Vor wenigen Tagen trafen sich die Meisterhelden wieder. Im Restaurant «Nonna» in der Aarauer Altstadt stiessen sie bei Pasta und Bistecca auf den Titelgewinn vor 30 Jahren an. «Die meisten sind gekommen, es gab nur wenige Absagen», sagt Petar Alexandrov.
Der heute 60-jährige Ex-Stürmer lebt noch immer in der Nähe von Aarau. Auch viele andere des Meisterteams von 1993 wohnen in der Region. «Unsere Mannschaft bestand zu einem grossen Teil aus Einheimischen. Das hat es Auswärtigen wie mir erleichtert, sich zu integrieren», blickt Alexandrov zurück.
Man kann sagen, es war eine Gruppe von Freunden, die da vor 30 Jahren in der Finalrunde von Platz fünf aus zum sensationellen Titel stürmte, nachdem der FCA im Jahr zuvor nur um Haaresbreite am Abstieg vorbeigeschrammt war. Es sind Freundschaften, die geblieben sind. «Wir treffen uns regelmässig, manchmal auch mehrmals im Jahr», so Alexandrov. David Bader, der noch bis zur GV vom nächsten Montag dem Verwaltungsrat des FC Aarau angehört, ist jeweils der Organisator.
Aber wie ist das nun genau? Ist der Kitt noch heute so stark, weil sie zusammen diesen unglaublichen Erfolg feierten? Oder war der Erfolg damals möglich, weil der Kitt im Team so stark war? «Das zweite ist der Fall», so Alexandrov. Schon damals sei man nach Trainings und Spielen zusammen essen gegangen. «Bernd Kilian, unser Captain, hat immer wieder ein neues Restaurant in der Region ausgesucht, in welchem wir uns getroffen haben.» Nach den Spielen am Samstag besuchte man ausserdem gemeinsam die Disco «Concorde» im Aarauerhof beim Bahnhof.
Petar Alexandrov sitzt in der Lounge der Brügglifeld-Tribüne und erinnert sich an die Meistertage vor 30 Jahren. Er benennt Details, als sei dies alles erst letzte Saison geschehen. Und immer wieder erwähnt er die Baumeister: den vor etwas mehr als einem Jahr verstorbenen Präsidenten Ernst Lämmli sowie den Sportchef Fredy Strasser. Und natürlich den Trainer, Rolf Fringer. 36 Jahre alt damals und erstmals als Coach in der Nationalliga A engagiert. Fringer habe «einfach immer alles richtig gemacht», so Alexandrov. «Dabei war er ganz allein. Er hatte nur einen Assistenten, Ruedi Zahner, aber dieser war nicht bei allen Trainings dabei.»
Alexandrov erzählt auch, wie sie gestärkt aus dem winterlichen Trainingslager in Malaysia zurückkehrten, «weil wir dort richtig intensive Testspiele vor vielen Zuschauern gegen Nationalteams absolvieren konnten». Oder wie er im Auswärtsspiel in Lausanne bei der einzigen Niederlage in der gesamten Finalrunde die Rote Karte sah und für sechs Spiele gesperrt wurde.
Die Sperre wurde dann auf vier Spiele reduziert. In diesen Partien schoss Aarau nur zwei Tore und gab zwei Mal Punkte ab. «Aber danach war ich umso besser in Form», schmunzelt Alexandrov. In den beiden folgenden Spielen daheim gegen Lausanne-Sport (3:0) und in Bern gegen die Young Boys (4:1) schoss er sechs Tore. Es waren die Siege, welche rund um den FC Aarau alle Dämme brechen liessen. Schon vor der drittletzten Runde und dem Heimspiel gegen Sion druckte das «Aargauer Tagblatt» eine acht Seiten umfassende Beilage mit dem Titel «Auf Meisterkurs».
Und es kam dieser Samstag, 5. Juni 1993, der zur Legende wurde. Nicht bloss im Aargau, sondern im gesamten Schweizer Fussball. Es war der Tag, als der FC Aarau nicht nur Meister, sondern zum ersten «Sofa-Meister» der Schweiz wurde. Oder besser: Schalensitzmeister. Nachdem Sion im Brügglifeld 2:1 geschlagen worden war, fuhren die Spieler im Car in den Zürcher Letzigrund. Dort empfing der FC Zürich den letzten verbliebenen Aarauer Konkurrenten Servette. Ein Zürcher Sieg – und Aarau wäre Meister.
Und genau so kam es auch. Nach dem 3:2-Erfolg des FCZ stiegen die Aarauer von ihren harten Schalensitzen auf der Gegentribüne auf den Rasen hinab und liessen sich von den über tausend ebenfalls nach Zürich gereisten Fans feiern.
An die Rückfahrt zu später Stunde nach Aarau erinnert sich Alexandrov ebenfalls lebhaft. «Der Chauffeur nahm eine andere Route bei der Anfahrt auf Aarau, und als wir realisierten, dass er in die Innenstadt fahren würde, dachten wir: Was wollen wir dort nach Mitternacht? Ist ja alles ausgestorben.»
Aber es war ganz anders. Die ganze Stadt schien auf den Beinen, der Bus kam nur im Schritttempo voran. «König Fussball hatte im Aargau die Macht für kurze Zeit übernommen», schrieb das «Aargauer Tagblatt» am folgenden Montag. In einer weiteren Sonderbeilage zum Aarauer «Fussballmärchen». Märchen? Vielleicht war es einfach nur die Kraft der Freundschaft.