Der FC Thun und die Liga der Inkonstanten
Titelverteidiger Basel? Gewann mit Hängen und Würgen beim abgeschlagenen Schlusslicht Winterthur.
Titelaspirant YB? Musste ohne Punkte den Heimweg aus Sion antreten.
Verfolger St.Gallen? Kassierte eine Heimniederlage gegen den FCZ.
Spitzenreiter Thun hingegen: Fegte Luzern 4:1 weg und baute den Vorsprung auf die Verfolger auf sechs Punkte aus.
Nach zwei Niederlagen davor gelang den Berner Oberländern eine eindrückliche Reaktion. Thuns hoher Sieg gegen ein Luzern, das im Tief steckt, fiel eher noch zu knapp aus.
Zurecht ganz vorne
Es sind einerseits die eigenen Stärken, die den Aufsteiger FC Thun immer noch sensationell auf Rang 1 halten. Da wäre etwa die Abwehrquote von Goalie Niklaus Steffen, der in dieser Statistik direkt hinter Basels Marwin Hitz auftaucht.
Oder da wäre dieser Hinweis, der belegt, dass der Underdog nicht einfach nur hinten dicht macht und hofft: Kein anderes Team der Super League hat mehr Abschlüsse. Auch der Wert der Expected Goals ist der höchste. Thun setzt dabei auf schnelle Umschaltmomente, es hat den wenigsten Ballbesitz der Liga. Trainer Mauro Lustrinelli setzt auf vertikales Spiel, will ohne langes hin und her vors gegnerische Tor gelangen.
Goalie Steffen, Routinier Leonardo Bertone oder der siebenfache Saisontorschütze Christopher Ibayi fallen positiv auf. Doch grundsätzlich gilt das Motto, das der deutsche Bundestrainer Berti Vogts beim EM-Triumph 1996 geprägt hatte: Der Star ist die Mannschaft.
Gegner ohne Stabilität
Dennoch würde Thun vermutlich kaum den Platz an der Sonne belegen, wäre die Konkurrenz nicht derart inkonstant. Der FC Basel etwa wusste wohl selber nicht, weshalb er am Sonntag in Winterthur gewonnen hatte – völlig entgegen dem Spielverlauf und dank eines Tores in der 93. Minute. Das 2:1 brachte nach einem sieglosen November den ersten Dreier nach vier Partien. Der FCB sündigt generell massiv im Abschluss: Er hat satte elf Treffer weniger erzielt, als laut xG-Wert erwartbar waren.
Die Young Boys mit ihrem für hiesige Verhältnisse hochkarätigen Kader lassen jegliche Konstanz vermissen. Eine Serie von drei Siegen in Folge war das höchste der Gefühle. Das war im September.
Es liegt zu einem grossen Teil an diesen beiden Topteams, dass der Leader auch nach 16 Runden immer noch FC Thun heisst. Und das wiederum muss andere Mannschaften fuchsen, die mit grösseren Ambitionen gestartet waren und bereit sein wollten, falls YB und Basel patzen.
Da wäre etwa der FC Lugano, knapp über dem Strich, oder Vizemeister Servette, das eine enttäuschende Saison spielt. Nun, wo die Berner und Basler – wie schon im Vorjahr – in ihren Leistungen so instabil sind, hätten sie daraus Kapital schlagen müssen. Doch die eigenen Leistungen sind ebenfalls durchwachsen.
Der Titel «Wintermeister» winkt
Drei Runden stehen bis Weihnachten noch auf dem Programm. Am nächsten Samstag steht der Spitzenkampf an, wenn Leader Thun das zweitplatzierte St.Gallen empfängt (20.30 Uhr, live SRF 2).
Gewinnen die Berner Oberländer auch dieses Spiel, ist bereits klar, dass sie auf Platz 1 überwintern. Spätestens dann sollte niemand mehr von einem Zufallsleader reden – sondern müsste den FC Thun als ernsthaften Meisterkandidaten betrachten.
