Es sind schwer ertragbare Bilder, die Aleksander Kilde in dieser Woche teilte. Der Norweger veröffentlichte ein Foto, das die tiefe, mehrere Zentimeter breite und bis auf die Knochen reichende Schnittwunde an seiner Wade zeigt. Und auch eines, auf dem die zweifach operierte und mit zahlreichen Stichen genähte Schulter zu sehen ist. Die Botschaft: Er will zurück in den Skiweltcup. Aber auch: Es wird kein leichter Weg werden. Zweifel bestehen.
Seit seinem schweren Sturz in Wengen vor gut drei Wochen hat sich Kilde nur über die sozialen Medien zu Wort gemeldet. Nun gab er erstmals im Rahmen einer Medienrunde Auskunft. «Als der Unfall passiert war, wurde viel geschrieben. Und eine ausgekugelte Schulter und eine Schnittwunde tönten ziemlich harmlos», sagt der 31-Jährige. «Ich las Kommentare, dass es schön sei, mich bald wieder auf den Pisten zu sehen. Aber eine baldige Rückkehr wird es nicht geben. Das wollte ich mit den Bildern zeigen.»
Kilde spricht davon, dass ihm manchmal der Respekt gefehlt habe. Dass viel spekuliert und seine Verletzungen verharmlost wurden. «Es ging vergessen, dass ich ein Mensch bin», sagt er. «Ich bin mir bewusst, dass der von mir geteilte Inhalt für einige grenzwertig ist. Aber mir ging es darum, Respekt für meinen Zustand zu erhalten und zu zeigen, wie es mir geht.»
Kilde war in der zweiten Lauberhornabfahrt im Ziel-S gestürzt und brutal in die Fangnetze geknallt. Seine Bergung dauerte lange. So lange, dass Schlimmstes befürchtet werden musste. Eine erste Entwarnung kam am Abend. Die Verletzungen seinen nicht lebensbedrohlich, schrieb der norwegische Verband auf Anfrage. Alles Weitere würde nicht kommentiert.
Kilde wurde noch am gleichen Tag in Bern operiert. Später wurde er per Helikopter nach Innsbruck verlegt, wo er ein zweites Mal an der Schulter operiert wurde. «Danach hatte ich Schmerzen, wie ich sie noch nie erlebt habe. Zehn von zehn», sagt er. Die starken Medikamente, die er in der Folge verordnet bekam, lösten Panikattacken aus. Es war nicht das Einzige, das ihm zu schaffen machte. Durch die Schnittwunde an der Wade wurden so viele Nerven beschädigt, dass er die Zehen lange nicht fühlen konnte.
Heute, drei Wochen später, sagt er: «Es war eine harte Zeit, aber jetzt lächle ich wieder. Die Prognose ist gut. Es wird aber Zeit brauchen und Zeit ist etwas, das ich habe.» Kilde betont aber gleichzeitig, dass es ihm hierbei nicht darum gehe, wann er wieder Ski fahre. «Es geht darum, wann ich wieder gehen und ein einigermassen normales Leben führen kann.» Weil der Norweger sein Bein nicht belasten kann, sitzt er im Rollstuhl. Und weil die linke Schulter nach den Operationen noch bewegungsunfähig ist, braucht er Hilfe. Wohl insgesamt noch sieben Wochen, sagen die Ärzte.
Moralischen Support erhält Kilde von seiner Lebenspartnerin Mikaela Shiffrin. Die US-Amerikanerin war vor einer Woche in Cortina gestürzt und muss mit einem überdehnten Aussenband derzeit pausieren. Kilde sagt: «Es ist schön, sie hier bei mir zu haben. Aber es ist nicht die Situation, in der wir beide Ende Januar, Anfang Februar sein wollen. Wir wollten um Siege kämpfen. Aber in unserem Sport passieren Dinge. Es ist ein riskanter Sport und wir alle kennen die Konsequenzen, die ein Sturz haben kann.»
Kilde war in der Woche der Wengen-Rennen gesundheitlich angeschlagen. Es gab in der Folge auch Stimmen, die seinen Sturz darauf zurückführten. Die Piste am Lauberhorn ist die längste im Weltcup. Kraftreserven also umso wichtiger. Der 21-fache Weltcupsieger weist die Kritik weiter. «Die Topathleten haben ein brutales Programm. Jeden Abend müssen sie an die Auslosung der Startnummern und dann an die Siegerehrung. Im Ziel von Wengen sind die Besten meist bis 16.30 Uhr, ehe alles erledigt ist», sagt er.
Hier müsse man ansetzen, ist Kilde überzeugt und fordert das Gespräch der Athleten mit dem Internationalen Skiverband FIS. «Meine Kritik am Weltcupkalender ist bekannt», sagt der Norweger. «Aber wir müssen uns auch mit anderen Dingen befassen. Es sind die Besten, die am Tag nach dem Mammutprogramm die Erwartung spüren, erneut gewinnen zu müssen. Das ist eine Menge Druck bei gleichzeitig wenig Erholung.»
Diesem Druck will er sich nun entziehen. «Ich habe einen Traum davon, wieder Rennen zu gewinnen, aber ob ich je wieder so Ski fahren kann, wird sich zeigen. Das wichtigste ist jetzt für mich, gesund zu werden.» (aargauerzeitung.ch)
Gute Besserung!