Mehr als sechstausend Kilometer liegen zwischen London und Ruanda. Nur rund acht Kilometer trennt das Heimstadion von Arsenal von jenem von Tottenham.
Sind es womöglich klimatechnische Überlegungen, weshalb Arsenal-Fans von Reisen nach Afrika abraten und stattdessen empfehlen, dem Nachbarn im Norden der englischen Hauptstadt einen Besuch abzustatten? Natürlich nicht.
Den Grund finden wir auf dem linken Ärmel des Arsenal-Trikots. Dort wirbt Ruanda mit dem Slogan «Visit Rwanda» für sich. Seit 2018 engagiert sich das Land als Sponsor des englischen Fussballklubs. Gemäss «The Athletic» kassierte Arsenal in der vergangenen Saison umgerechnet rund 11 Millionen Franken aus Ruanda.
Dieser Deal sorgt in Fankreisen für Kritik. Die Gruppierung «Gunners for Peace» verweist auf die aktuelle Situation im Herzen Afrikas, wo Ruanda eine Rebellengruppe in der Demokratischen Republik Kongo unterstützt.
Das Nachbarland wirft Ruanda vor, es wolle über die Zusammenarbeit mit der Miliz M23 Zugang zu Bodenschätzen erhalten. Zuletzt prangerte das UNO-Kinderhilfswerk UNICEF an, dass im Konflikt selbst Kleinkinder vergewaltigt würden. Hunderttausende Menschen liessen ihr Hab und Gut zurück und flüchteten vor den Kämpfen.
«Arsenal ist ein grossartiger Verein. Wir haben Werte. Und deshalb muss ‹Visit Rwanda› beendet werden», schreiben die Anhänger. Man wolle nicht, dass der Klub seine Seele an den Meistbietenden verkaufe. «Wir denken, dass alles – buchstäblich alles – besser wäre.»
Und deshalb also der Aufruf an alle Arsenal-Fans: «Visit Tottenham». Der Ortsteil in Nordlondon wird mit einem Video beworben, das unweigerlich die Lust weckt, diesen bemerkenswerten Flecken Erde zu besuchen.
Geschickt spielen die Kritiker mit der alten Rivalität, denn so kann es ihnen gelingen, dass über Ruanda und dessen Geld diskutiert wird. «Es ist offensichtlich, dass niemand von uns einen Tottenham-Schriftzug auf dem Trikot akzeptieren würde», sagte gegenüber «The Athletic» Fan-Sprecher James Turner. «Warum also Ruanda? Wo ziehen wir die Grenze?»
Turner forderte den Vorstand auf, den Vertrag mit Ruanda, der bis im Sommer 2026 gültig ist, rechtzeitig auf die nächste Saison hin zu kündigen. «Es wäre eine grossartige Botschaft, dass es Dinge gibt, die wichtiger sind als Geld», sagte er. Angesichts der erfolgreichen letzten Saisons – aktuell belegt Arsenal Rang zwei in der Premier League und steht im Halbfinal der Champions League – müsse man wohl kaum befürchten, keinen anderen Ärmel-Sponsor zu finden.
Heute Abend (21 Uhr) spielt Arsenal zuhause im Emirates Stadium gegen Crystal Palace, einen anderen Londoner Klub. Die «Gunners for Peace» haben zu dieser Partie nebst den Plakaten eine weitere Aktion geplant: Sie verteilen, als stilles Zeichen des Protests, vor dem Stadion schwarze Armbänder, die Zuschauer über das Logo Ruandas stülpen können. Eine Reaktion des Klubs ist nicht bekannt.
Aber ein Fan dieser Arsenal-Fans.
Vorne auf den Trikots von Arsenal steht z. B. eine Werbung von Emirates, einer staatlich gesponserten Airline aus einer absoluten Monarchie. Andere europäische Spitzenteams gehören ausländischen Oligarchen, Saudis, Katarern, Chinesen. Immerhin sind keine Russen mehr darunter, aber das liegt an den Sanktionen, nicht an den „Werten“.
Die Frage nach den Grenzen ist schon richtig gestellt.