Das Derby gegen den FC Baden hat ein Nachspiel. Für den FC Aarau. Und vor allem für Alex Frei. Was war geschehen? Der FCA-Trainer zeigte nach dem Schlusspfiff beim Verlassen des Kunstrasens im Badener Esp den Zuschauern auf der Haupttribüne den Mittelfinger. Es war seine Reaktion auf Beleidigungen und Provokationen von Seiten des Heimpublikums. Es war keine grosse, auch keine sehr auffällige Geste. Frei hielt sich den gestreckten Mittelfinger an den Rand seiner Mütze. Aber die Geste wurde halt doch registriert. Und vor allem gefilmt. Das Video ging am Donnerstagmittag via Blick in den sozialen Medien viral.
Mittelfinger und Derbys gehören zusammen. Sollte man die Kirche auch mal im Dorf lassen. Alex Frei hin oder her. #fcaarau #fcbaden pic.twitter.com/6rEf6fAK18
— Nik Dömer (@nikdoemer) February 1, 2024
Diese Aktion von Frei kann jeder für sich selber bewerten. Nach seinen eigenen Wertvorstellungen. Die Einträge in den Kommentarspalten gehen von «inakzeptabel» oder «unbelehrbar» bis zu «gar nicht schlimm» und «irgendwie verständlich». Keine Zweifel aber bestehen in der Suche nach den Gründen, weshalb es zu dieser Geste von Frei gegen die Badener Fans überhaupt kam. Ihr liegt keine persönliche Abneigung von Seiten von Frei gegen den Klub aus dem Ost-Aargau zugrunde. Sonst hätte er sich nach dem Derby nicht derart positiv über Aaraus Kantonsrivalen geäussert: «Das ist ein cooler Klub mit toller Ambiance im Stadion. Sie machen das mit ihren Möglichkeiten wirklich gut.»
Vielmehr lässt Freis Mittelfinger erahnen, wie viel Druck auf dem Aarauer Kessel vor dem Rückrundenstart und vor allem vor dem Derby war. Die Ausgangslage war gefährlich. Ein Fehlstart in den Spielen gegen Vaduz und Baden hätte den FC Aarau in der Challenge League tief in den Abstiegsstrudel hineingezogen.
Entsprechend war die Position von Trainer Frei in der Winterpause nicht gefestigt. Mit der Vorrunde war er nicht zufrieden. Die Klubführung war es auch nicht. Hätte Frei im Falle unbefriedigender Resultate gegen Vaduz und Baden die Zeche in Form einer Entlassung zahlen müssen? Es ist nicht auszuschliessen. Und dies hätte die Trainer-Karriere von Frei exakt ein Jahr nach seiner Entlassung beim FC Basel arg kompromittieren können.
Die Stimmung um und auf der Aarauer Bank war während des Derbys deshalb nervös – trotz des 1:0-Sieges vier Tage zuvor gegen Vaduz. Frei schimpfte mehrmals gegen die Schiedsrichterin Michèle Schmölzer. Sein Assistent Norbert Fischer suchte wiederholt das Gespräch mit dem vierten Unparteiischen. Und: Als der Schlusspfiff ertönte und der 2:1-Sieg in trockenen Tüchern war, machte die Anspannung bei Spielern, Betreuern und Trainer-Staff einem Jubel Platz, der über die grosse Freude über einen Derbysieg hinausging. Es war, als hätten die Aarauer soeben den Aufstieg realisiert.
Doch mit welchen Konsequenzen muss Frei nun von Seiten der Disziplinarkommission nun rechnen? Noch wurde kein Verfahren eröffnet. Es gibt in der Schweiz aber die Präzedenzfälle von Ottmar Hitzfeld und Mario Balotelli. Der frühere Nationaltrainer zeigte im Oktober 2012 dem Schiedsrichter beim Heimspiel in der WM-Qualifikation gegen Norwegen den Mittelfinger. Der italienische Stürmer provozierte vor anderthalb Jahren im Dress des FC Sion mit der gleichen Geste das Basler Publikum im St.-Jakob-Park. Beide, Hitzfeld und Balotelli, wurden von der Disziplinarkommission der UEFA beziehungsweise der Swiss Football League gesperrt. Hitzfeld für zwei Spiele, Balotelli für ein Spiel.
Hat er seriös reagiert? Überhaupt nicht. Aber wenn du und deine Mannschaft einen Abend lang durchs ganze Alphabet durchbeleidigt werden, muss man halt mit einer Reaktion rechnen. Fans die sich daran stören, würden besser mal in der Kurve den Moralapostel geben.