Für die Fans des FC Liverpool war die Nachricht ein Schock. Jürgen Klopp, der Mann, der dem Klub den ersten Meistertitel seit 1990 gebracht und ihn zurück an die Spitze Europas geführt hat, tritt Ende Saison von seinem Amt als Trainer zurück. «Mir geht die Energie aus», teilte er der Fussball-Welt in einem 25-minütigen Interview mit der Vereins-Website mit. Deshalb brauche er eine Auszeit.
Für die Fans einer anderen Mannschaft bringt die Nachricht von Klopps freiwilligem Ende in Liverpool hingegen neue Hoffnung. Eigentlich bringt sie einem ganzen Land neue Hoffnung. Denn Klopp wäre der designierte Heilsbringer fürs deutsche Nationalteam, dessen Abschneiden in der Vergangenheit immer eng mit dem Gemüt des ganzen Landes verbunden war.
Der 56-Jährige könnte das Ansehen sowie die Beliebtheit bei und die Verbundenheit mit den Fans sofort wieder in die Höhe schnellen lassen. Schliesslich ist der «Normal One» nicht nur in England, sondern vor allem in seiner Heimat einer der populärsten Trainer der Gegenwart. Ausserdem ist es kein Geheimnis, dass gegenseitiges Interesse besteht.
Der Deutsche Fussball-Bund versuchte bereits mehrmals, Klopp als Nationaltrainer zu gewinnen. Sowohl auf Joachim Löw im Sommer 2021 als auch auf Hansi Flick im letzten Herbst sollte eigentlich der zweifache Welttrainer folgen. Nur stimmte in beiden Fällen das Timing nicht: Klopp hatte in Liverpool noch einen laufenden Vertrag, aus dem er nicht aussteigen wollte. Zu gross war der Respekt vor dem Klub, der Stadt und seinen Fans. Aus demselben Grund schliesst er auch ein weiteres Engagement in England aus.
Der Job als Nationaltrainer wäre hingegen auch für Klopp ein Traum. «Es ist und wäre eine grosse Ehre, das steht völlig ausser Frage», sagte er im letzten Oktober. Ganz so einfach wird es jedoch auch dieses Mal nicht. Zwar dürfte der Posten nach der Heim-EM wieder zu haben sein, Julian Nagelsmann wird dann voraussichtlich wieder in den Vereinsfussball zurückkehren. Doch Klopp will nach dieser Saison ein Jahr Pause machen. Das hat er seiner Familie versprochen.
Damit steht der DFB erneut vor einem Problem. Nagelsmann wird sich nicht dazu bereit erklären, ein weiteres Jahr an der Seitenlinie des Nationalteams zu stehen, um die Zügel nach der Hälfte der WM-Qualifikation an Klopp zu übergeben. Auch sonst wird es schwierig, eine Person zu finden, der die Trainerbank für Klopp ein Jahr lang warmhält. Es sei denn, Rudi Völler übernimmt das Amt als Interimscoach noch einmal für einige Spiele.
Jedoch ist auch nicht ganz auszuschliessen, dass Klopp seine Pause vorzeitig beendet. Auch nach seinem freiwilligen Rücktritt in Dortmund nach der Saison 2014/15 wollte er ein längeres Sabbatical einlegen – gut vier Monate nach seinem tränenreichen Abschied im Westfalenstadion heuerte er dann an der Anfield Road an. Und da die ersten Länderspiele nach der EM frühestens im September oder im Oktober stattfinden, erhielte er zumindest ein bisschen eine Verschnaufpause. Ausserdem ist ein Trainerjob als Nationaltrainer nicht ganz so zeitaufwendig wie jener bei einem Topklub.
Klopp lässt seine Zukunft offen. Anscheinend liebäugelt er gar mit dem Karriereende. In seiner Ansprache an die Liverpool-Fans sagte er am Freitag: «Wenn du mich fragst: Wirst du jemals wieder als Trainer arbeiten? Jetzt gerade würde ich sagen: Nein.»