Ja, die Young Boys haben sich nicht lumpen lassen und den Meistertitel gebührend gefeiert. Nicht exzessiv, aber schon sehr ausgiebig. Einfach angemessen nach einem Triumph, auf den man 32 Jahre hat warten müssen. Gut möglich, dass deshalb Ende Mai im letzten Spiel der Saison die ganz grosse Spannung nicht mehr vorhanden war und der Cupfinal gegen den FCZ auch deshalb mit 1:2 verloren ging.
«Die letzten Wochen vor der Sommerpause haben ganz schön an den Kräften der Spieler gezehrt, berichtet Sportchef Christoph Spycher. «Man sah dies gut in ihren Gesichtern, bevor es in die Ferien ging.»
Acht Wochen später und mit frisch aufgeladenen Batterien brennt YB nun aber auf den Saisonstart am Sonntag im Stade de Suisse gegen die Grasshoppers. Und offenbar tun dies auch seine Fans. 15'000 Saisonabonnements haben die Berner verkauft und damit einen neuen Rekord aufgestellt.
Das sieht doch toll aus 😀😀😀
— BSC Young Boys (@BSC_YB) 18. Juli 2018
Infos gibt es hier: https://t.co/8YXwu8ygWd pic.twitter.com/p0Id9HBWuK
Gönner und Kids-Club-Mitglieder eingerechnet, steht YB somit bei fast 17'300 Vereinsmitgliedern – ein absoluter Rekordwert in der 120-jährigen Klubgeschichte. Überhaupt läuft es im kommerziellen Bereich wie geschmiert, wie der CEO Wanja Greuel zu berichten weiss. So konnten etwa bei den Sponsoren zwei neue Goldpartner hinzugewonnen werden.
Einnahmen sollen, wie sich dies in einer Ausbildungsliga wie der Super League geziemt, natürlich auch durch Transfers generiert werden. Ein Muss ist dies im Moment aber nicht. «Es gibt keinen wirtschaftlichen Druck, der uns zu Verkäufen drängt», sagt Spycher. Auch eine Direktive der Besitzerfamilie Rhis, den gestiegenen Marktwert der Meisterspieler in bare Münze umzuwandeln, bestehe nicht.
So mag es vielleicht zum aktuellen Zeitpunkt, ein paar Tage vor dem Meisterschaftsstart, überraschen, dass noch keiner der Titelhelden Bern verlassen hat. Weder Kasim Nuhu, Kevin Mbabu noch Roger Assalé, welche als erste Kandidaten für einen Wechsel in eine grosse Liga gehandelt werden. Spycher lässt indes keinen Zweifel daran, dass dies aber bis zum internationalen Transferschluss am 31. August jederzeit noch passieren kann.
«Vielleicht haben wir sogar schon eine veränderte Situation, wenn wir in einer Stunde den Medienraum verlassen», schmunzelt Spycher. Der 40-Jährige gibt aber klar zu verstehen, dass ein Transfer nur dann vollzogen wird, wenn er für YB finanziell lukrativ ist. Doch es gebe nicht nur die Ablösesumme, die stimmen müsse. «Es kommt zum Beispiel nicht infrage, dass uns ein wichtiger Spieler am Tag vor den Playoff-Spielen zur Champions League verlässt», betont Spycher.
Ja, die Champions League! Nach GC, Basel, Thun und dem FC Zürich möchten auch die Young Boys endlich einmal in der Königsklasse mitspielen und an den gut gefüllten Fleischtöpfen partizipieren. «Das ist ein Traum, ganz klar», sagt Spycher, «das wäre für YB eine grosse Geschichte. Wir werden alles dafür tun, um dieses Ziel zu erreichen. Aber wir wissen, dass wir dafür zwei perfekte Spiele brauchen, egal, wer der Gegner sein wird.»
Klarheit darüber wird am 6. August herrschen, wenn die Auslosung ergibt, ob YB am 21./22. August und am 28./29. August gegen PSV Eindhoven, Red Bull Salzburg, Ludogorets Razgrad oder Celtic Glasgow antreten muss. Deren Qualifikation in der dritten Ausscheidungsrunde vorbehalten. Nur YB und Eindhoven stehen als Meister aus der Schweiz und Holland bereits sicher im Playoff.
Das neue YB-Teambild: https://t.co/anrWtenCaW #BSCYB pic.twitter.com/TqrcCMBskS
— BSC Young Boys (@BSC_YB) 18. Juli 2018
Das YB-Kader ist nach den Zuzügen von Mohamed Ali Camara (Hapoel Raanana), Ulisses Garcia (Nürnberg), Jan Kronig (U21), Sandro Lauper (Thun) und Léo Seydoux (U21) mit 26 Profis derzeit üppig gefüllt. Dies, weil Marco Bürki (Zulte Waregem) bisher der einzige Abgang ist. «Wir werden sicher niemanden vom Hof jagen», sagt Spycher. «Ich bin glücklich, dass noch alle da sind.»
Jenen Spielern, die noch auf einen grossen Transfer hoffen, hat er allerdings klargemacht, dass er von ihnen ein korrektes Verhalten erwarte. Will heissen: Dass sie sich voll und ganz für YB engagieren, solange sie Gelb-Schwarz tragen. Einen Fall wie vor einem Jahr mit Yoric Ravet soll es nicht mehr geben. Der Franzose hatte sich für das Spiel gegen Thun unter fadenscheinigen Gründen abgemeldet, um nicht durch eine Verletzung seinen Transfer in die Bundesliga zu gefährden. «Wir lassen uns nicht erpressen», sagt Spycher.
Natürlich hat die YB-Führung die Gefahr antizipiert, dass sich nach dem Titelgewinn Zufriedenheit breitmachen und der Hunger nach Erfolg nicht mehr ganz derselbe sein könnte. «Wir haben dem Team gleich am ersten Tag klargemacht, dass wir noch mehr leisten müssen als in der letzten Saison, wollen wir erneut erfolgreich sein», sagt Spycher. «Als Meister können wir jetzt schlecht sagen, wir wollen Zweiter oder Dritter werden. Wir alle sind von einem positiven Ehrgeiz getrieben.»
YB sei als Klub aber noch nicht auf der gleichen Höhe wie Basel. Das habe der Transfer von Silvan Widmer zu Basel gezeigt. «Da müssen wir uns gar nicht erst an denselben Tisch setzen, um mitzubieten», sagt Spycher, der von der Arbeit des neuen Trainers Gerardo Seoane sehr angetan ist und diesen dafür lobt, wie er der Mannschaft in der Vorbereitung alles abverlangt habe.
Zeit, um den Titelgewinn zu geniessen, hat Spycher bisher allerdings nicht gefunden. «Es gibt so viel zu tun. Vermutlich werde ich erst in der Nati-Pause im September zum Reflektieren kommen», sagt der Familienvater. Er blickt dabei aber nicht so in die Welt, als wäre er ein unglücklicher Mann.