Jetzt ist Ihr Rücktritt beschlossene Sache. Sie fahren im September die WM in Crans Montana, danach den Weltcup auf der Lenzerheide und dann ist Schluss. Ist das ein perfekter Rücktritt?
Nino Schurter: Ja, das könnte man sagen. Ich habe 2003 mit einer Weltmeisterschaft im eigenen Land (in Lugano) angefangen und jetzt fahre ich meine letzte WM in Crans-Montana. Und dann logischerweise der Karriereabschluss auf der Lenzerheide, wo ich Rekorde brechen durfte und Weltmeister wurde. Als es zur Diskussion stand, dass die Lenzerheide wieder einen Weltcup austragen wird, war für mich eigentlich klar: Das wäre der perfekte Abschluss.
Sie haben im Mountainbike ja alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt, eigentlich hätten Sie längst aufhören können. Leiden Sie so gerne?
Ja, ich bin halt schon ein Wettkampftyp. Ich mag es, mich zu messen. Über Jahre hinweg habe ich alles dem Erfolg untergeordnet. Aber langsam merke ich, dass es noch andere Dinge gibt, die ich gerne machen würde im Leben.
Was denn?
Ab und zu würde ich gerne mit meiner Tochter wandern gehen, zum Beispiel. Das wäre aber nur an einem Ruhetag möglich. Und da vier Stunden Wandern gehen, ich weiss es ja nicht. Da fehlt am nächsten Tag die Frische und die Trainingsqualität leidet.
Das klingt anstrengend – wollten Sie mal alles hinschmeissen?
Während Corona habe ich mich öfter hinterfragt. «Wozu mache ich das alles eigentlich?», schwirrte dann durch meinen Kopf. Dort gab es schon eine eher schwierige Zeit. Und auch jetzt, als es dem Ende zuging, musste ich mich öfters mal aktiv motivieren, um zu trainieren. Auch wenn es nur noch ein Jahr geht.
Die Spitze ist dichter geworden…
Definitiv, wenn du mal nicht mehr am Ball bist, dann fehlst du. Mittlerweile ist das Niveau im Weltcup so hoch, dass man sich keine Fehler leisten kann. Aber es steckt auch eine Genugtuung dahinter, wenn es dann doch aufgeht.
Bereuen Sie etwas?
Nein, es lief alles so gut. Aber die letzten zwanzig Jahre war die Frage: «ist das jetzt gut für meine sportlichen Ziele?» eigentlich immer mein erster Gedanke.
Worauf sind Sie stolz?
Ich konnte mich mit dem Sport mitentwickeln und mit dem Sport wachsen. Als junger Profi habe ich extrem stark von Thomas Frischknecht profitiert. Überhaupt war die Kultur im Team immer auf Optimierung und Anpassung ausgerichtet. Denn mein Team arbeitet eng mit dem Bikehersteller Scott zusammen. Scott steht für Racing, für tüfteln, damit identifiziere ich mich.
Welche Projekte laufen schon für nach der Karriere?
Ich bin auch nächstes Jahr noch bei Scott als Fahrer dabei. Vielleicht fahre ich das Cape Epic Rennen mit meinem Teamkollegen Filippo Colombo. Oder auch einige Gravel Rennen, die werden ja immer populärer.
Wird Nino Schurter der erste Schweizer Gravel-Weltmeister?
Ich muss sehen, wie ambitioniert ich fahren werde. Ich will ja nichts halbpatziges machen. Wenn ich das Cape Epic fahre, soll Filippo als mein Partner keine Gurke am Hinterrad haben. So ist das auch beim Gravel, da ist die Spitze auch sehr stark. Bestimmt werde ich als Ambassador für Sram oder Scott an Rennen sein. Ich brauche den Wettkampf nicht mehr unbedingt. (aargauerzeitung.ch)