Rattenplage und Plastik-Problem: Sind Nati-Spiele in der Romandie schon bald passé?
2003 eröffnet, zählt das Stade de Genève im Vorort Lancy zu den schönsten Fussballstadien der Schweiz. Mit einem Fassungsvermögen von 30'084 Plätzen ist es das drittgrösste hinter dem Basler St. Jakob-Park und dem Wankdorf in Bern. Und es war schon einige Male Schauplatz Schweizer Sternstunden. Zuletzt im vergangenen Sommer, als Riola Xhemaili beim 1:1 gegen Finnland die Schweizerinnen in der Nachspielzeit in den EM-Viertelfinal schoss und die Stimmung im Stade de Genève zum Kochen brachte.
Jubelnde Nati-Fans soll es in der Westschweiz auch heute Samstag geben: Gewinnt die Männer-Nati das Heimspiel gegen Schweden, hat sie dank des viel besseren Torverhältnisses als Verfolger Kosovo das WM-Ticket praktisch auf sicher. Fix ist die Qualifikation für die WM 2026 dann, wenn der Kosovo am Samstagabend weniger Punkte als die Schweiz holt. Das Spiel gibt es ab 20.45 Uhr bei watson im Liveticker.
In Genf also soll das sechste WM-Ticket in Folge eingetütet werden. Doch der Spielort gibt zu reden. Nicht wegen der Lage Genfs am südwestlichsten Zipfel der Schweiz, sondern wegen des Rasens im Stade de Genève. Der gibt zu reden – und aus Sicht des Schweizer Fussballverbands viel Anlass zur Sorge.
Ratten haben das Zepter übernommen
Die «Tribune de Genève» machte im September publik, dass im Stadion die Ratten das Zepter übernommen haben. Jeweils nachts krochen die Nagetiere hervor, zerbissen Kabel und bohrten Tunnels quer unter dem Rasen durch. Die Folge: Wochenlang musste der Platzwart die Schäden jeden Morgen aufs Neue beheben. Fallen und Gift haben lange nicht die erwünschte Wirkung gezeigt, weshalb sich der Schweizer Fussballverband angesichts des WM-Qualispiels gegen Schweden der Sache höchstpersönlich annahm und einen Rasen-Experten nach Genf entsandte.
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— Pascal (@Dudu13LS) October 29, 2025
Der heisst Pierre-Yves Bovigny, ist Professor an der Genfer Hochschule für Landschaft, Gestaltung, Ingenieurwesen und Architektur (Hepia) und sagte vor einem Monat: «In der Schweiz habe ich noch nie einen von Ratten befallenen Rasen gesehen. Natürlich ist die Situation für den SFV hinsichtlich der Qualität des Spielfelds besorgniserregend.»
Und wie sieht es wenige Tage vor dem kapitalen Nati-Spiel gegen Schweden aus? Gemäss Infos von CH-Media sind die Tiere zwar noch nicht vollends vertrieben, das Problem aber einigermassen im Griff. Die Spieler von Heimklub Servette Genf lassen verlauten, dass der Rasen ihnen das Fussballspielen nicht mehr nennenswert erschwere.
Schweizer Plätze für zu schlecht für Nati-Stars
Wie das zu deuten ist? Nun: Die Nati-Stars Xhaka, Akanji und Co. sind von ihren Klubs und Ligen eine Platzqualität gewohnt, mit der fast alle Schweizer Stadien nicht mithalten können. Vor zwei Jahren beschwerte sich Xhaka über einen Trainingsplatz im Wallis, an dem ein Profi des FC Sion wohl nichts auszusetzen gehabt hätte.
Immerhin: Die Forderung von Murat Yakin nach einem einigermassen ebenen Platz im Stade de Genève dürfte erfüllt werden. Jedenfalls bei Anwendung des Massstabs, dass das Grün in Genf schon vor der Ratten-Invasion nicht zur «Rasen-Champions-League» gehörte und im Spätherbst die Fussballplätze generell holpriger werden.
Bleibt aus Nati-Sicht zu hoffen, dass die Ratten in den nächsten Stunden kein Comeback feiern, der Weg an die WM 2026 stolperfrei bleibt und nach den Frauen auch die Männer in Genf jubeln können. Dem Publikum in der Romandie ist es zu wünschen, denn das Schweden-Spiel könnte einer der letzten Auftritte einer Schweizer Nati in Genf sein.
Man diskutiert über Kunstrasen
Im Hintergrund nämlich diskutieren Vertreter von Servette Genf und der Stadt den Wechsel im Stade de Genève von Natur- auf Kunstrasen. Die Pläne sind fortgeschritten, der Treiber sind geringere Unterhaltskosten. Ratten? Würden einer Plastikfläche sicher eher fern bleiben als dem organischen Grün.
Erhält das Stade de Genève bald einen Kunstrasen, wäre dies das Ende von Nati-Auftritten in Genf. Der Verband schliesst Spiele der A-Teams auf Kunstrasen kategorisch aus. Mehr noch: Die Nationalteams würden komplett aus der Romandie verschwinden. In Neuenburg und Lausanne liegt schon heute Kunstrasen. Und die Stadien in Sion und Yverdon erfüllen die Anforderungen höchstens für Spiele gegen Fussballzwerge wie Andorra oder Malta …
Erst die Ratten, jetzt der Plastik. Verbandspräsident Peter Knäbel macht die Entwicklung in Genf Sorgen, er sagt zum Kunstrasen-Plan: «Das wäre schlimm. Für mich ist es undenkbar, dass die Schweiz nicht mehr in der Romandie spielen würde. Denn genau darum geht es, wenn ein Kunstrasenplatz installiert wird. Wir wollen in der Romandie sichtbar sein. Das ist eine nationale Frage!» (aargauerzeitung.ch)
