Bevor überhaupt ein Europacup-Spiel gespielt wurde, ist die Schweiz abgerutscht. Der Fall von Rang 12 auf Rang 17 der Fünfjahreswertung fusst auf dem Löschen der Saison 2019/20, welche aus der Wertung fällt und den Punkten für die aktuelle Saison, in der die Schweiz noch ohne Zähler ist.
Um weiterhin fünf Europacupteilnehmer zu stellen, müsste die Schweiz mindestens zwei Plätze gut machen. Nach Lugano, das am Dienstag in der 2. Runde der Champions League Qualifikation gegen Fenerbahce 3:4 verlor, steigen in dieser Woche auch der FC St.Gallen (gegen den kasachischen Cupsieger Tobol Kostanay) und der FC Zürich (gegen den irischen Meister Shelbourne FC) in die 2. Runde der Qualifikation für die drittklassige Conference League ein. Meister YB und Cupsieger Servette beginnen im August in den Playoffs zur Champions League und der 3. Runde der Europa-League-Qualifikation.
Zugegeben: Lohn für eine tolle Saison ist der Europacup zumindest in der Qualifikationsphase nur selten. Dass Lugano sein Heimspiel wegen strenger Uefa-Stadion-Regularien auf Thuner Kunstrasen austragen muss – notabene vor 5000 Fenerbahce und 300 Tessiner Fans – ist ein Ärgernis. «Wir hassen das Plastik noch mehr als es Mourinho tut», sagte Lugano-Trainer Mattia-Croci Torti, nachdem der neue Fenerbahce-Coach zuvor erklärt hatte, er würde als Uefa keine Champions League auf Plastik erlauben.
Die vielen englischen Wochen zu Saisonbeginn – wenn die Kader noch nicht stehen und die Fitness noch nicht auf dem besten Level ist – wirken sich zudem oft negativ auf die Leistungen aus. Servette gewann vor einem Jahr in der Qualifikationsphase (vier Spiele) kein einziges Ligaspiel.
Ähnlich erging es auch dem FC Basel, der zum Auftakt in die Saison 2022/23, welche am Ende im Conference-League-Halbfinale endete, erst nach dem sechsten Quali-Spiel auch drei Tage später in der Liga gewinnen konnte. Zudem erschwert sich die Transfer-Planung, da potenzielle Neuzugänge wissen wollen, ob der Verein auch im Herbst noch europäisch spielt.
Geld gibt es in der Qualifikation kaum zu verdienen. 100'000 Euro zahlt die Uefa fürs Weiterkommen pro Runde an Reisespesen. 350'000, 550'000 oder 750'000 Euro gibt es im Falle eines Ausscheidens in der 2., 3. oder Playoff-Runde für den FCZ oder den FCSG. Erst mit dem Erreichen der Gruppenphase fliessen die Millionen. Wobei die Conference League gemäss FCB-Präsident David Degen erst ab dem Viertelfinale finanziell lukrativ ist. In Basel sind allerdings die Kosten für die Organisation eines Heimspiels auch grösser als beispielsweise in St.Gallen.
Hier gehts zum detaillierten Verteilerschlüssel der Uefa.
Auch die Fans lässt die Conference League im Vergleich zur Liga vielerorts eher kalt. Das 19.30 Uhr-Hinspiel des FC Basel gegen Tobol Kostanay wollten vor einem Jahr nur 12'287 Fans im Stadion sehen. Drei Tage später wurden gegen Winterthur 21'370 Tickets verkauft, was auch bei einer No-Show-Quote von 30 Prozent noch rund 2000 Menschen mehr wären. Lugano muss im Exil in Thun, Zürich, Luzern, Genf oder St.Gallen ganz auf den Heimvorteil verzichten und auch in Zürich kamen in der Europa League vor zwei Jahren sowohl in Qualifikation als auch in der Gruppenphase deutlich weniger Menschen an internationale Heimspiele als an Ligaheimspiele.
Lediglich bei Servette (immer über 12'000 und in der Spitze sogar 28'000 Fans in der abgelaufenen Conference-League-Saison/Ligaschnitt 7800) und YB in der Champions League stossen Europacupspiele aktuell auf mehr Interesse als der Ligaalltag.
Doch es gibt auch viele Punkte, warum sich der Europacup für die Schweizer Klubs lohnt. Der Wert der Champions League mit 17,87 Millionen Euro Startprämie und 700'000 Euro pro Punkt, attraktiven Gegnern und vollen Stadien ist logisch. Doch auch in der Europa oder Conference League profitieren die Teilnehmer. Vor allem aufgrund der Wertsteigerung. Gute Leistungen auf internationaler Bühne lassen Marktwerte und mögliche Transfererlöse steigen und machen auch den Klub als potenziellen Arbeitgeber attraktiv. Und auch für die Spieler ist der Europacup ein Karrierehighlight.
St.Gallens Präsident Matthias Hüppi stellt noch einen anderen Vorteil in den Vordergrund: «Die Reisen werden unser Team zusammen schweissen. Das kann sich positiv auf den Teamgeist und die Leistungen in der Saison auswirken.» Auch der neue Espen-Trainer Enrico Maassen, der am Donnerstag zum ersten Mal international im Einsatz ist, sieht in den vielen Spielen zu Saisonbeginn mehr Vor- als Nachteile: «So kann ich dem ganzen Kader Einsatzzeit geben und Spieler haben Matches ja auch lieber als Trainings», sagt der Deutsche.
Und auch wenn die Gegner zu Beginn Shelbourne oder Kostanay heissen, ermöglichen die Europapokalabenteuer auch den Fans Reisen, die man sonst nicht machen würde und an die man sich noch lange erinnern wird. (aargauerzeitung.ch)