Al-Hilal, eine 196-Millionen-Truppe (Euro), steht in drei Wochen dem FC Aarau gegenüber. Heisst: Fussballstars wie Théo Hernández, João Cancelo, Ruben Neves und Erfolgstrainer Simone Inzaghi lernen das altehrwürdige Brügglifeld kennen – inklusive aller Schönheitsfehler, die das Stadion mit sich bringt. Schon die blosse Vorstellung sorgt für ein Schmunzeln. Am Sonntag, 10. August, findet das Testspiel statt.
Natürlich stellt sich die grosse Frage: Wie konnte der FC Aarau diesen dicken Fisch ans Land ziehen? CEO Sandro Burki bringt Licht ins Dunkel: «Das verlief unkompliziert. Wir wurden von einer deutschen Agentur, mit der wir schon länger zusammenarbeiten, angefragt, ob wir ein Mini-Turnier mit Hellas Verona und Al-Hilal im Brügglifeld austragen möchten.» Der FC Aarau hat zugesagt, wenige Tage später sprang der italienische Serie-A-Klub jedoch aus organisatorischen Gründen ab.
Entsprechend blieb nur noch ein direktes Testspiel gegen den saudischen Rekordmeister übrig. Gab es das eigentlich schon einmal, dass der FCA gegen einen Klub von vergleichbarer Grösse getestet hat? «Als ich noch Nachwuchsspieler war, gab es mal ein heimliches Testspiel auf dem Trainingsplatz hinter dem Brügglifeld gegen Liverpool. Später spielten wir mal gegen Shakhtar Donetsk und den VfL Wolfsburg. Aber sonst mag ich mich an nichts Vergleichbares erinnern», betont Burki.
Auch noch spannend: Normalerweise bezahlen kleinere Vereine für Testspiele gegen grosse Gegner, die als Publikumsmagnet dienen und damit Aufmerksamkeit und hohe Umsatzzahlen generieren. In diesem Fall ist es anders: Da der FC Aarau von der Agentur, die für Al-Hilal einen Testspielgegner suchte, angefragt wurde, braucht er nichts zu bezahlen.
«Es gab auch bei uns Überlegungen, ob wir in der Sommerpause gegen einen grossen Klub testen. So haben wir uns mit dem HSV beschäftigt, aber der Rasen im Brügglifeld musste erneuert werden, deshalb kam das nicht zustande. Nun sind wir sehr froh, dass wir den Fans trotzdem eine aussergewöhnliche Partie anbieten können.»
Die Geschichte ist also kein Marketing-Coup, sondern eher Zufall. Und der FC Aarau hat auch nicht vor, das Spiel zu vermarkten. Die Ticketpreise werden bewusst tief gehalten: fünf Franken für den Stehplatz, 15 Franken für die Tribüne. Saisonkarten sind hingegen nicht gültig.
«Uns geht es primär darum, dass wir durch den Vorverkauf ungefähr abschätzen können, mit wie vielen Leuten wir rechnen können. Bisher sind die Reaktionen gemischt. Schwierig zu sagen, ob das Brügglifeld ausverkauft sein wird.»
Tatsächlich herrscht im Aarauer Umfeld nicht nur Vorfreude – das Testspiel ist umstritten. FC Aarau gegen Al-Hilal: Das ist ein Duell der Gegensätze. Hier ein lokaler Verein für Fussballromantiker, regional verankert, mit über 1000 Aktionären – die Fans können mitgestalten. Da ein Verein, der dem saudischen Staatsfonds (PIF) angeschlossen ist und seit der saudischen Fussballoffensive im Jahr 2023 quasi uneingeschränkte finanzielle Mittel zur Verfügung hat.
Die Rede ist dabei auch von Sportswashing. Sprich: Die Investitionen in internationale Stars sollen das Image Saudi-Arabiens weltweit aufpolieren. Kritiker sehen darin den Versuch, durch sportlichen Glanz von Menschenrechtsverletzungen, Repression und fehlender Meinungsfreiheit im Land abzulenken.
Auch beim FC Aarau ist man sich dessen bewusst und hat sich mit der moralischen Frage auseinandergesetzt. «Al-Hilal ist nicht unser Partnerverein, lediglich ein Testspielgegner. Aber natürlich war uns bewusst, dass das politische Thema auf den Tisch kommt. Meiner Meinung nach lenkt das Geld, das da in den Fussball investiert wird, nicht von Problemen ab. Eher hilft die Aufmerksamkeit, Missstände sichtbar zu machen. Und Sichtbarkeit kann ein wichtiger Schritt zur Veränderung sein.»
Burki führt aus: «Wir wollen Sportswashing nicht schönreden, aber solches Geld ist überall im Fussball drin. Wo zieht man da die Grenze? Andere Gegner haben auch fragwürdige Sponsoren – sogar in der Schweiz.»
Der FC Aarau hat allerdings auch positive Rückmeldungen erhalten, besonders beim jüngeren Publikum scheint das Auflaufen der Fussballstars im Brügglifeld gut anzukommen. Erste Ticketanfragen seien per Mail bereits eingetroffen, erklärt der CEO. Doch werden die grossen Namen wie Hernandez, Cancelo und Co. überhaupt antreten? Burki bestätigt: «Wir haben die Zusage, dass Al-Hilal mit den Topspielern anreisen und auch spielen wird.»
Unklar ist hingegen, wer am Sonntag für den FC Aarau auf dem Platz stehen wird. Die Bestformation wird es wohl nicht sein, denn nur einen Tag zuvor findet im Brügglifeld das Meisterschaftsspiel gegen Xamax statt. Eine Verschiebung wird der FCA nicht beantragen. Will heissen: Die internationalen Fussballstars des saudischen Rekordmeisters werden gegen eine Aarauer B-Elf antreten. «Wir haben das so mitgeteilt, aber für Al-Hilal ist das scheinbar kein Problem», sagt Burki. (riz/aargauerzeitung.ch)
So kann man Sportwashing auch relativieren.