Nicolas Haas ist mitgeflogen nach Udine, doch das 1:1-Remis seiner Kollegen von Empoli verfolgt er an diesem Mittwoch nur als Zuschauer. Für einen Einsatz hat es nicht gereicht für den Mittelfeldspieler, plötzlich ist dieses verflixte rechte Knie angeschwollen. «Ein kleiner Rückschlag, mehr nicht», relativiert er am Telefon.
Es soll nichts am grossen Bild ändern: Haas ist zurück. Und er ist endlich dort angekommen, wo er schon so lange hinwollte: in der Serie A, als Stammspieler. Dem 26-Jährigen aus dem luzernischen Mauensee ist die gute Laune durchs Telefon anzumerken. Er sei dankbar, dass er nun wieder Fussball spielen dürfe, sagt er.
Hinter dem Spieler Empolis liegt eine schwierige Zeit. Nach dem Aufstieg mit Empoli 2021 etabliert sich Haas endlich als Serie-A-Spieler, reisst sich aber kurz vor Jahresende das Kreuzband im rechten Knie. Was folgt, ist eine strenge Reha und ein langer Kampf zurück. «Erst in solchen Situationen zeigt sich, wie gut die Mentalität ist. Denn beim Krafttraining jubeln keine Fans zu.»
Haas entflieht aus der Toskana, päppelt sich in Luzern wieder auf. Zu Hause umsorgen ihn seine Eltern, beides Osteopathen. «Die Luftveränderung hat mir sehr gutgetan. In dieser Zeit näher bei der Familie und den Freunden zu sein, war wichtig. Zudem wusste ich, dass ich lange den Fussballplatz nur aus der Ferne sehen würde.»
Seit Anfang Saison ist Haas zurück, «reifer und besser als vor der Verletzung». Nun spielt er bei Empoli in der Serie A regelmässig und überzeugt mit guten Auftritten. Am 15. Oktober gelingt ihm gegen Monza der Siegtreffer zum 1:0. Nun ist er Serie-A-Torschütze. Endlich.
Nicolas Haas spielt schon fünfeinhalb Jahre in Italien. 2017 hat der zentrale Mittelfeldspieler als 21-Jähriger den FC Luzern verlassen, um sich in der italienischen Topliga durchzusetzen. Doch Atalanta Bergamo ist ein grosser Schritt. In seiner ersten Saison kommt Haas kaum zum Zug, danach folgt eine Leih-Odyssee in der Serie B.
Haas spielt bei Palermo, als der Klub zwar um den Aufstieg kämpft, am Ende der Saison aber wegen Bilanzfälschungen den Gang in die Serie D antreten muss. Er spielt bei Frosinone, als der Aufstieg knapp verpasst wird. Ehe es 2021 mit Empoli schliesslich klappt mit dem Sprung in die Serie A.
In der Aufstiegssaison erzielt Haas in 34 Partien vier Tore und gibt fünf Assists. Danach übernimmt Empoli Haas für zwei Millionen Euro fix. Er sagt, bei Empoli spüre eine riesige Wertschätzung. «Die Leute hier vertrauen mir.» Und fügt an: «Ich weiss auch, wie es anders ist.»
Schon beim FC Luzern hatte Haas nicht nur Fürsprecher. Als er 2017 nach 55 Super-League-Spielen entschied, nach Bergamo zu wechseln, gab es für den damaligen Captain des U21-Nationalteams Kritik. Sein Trainer Markus Babbel sagte damals gegenüber CH Media: «Einige Spieler überschätzen sich. Wenn Haas Luzern verlassen möchte, kann er das, aber er genügt noch nicht für eine bessere Liga.»
Obwohl Babbel mit seinen Worten zunächst recht behalten sollte, bereut Haas seinen Entscheid rückblickend nicht. «Wenn man einen Schritt machen möchte in seiner Karriere, muss man auch mutig sein und aus der Komfortzone treten. Ich hätte damals im gemachten Nest in Luzern bleiben können, aber ich bin extrem froh, dass ich den Wechsel durchgezogen habe. Ich habe seither in Italien viele gute und viele schlechte Erfahrungen gesammelt – und bin allen dankbar. Denn sie haben mich weitergebracht.»
Spielt Haas in der Serie A konstant gut, könnte es für ihn, der alle U-Nationalteams durchlaufen ist, sogar noch mit einem Nati-Aufgebot klappen. Doch mit solchen Träumereien beschäftigt sich Haas nicht mehr. «Ich bin davon weggekommen, mir Ziele zu setzen und von der Zukunft zu träumen. Ich bin wegorientiert: Für mich geht es darum, jeden Tag das Beste aus mir herauszuholen.» Sobald die Schwellung in seinem Knie abgeklungen ist, wird das Nicolas Haas wieder versuchen.