sofort auf die Führungs-Loge. Präsident Ancillo Canepa und Sportchef Milos Malenovic verloren nach dem 0:4-Debakel ihres FC Zürich gegen Aufsteiger Thun keine Sekunde und suchten das Weite. Nichts wie weg aus dem Fokus der Öffentlichkeit. So konnte das gedeutet werden.
Einige Augenblicke später trotteten die geschlagenen Spieler zu ihren erbosten Fans in der Südkurve. Ein Gang nach Canossa, begleitet von Pfiffen und Beschimpfungen. Die Spieler und der neue Trainer Mitchell van der Gaag liessen es geschehen. Sie bezogen die verbalen Prügel vor Ort.
Doch taucht man in die Welt der sozialen Medien ein, wird schnell klar: Der Unmut des Zürcher Publikums richtet sich vor allem gegen Malenovic und Canepa. Als Hauptschuldiger wurde der Sportchef ausgemacht. Stellvertretend für Tausende andere schrieb ein Fan auf Instagram vielsagend: «Milos Malenovic, das ist deine Mannschaft.» Posts wie «Malenovic out» machen zu Hunderten die Runde.
In der Tat hat der Sportchef, früher einflussreicher Spieleragent, in seiner bald zweijährigen Amtszeit ziemlich viel falsch gemacht im FCZ. Zweimal brachte er ein funktionierendes (Spitzen-)Team während der Saison zum Absturz. Im Winter 2024 durch die Demontage von Trainer Bo Henriksen, im letzten Winter durch einen Umbruch, mit dem der Abgang von diversen Leistungsträgern einherging.
Den folgenden Sturz in die Abstiegsrunde nahm Malenovic im letzten Frühjahr in Kauf und erklärte nach der Saison im klubeigenen Podcast: «Mittelfristig gesehen, war es wichtig, den Umbruch schon im Winter zu tätigen. Jetzt haben wir eine Basis für die neue Saison.» Vor dem Hintergrund dieser Aussage ist es jedoch irritierend, was Malenovic nun veranstaltete. Denn statt dieser Basis zu vertrauen, folgte in diesem Sommer gleich der nächste Umbruch.
Acht Spieler verpflichtete der FCZ in den letzten Wochen, zwei stiegen von der U21 ins Profikader auf. Von diesen zehn Neuen standen gegen Thun vier in der Startformation, vier weitere wurden später eingewechselt. Basis für die neue Saison? Die Aussage Malenovics vom letzten Mai kommt so wie ein schlechter Treppenwitz daher.
Jetzt hat diese wiederum fast rund erneuerte Mannschaft in vier Spielen vier Punkte geholt. Sie hat gegen vermeintliche Aussenseiter wie Sion und Thun beide Heimspiele verloren und dabei sieben Tore kassiert. Es rumort entsprechend rund um den Verein. Schon vor der Saison soll es eine Aussprache zwischen Präsident Canepa und Vertretern der Südkurve gegeben haben. Die Fans kündigten «einen Aufstand» an, sollte der Saisonstart misslingen. Canepa dementierte.
Nun ist der Auftakt in die Saison tatsächlich in die Hosen gegangen. Und die Stimmung entsprechend explosiv. Die Vox populi trieb beim FCZ auch schon Mitarbeiter aus dem Amt, obwohl sich Canepa lange gegen solche Entwicklungen gestemmt hatte. Die Trennung vom früheren Geschäftsführer Nick Gast Anfang 2024 ist die letzte Geschichte dieser Art.
Ob es mit Malenovic auch so weit kommt, wenn die Resultate nicht bald besser werden? Diese Frage hängt an einer anderen. Denn: Ist Malenovic beim FCZ nur Sportchef oder nicht schon viel mehr? Am Samstag machte wieder einmal das Gerücht die Runde, Malenovic habe mit Partnern vom Balkan bereits Anteile am Klub gekauft – oder sich den Kauf solcher zusichern lassen. Nur: Eine Kanterniederlage gegen den Aufsteiger ist ein guter Nährboden für solche Gerüchte. Und Canepa dementiert Verkaufsabsichten ohnehin wie ein Mantra.
Apropos Canepa: Die Enttäuschung der Fans konnte er Ende letzter Saison nur halbwegs nachvollziehen. «Das ist jetzt keine Katastrophe. Wir sind schliesslich nicht abgestiegen», sagte er. Wer die Mannschaft beim 0:4 gegen Thun gesehen hat, wünscht Canepa, dass er dies auch am Ende dieser Saison sagen darf. (aargauerzeitung.ch)