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Koeman gibt Medienkonferenz, ohne sich einer einzigen Frage zu stellen

Heute keine Lust auf Fragen: Ronald Koeman.
Heute keine Lust auf Fragen: Ronald Koeman.bild: fc barcelona

Koeman verwirrt mit Nicht-PK – und verrät, wie Messi im Training war

22.09.2021, 14:4622.09.2021, 15:03
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Nach dem enttäuschenden Start in die Saison steht Barcelona-Trainer Ronald Koeman bereits stark in der Kritik. Ohne Superstar Lionel Messi war Barça nach dessen Weggang zu PSG in der Champions League chancenlos, in der Liga läuft es auch eher harzig. Zuletzt rettete ein Tor in der 90. Minute die Katalanen vor einer Niederlage gegen Granada. Nach vier Runden liegt der stolze Traditionsverein nur auf Rang 8.

Ob ein anderer Trainer beim finanziell angeschlagenen Klub im Umbruch gerade erfolgreicher wäre, sei dahingestellt. Fakt ist: Der Trainer heisst Ronald Koeman. Und der Niederländer muss nun den zunehmend kritisch eingestellten Reportern gegenüber begründen, weshalb es dem grossen FC Barcelona nicht läuft.

Keine Fragen, nur ein Statement

Am Mittwochmittag erschien Koeman zu einer Medienkonferenz – und liess dabei verwirrte Journalisten zurück. Denn der 58-Jährige setzte sich eine Brille auf und trug knapp drei Minuten lang ein vorbereitetes Statement vor. Dann nahm Koeman die Brille wieder von der Nase und verliess den Raum, ohne sich den Fragen der Reporter zu stellen.

Koemans Kernbotschaft: Man solle Barcelona bitte die nötige Zeit geben, um die Krise zu überstehen und wieder alte Grösse erlangen.

Barça drückt ein gewaltiger Schuldenberg. Im August nannte Klubpräsident Joan Laporta die Summe von 1,35 Milliarden Euro. Die wirtschaftliche Situation sei dramatisch.

«Das braucht Zeit»

Dies sprach auch Trainer Koeman in seinem Statement an. «Der Verein befindet sich mit mir als Trainer in einer Situation des Wiederaufbaus», erinnerte er und machte klar, dass im Camp Nou vorderhand kleinere Brötchen gebacken werden müssen. «Die finanzielle Situation des Vereins ist mit den sportlichen Aktivitäten verbunden und umgekehrt. Das bedeutet, dass wir als Team die Fussballmannschaft neu aufbauen müssen, ohne grosse finanzielle Investitionen tätigen zu können, das braucht Zeit.»

epa09481208 FC Barcelona's head coach Ronald Koeman (2-R) watches his players during a training session of the team at Sant Joan Despi Sports Complex in Barcelona, Spain, 22 September 2021. EPA/E ...
Koeman schaut seinen Spielern beim Aufwärmen zu.Bild: keystone

In der Sommerpause gab Barcelona aus finanziellen Gründen nicht nur den sechsfachen Weltfussballer Lionel Messi ab, auch Weltmeister Antoine Griezmann verliess den Klub. Der Franzose ging zurück zu Atlético Madrid. Nun sollen Talente aus der berühmten Nachwuchsabteilung La Masia übernehmen – doch das benötigt Zeit.

«Die jungen Talente von heute könnten in ein paar Jahren die nächsten grossen Weltstars sein», sagte Ronald Koeman. «Um diese Mannschaft wieder aufzubauen, müssen junge Spieler Chancen bekommen, so wie Xavi und Andrés Iniesta zu ihrer Zeit. Aber wir müssen um Geduld bitten.» Die erwähnten Mittelfeldspieler waren jahrelang Taktgeber von Barcelona und der spanischen Nationalmannschaft zu ihren besten Zeiten mit einem WM- und zwei EM-Titeln.

Löw als möglicher Nachfolger gehandelt

Koeman glaubt, dass die Medien sich der Situation des Klubs bewusst sind. «Es ist nicht das erste Mal in der Geschichte des FC Barcelona, dass so etwas passiert. Wir zählen auf die Unterstützung aller in dieser schwierigen Zeit.» Die Anhänger bereitete er auf eine Durststrecke vor. «Es wäre ein Erfolg, wenn wir in der Liga eine gute Platzierung erreichen würden. In der Champions League können wir nicht auf Wunder hoffen», sagte der 58-Jährige. Beim 0:3 gegen Bayern München zum Auftakt war Barcelona im eigenen Stadion derart chancenlos, dass es nicht einen einzigen Schuss aufs gegnerische Tor abgab.

Wenngleich Koeman sagt, dass die Medien den Umbruch verstehen würden, steht er in der Kritik. Kandidaten für seine Nachfolge werden bereits gehandelt – und einer davon ist etwas überraschend Joachim Löw. Der langjährige deutsche Bundestrainer, Weltmeister 2014, erzählte bereits im Frühling, dass er Spanisch lerne. Und Löw sagte auch, dass er nach der EM nur eine Pause einlegen wolle, und dass er nicht ans Aufhören denke. Trainer, die mit Barça in Verbindung gebracht werden, sind auch Antonio Conte, Andrea Pirlo und Klublegende Xavi.

Messi: «Nicht normal, nicht normal!»

Bevor er auf der Pressekonferenz den Reporterfragen aus dem Weg ging, antwortete Koeman in einem Interview auf solche der Zeitung «Voetbal International». Unter anderem gab er interessante Einblicke in den Alltag mit Lionel Messi, den er vergangene Saison trainierte. «Ich wusste, wie gut er ist, aber es ist trotzdem schön, das jeden Tag aus der Nähe zu sehen», sagte Koeman. «Alles, was man einem Fussballspieler beibringen möchte, wie man Situationen erkennt, wie man den Ball unter Druck annimmt, wie schnell er ist, wie er abschliesst – bei Messi ist alles eine Zehn. Nicht normal, nicht normal!»

epa08942354 FC Barcelona's head coach Ronald Koeman (R) and striker Lionel Messi (L) during a training session of the team on the eve of their Spanish Supercup final match against Athletic Bilbao ...
Im Training so überragend wie im Match: Lionel Messi.Bild: keystone

Auch wenn es beim Argentinier oft so leicht aussieht, steckt auch bei ihm viel harte Arbeit dahinter. «Wenn wir eine Abschlussübung machten, gab es manchmal Spieler, die anfingen, leichte Bälle zu schlagen, ein bisschen herumzualbern. Aber bei Messi war alles bumm, bumm, bumm, bumm. Niemals Schnickschnack, alles funktional. Und er wollte immer alles gewinnen», schilderte Koeman.

In Sachen Fussballintelligenz stellte Koeman Messi auf eine Stufe mit der niederländischen Ikone Johan Cruyff. Sein Assistent habe die Übungen manchmal auf Englisch erklärt und Messi spreche das nicht so gut. «Aber nach ein paar Sekunden wusste er Bescheid.»

Dass der «Zauberfloh» nicht mehr dabei ist, wiegt auf dem Feld natürlich schwer. Andererseits ist es für Barcelona wohl auch die grosse Chance, den Neuaufbau wirklich seriös zu betreiben. «Messi hat vieles überdeckt», weiss Koeman. «Er war sehr gut und dank ihm schienen alle anderen besser zu sein. Das ist keine Kritik, sondern eine Beobachtung.» (ram)

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