Die Achtelfinals an der WM sind schon fast passé. Von den 64 Spielen ist ein Grossteil absolviert. Zwei Schweizer Fans ziehen ein erstes Fazit ihres Aufenthalts in Doha. Das sagen sie über ...
Fussball und Bier: Das gehört unweigerlich zusammen. Doch in Katar ist die Beziehung etwas komplizierter als sonst. Denn der Wüstenstaat hat strikte Regeln, was den Alkoholkonsum betrifft.
Zu einer Abstinenzler-WM ist das Turnier in Katar aber nicht geworden. Das sagt Roman Freuler, der die letzten beiden Nati-Spiele vor Ort verfolgt hat. «Es ist überhaupt nicht so, dass da alle nüchtern wären», erzählt der Fussballfan. Alkohol gebe es in fast jedem Restaurant, das an ein internationales Hotel angebunden sei, und auf der Fanmeile.
Allerdings muss man für ein Bier ziemlich tief in die Tasche greifen. «In der Stadt kostet das Bier zwischen 12 und 14 Euro. Bei mir auf dem Kreuzfahrtschiff 16 Euro für vier Deziliter.»
«Die ganze Schweiz hat das Gefühl, wir würden hier auf dem Trockenen sitzen», lacht Marcel Rohner, der Fan-Leader der Schweizer Nati. «Aber das ist definitiv nicht so.» Wenn man seine Kontakte spielen lasse, komme man sogar auf «halb illegalem Weg» zu einem Gin Tonic.
Freuler hat für seinen Aufenthalt eine spezielle Unterkunft ausgewählt. Er schläft auf einem Kreuzfahrtschiff, das vor Doha ankert. Kostenpunkt: 300 Franken pro Nacht.
«Über 6000 Personen sind auf dem Schiff einquartiert», erzählt Freuler. «Am Anfang dominierten die Südamerikaner, dann kamen immer mehr Engländer.»
Das Schiff gleicht einer kleinen Stadt. Es gibt Einkaufspassagen, Restaurants und Pools. «Abends sitzen wir in den Bars des Schiffs alle wild durcheinander. Da die Brasilianer, da die Ecuadorianer, hier wir Schweizer. Immer wieder werden Fangesänge angestimmt. Alles total friedlich.»
Freuler ist am Sonntag wieder zurück in die Schweiz geflogen. Sollte sich die Nati am Dienstag für den Viertelfinal qualifizieren, würde er nochmals an den Persischen Golf fliegen. Ein Weekend-Trip sozusagen. «Dann müsste ich am kommenden Freitag freinehmen und würde am Sonntag wieder nach Hause fliegen.»
«Von den Fans her ist es definitiv keine europäische WM», sagt Freuler. «Gerade aus den Ländern, wo die Kritik am Turnier gross war, sind wenig Leute hier. Etwa aus Deutschland oder Dänemark.»
Herrscht deswegen tote Hose in Doha? «Nein, das tut der Stimmung keinen Abbruch», erzählt Freuler. Im Gegenteil: «Es ist ein Fest zwischen Leuten aus allen vorstellbaren Ländern.» Viele Menschen aus dem arabischen Raum seien angereist und auch die Fans aus Südamerika seien zahlreich vertreten. In der Stadt und auf der Fanmeile sei viel Gesang zu hören. «Speziell ist: Alle Fans befinden sich an einem Ort. Bei anderen Turnieren sind sonst nur die Anhänger von wenigen Nationen in der Stadt.»
Man komme ständig mit Personen ins Gespräch, die man sonst vielleicht nicht treffen würde. «Etwa mit Menschen aus Saudi-Arabien», sagt Freuler. «Daher waren die neun Tage, die ich in Doha war, fantastisch.»
Rohner ist ebenfalls begeistert: «Die Fankultur ist einzigartig. 32 Teilnehmerländer in der gleichen Fanmeile. Das habe ich noch nie erlebt, es ist grossartig.»
Die Fans seien absolut friedlich miteinander, betonen sowohl Freuler als auch Rohner. Auch die Organisation sei makellos. Zwar müssten pro Spieltag hunderttausende Fans durch die Stadt geschleust werden, das klappe jedoch hervorragend.
«Die Stadien sind nicht immer voll», sagt Freuler. «Die wirklichen Fanlager sind oft relativ klein. Gerade, wenn zwei europäische Mannschaften gegeneinander spielen.» Es gebe viel mehr neutrale Fans als an anderen Grossturnieren. Dies mache sich natürlich bemerkbar, meint der Nati-Fan: «Im Stadion gibt es sicher weniger Stimmung als etwa an der WM 2014 in Brasilien.»
Dennoch sind die Spiele der Nati unvergessliche Ereignisse für die beiden Fans. Besonders, wenn die Jungs von Murat Yakin gewinnen. Nach dem Match gegen Serbien machte Rohner die Nacht zum Tag. «Wir haben in der Bar mit Tunesiern und Mexikanern Party gemacht bis 4 Uhr morgens. Danach haben wir vor unserem Appartement bis 8 Uhr weitergefeiert», erzählt der Fan-Leader, der am Tag des 3:2-Sieges Geburtstag hatte.
Im Vorfeld wurde viel über die Lage der Menschenrechte in Katar diskutiert. Doch beschäftigt das die Fans vor Ort überhaupt? Freuler meint: «Das interessiert vor allem die Fans aus Nord- und Zentraleuropa. Aber sonst ist das kein Thema.» Er selber sei sich der Kritik bewusst und fände auch richtig, dass diese geäussert werde, solange sie sachlich sei, sagt Freuler.
Er betont aber: «Die Fans aus Brasilien, Deutschland, Argentinien oder aus Saudi-Arabien können nicht verantwortlich gemacht werden für die Verstösse.» Es sei schön zu sehen, dass der Fussball eben doch verbinden könne, und zwar auf der Ebene der Fans. «Obwohl wir alle so unterschiedliche Hintergründe haben, begegnen wir uns auf absolut friedliche Art und sind neugierig aufeinander.»
Zu Beginn der WM verbreitete sich das Gerücht, dass die Fan-Leader der Teilnehmerländer von Katar bezahlt würden. Diese vertreten die Fangruppen gegenüber Katar und der FIFA. Rohner hält entschieden dagegen. «Meine Kollegen haben mir zum Geburtstag ein Bier bezahlt, sonst habe ich gar nichts bekommen», sagt der Schweizer Fan-Leader. «Ich bin von keiner Organisation finanziell unterstützt worden. Ich habe alles selber bezahlt.»
Gut, ich denke wer 16 Stutz für eine Stange bezahlt, dem dürfte noch so vieles egal sein.