Es war das wohl am heissesten erwartete Duell der Champions-League-Viertelfinals: Manchester City gegen Bayern München. Zwei von drei Teams, die in dieser Saison in der «Königsklasse» zuvor ungeschlagen geblieben sind. Dass das Hinspiel dann mit einem solch deutlichen Resultat ausgeht, kam für viele überraschend. Und so gab beim 3:0-Erfolg der «Citizens» über die Bayern einiges zu reden.
Aus Schweizer Sicht erfreute vor allem die Leistung von Manuel Akanji, der die Offensive der Bayern regelmässig verzweifeln liess. Als nomineller Teil der Dreierkette schien der 27-Jährige häufig eher als Rechtsverteidiger zu agieren und bekam es deshalb häufig mit Leroy Sané zu tun. Bis auf ein, zwei Aktionen, in denen Sané doch zu – eher ungefährlichen – Torschüssen kam, hielt Akanji den Deutschen gut in Zaum.
Dies bewiesen auch die starken Zweikampfwerte des Nati-Spielers. Fünfmal nahm er einem Gegenspieler gemäss fbref.com den Ball ab – häufiger als jeder andere Spieler auf dem Feld. Dazu kamen zwei abgefangene Pässe, auch das ein Bestwert. Von Squawka bekam er auf einer Skala von 1 bis 10 eine 8 und wurde damit nur von Nathan Aké (9) übertroffen. Als Grund wurde seine «wundervolle Defensivleistung» und dass er «Bayerns linke Seite komplett unter Kontrolle» hatte, aufgeführt.
Doch nicht nur Akanji überzeugte von den City-Verteidigern. Auch Aké und vor allem Ruben Dias liessen den Bayern-Stürmern kaum Luft zum Atmen. Dias behielt im eigenen Strafraum einmal mehr die Lufthoheit und blockte zudem auch drei Schüsse, darunter den potenziellen Führungstreffer durch Jamal Musiala. Dieser zielte von innerhalb des Strafraums ins untere linke Eck, doch der portugiesische Verteidiger blockte den Schuss und verhinderte das 0:1. Goalie Ederson wäre in die falsche Ecke unterwegs gewesen. Doch auch im Aufbauspiel überzeugte der 25-Jährige mit den meisten angekommenen langen Pässen und der besten Passquote seines Teams (87,3 Prozent).
In Bayerns Defensive fiel vor allem Dayot Upamecano auf – aber im Gegensatz zu Akanji und Dias hauptsächlich negativ. Der Franzose sorgte mit Unsicherheiten einige Male für Gefahr vor dem eigenen Tor. In der 50. Minute kamen die Gäste nach einem Missverständnis zwischen Upamecano und Goalie Yann Sommer, der aus dem Strafraum gestürmt war und so als Anspielstation nicht mehr infrage kam, noch mit dem Schrecken davon.
20 Minuten später war das aber nicht mehr der Fall. Der 24-Jährige, der 2021 für 42,5 Millionen Euro aus Leipzig gekommen war, vertändelte den Ball am eigenen Strafraum, woraufhin Jack Grealish direkt den Gegenangriff lancierte. Zwei Ballkontakte später köpfte Bernardo Silva den Ball nach einer Flanke von Erling Haaland zum 2:0 ins Netz.
Auch beim dritten Tor sieht Upamecano nicht gut aus, wobei man ihm da nicht die alleinige Schuld am Gegentreffer geben kann, da die Zuteilung in Bayerns Strafraum allgemein nicht stimmte. In jedem Fall darf ein Erling Haaland im Fünfmeterraum nie so frei zum Schuss kommen, denn dann ist der Ball mit grosser Wahrscheinlichkeit drin. Ende des letzten Jahres sagte der Norweger, er sei «so hungrig auf Tore wie noch nie». Knapp vier Monate später weiss die ganze Fussballwelt: Der Hunger ist unstillbar.
45 Tore hat der 22-jährige Wunderstürmer in wettbewerbsübergreifend 39 Spielen nun erzielt. Rekord für einen Spieler eines Premier-League-Klubs. Das 3:0 gegen die Bayern war sein elfter Treffer in dieser Champions-League-Saison, womit ihm noch einer zum Rekord von Ruud van Nistelrooy fehlt. Der Niederländer traf in der Saison 2002/03 für Manchester United zwölfmal und somit häufiger als jeder andere Profi eines englischen Klubs in der «Königsklasse». Der Sieg gegen den deutschen Rekordmeister war zudem Haalands erster im achten Duell.
Only Ruud van Nistelrooy (12 in 2002/03) has scored more goals in a single Champions League campaign for an English side than Erling Haaland (11).
— Squawka Live (@Squawka_Live) April 11, 2023
He still has plenty of time to break the record. #UCL pic.twitter.com/7cR6nYPJyy
Wer den Schaden hat, muss für den Spott nicht sorgen. Erst recht nicht, wenn man einen Trainer entlässt, unter dem der Klub noch auf drei Hochzeiten tanzte und dessen Nachfolger innert zwei Wochen wohl bereits zwei Titelchancen verspielt hat. Dementsprechend gross ist die Schadenfreude in den sozialen Medien. Der Wechsel von Julian Nagelsmann zu Thomas Tuchel, der bei vielen ohnehin auf Unverständnis gestossen war, ist für die Bayern-Führung um Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic nun nicht einfacher zu erklären.
Wobei Tuchels Taktik womöglich gar aufgegangen wäre – zumindest, wenn man ihn fragt. «Ich habe eine sehr, sehr gute Leistung gesehen bis zur 70. Minute. Ich bin hochzufrieden», sagte der Deutsche nach dem Spiel und fügt an: «Das Resultat zeigt nicht die Geschichte des Spiels.» Und tatsächlich: Gemäss der «Expected Goals» von Squawka (1,92 zu 0,83) fällt das Ergebnis zu deutlich aus, ein 2:1 wäre wohl angemessener gewesen. Und so sagt Tuchel auch: «Wir haben mindestens ein Tor verdient und mindestens ein, zwei Tore zu viel weggegeben.»
Die Defensivleistung – vor allem von Upamecano – muss für den 49-Jährigen, der seine Teams gerne aus einer stabilen Abwehr agieren lässt, ein Graus gewesen sein. Doch ansonsten hatten die Bayern das Spiel teils gar unter Kontrolle, hatten insgesamt mehr Ballbesitz und spielten deutlich mehr Pässe. Dabei bewiesen sie sogar eine höhere Genauigkeit – sowohl bei kürzeren als auch längeren Distanzen. Doch immer wieder unterbanden Akanji, Dias und Co. die Angriffe der Bayern.
So kann man Tuchel auch ein wenig verstehen, dass er die Schuld gar nicht so sehr bei sich oder der Mannschaft sieht, sondern vielmehr beim Gegner einfach alles funktionierte und die Bayern auch Pech hatten. Fürs Rückspiel ist der Drei-Tore-Rückstand dennoch eine extrem grosse Hypothek. Gerade gegen dieses Manchester City. Doch Tuchel gibt die Hoffnung nicht auf: «Ich habe im Fussball schon Unglaubliches erlebt.»
Zum ersten Mal setzte Tuchel in Manchester nicht auf seinen Namensvetter Thomas Müller – zumindest nicht auf dem Platz. Die Meinung des 33-Jährigen war Tuchel aber dennoch enorm wichtig, obwohl dieser auf der Bank sass. In der ersten Halbzeit besprach sich Tuchel an der Seitenlinie mit seinem Interims-Co-Trainer. Früchte trugen aber auch die Tipps von «Radio Müller» nicht.
Schönste Szene des Abends. Co-Trainer Thomas Müller. 😎👍🏼⚽️ #UCL #MCIFCB #Müller #Tuchel #FCBayern #ChampionsLeague pic.twitter.com/u5lJpmTNRW
— Bananenflanke (@dirk_adam) April 11, 2023
Kein Kaliber für Bayern.