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Handball-Trainer wegen sexueller Belästigung von Juniorin gesperrt

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Der Trainer eines Handball-Spitzenteams hat mindestens eine Spielerin massiv sexuell bedrängt.Bild: Shutterstock

Handball-Coach bedrängt Juniorin mit «Geburtstag-Orgasmus»-Frage – nun hat er Berufsverbot

Einem ehemaligen Trainer eines Handball-Spitzenklubs werden Verletzungen der sexuellen Integrität vorgeworfen – nun hat das Schweizer Sportgericht ein Urteil gefällt.
30.07.2025, 09:0230.07.2025, 10:36
Laura Inderbitzin / ch media
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Der erfahrene Trainer hat einer Juniorin regelmässig auf Snapchat geschrieben, sexuelle Andeutungen gemacht und freizügige Bilder verschickt. Der Mann war zum Zeitpunkt dieser Handlungen Ende 30, während die betroffene Juniorin erst 16-jährig war. Das geht aus einem aktuellen Entscheid des Schweizer Sportgerichts hervor.

«Häsch eigentlich en Geburtstag-Orgasmus gha?», «aber für en snap vo dir im bikinihösli würdi druf igah» oder «also hami demfall jetzt ume susch ganz uszoge» sind einige der Nachrichten, die der erfahrene Trainer der Minderjährigen schickte. In weiteren deutete der Trainer an, ihr Videos bei der Selbstbefriedigung schicken zu wollen. Screenshots belegen dies laut Gerichtsentscheid. Aus juristischen Gründen wurden im Entscheid Namen und Klub nicht öffentlich gemacht.

Am Anfang wohnte sie bei ihm und seiner Familie

Das Ganze kam Anfang 2022 ins Rollen, als sich die Juniorin erstmals bei der Stiftung Swiss Sports Integrity meldete und auf das Verhalten ihres Trainers aufmerksam machte. Die Stiftung ist unter anderem für die nationale Meldestelle für Ethikverstösse und Missbrauchsfälle im Schweizer Sport zuständig und eröffnete daraufhin eine Untersuchung.

Im Zuge dessen kamen die Details des Falls ans Licht. Gemäss Urteil begann der Kontakt zwischen Juniorin und Trainer im Sommer 2021: Damals wechselte sie zum Verein und wohnte zunächst zwei Wochen bei ihm, da noch keine Gastfamilie verfügbar war.

Handball - a ball laying on the 9 meters dotted line.
Der Trainer wurde vom Schweizer Sportgericht für seine Vergehen gegen eine Juniorinnenspielerin für fünf Jahre gesperrt.Bild: Shutterstock

Am Anfang sei ihr Verhältnis normal und der Mann hilfsbereit gewesen, führte die 16-Jährige in einer Befragung aus. Sie war eigentlich nur Teil des Juniorinnenteams, aber in gemeinsamen Techniktrainings amtete der Chefcoach der ersten Mannschaft auch als ihr Trainer. Ab Herbst desselben Jahres habe er dann begonnen, sie zunehmend mit Nachrichten zu bedrängen, in denen es auch um ihren Körper ging. Zudem habe er freizügige Bilder von sich geschickt.

Abhängigkeitsverhältnis zwischen Trainer und Spielerin

Gleichzeitig habe die Juniorin von sich keine Fotos gesendet und die Nachrichten nur ausweichend beantwortet. Den Kontakt hat sie zunächst aber nicht abgebrochen, weil es während des Trainings zu Konfrontationen hätte kommen können. Das Sportgericht schreibt dazu von einem Abhängigkeitsverhältnis: «Die angeschuldigte Person scheint gezielt und bewusst das von der von ihr trainierten Spielerin geschenkte Vertrauen im Rahmen ihrer eigenen Bedürfnisse missbraucht zu haben.»

Auch der Beschuldigte wurde zum Fall befragt und sagte dabei aus, dass die Snapchat-Nachrichten alle «auf einer kollegialen Ebene» waren und verneinte zunächst explizit, dass sie einen sexuellen Inhalt gehabt hätten – obwohl er die Messages als «nicht gut» beurteilte.

Es könnte kein Einzelfall sein

Während der Untersuchungen kam zudem ans Licht, dass dies kein Einzelfall gewesen sein konnte. Swiss Sports Integrity sieht es als erwiesen an, dass der Trainer schon vor 2022 gegenüber anderen Spielerinnen sexuell übergriffiges Verhalten zeigte. «Die angeschuldigte Person habe an Spielerinnen Nachrichten versendet, die als sexuelle Äusserungen aufgefasst werden mussten, (…) und ungefragt Bilder des nackten Oberkörpers und des Penis zugesendet», heisst es in den Vorwürfen.

Er soll sogar Geschlechtsverkehr mit Spielerinnen gehabt haben, wobei eine von ihnen 15 Jahre alt war (der Angeschuldigte war damals etwa 30 Jahre alt) und eine andere 19 Jahre alt war (der Angeschuldigte war damals etwa 35 Jahre alt). Diese vermeintlichen Vorfälle fanden zwischen 2015 und 2021 statt.

Der Verein bekam Wind von den Untersuchungen und Vorwürfen gegen seinen Trainer und trennte sich dann im Frühling 2022 per sofort von ihm. Brisant ist allerdings: Die 16-jährige Spielerin gab gemäss Gerichtsentscheid an, dass andere Spielerinnen schon einmal zum damaligen Klubpräsidenten gegangen seien und frühere Vorfälle gemeldet hätten. Konsequenzen hatte dies da allerdings noch nicht gehabt. Der damalige Präsident dementiert diese früheren Meldungen auf Anfrage und erklärt, dass dies im Verlaufe des Verfahrens auch so festgehalten wurde. Im Entscheid ist dazu aber nichts vermerkt.

Lebenslange Sperre wurde gefordert

Im Frühling 2023, ein Jahr nach dem ersten Kontakt zwischen der Juniorin und der Stiftung Swiss Sports Integrity (SSI), reichte die SSI ihren Untersuchungsbericht bei der Disziplinarkammer des Schweizer Sports ein. Darin spielte neben dem Fall der Juniorin auch jener einer volljährigen Co-Trainerin einer anderen Mannschaft eine Rolle: Sie hatte ebenfalls anzügliche und unangebrachte Nachrichten mit sexuellem Inhalt vom Cheftrainer erhalten.

Die SSI verlangte im Untersuchungsbericht, dass der Beschuldigte dauerhaft vom Trainieren weiblicher Spielerinnen gesperrt wird, dass er eine Geldbusse von 2000 Franken zu entrichten hat und dass dieser Entscheid mit Namensnennung öffentlich gemacht wird.

Der Cheftrainer wollte derweil, dass er vollumfänglich freigesprochen oder alternativ nur für zwei Jahre gesperrt wird. Von Anfang an bestand er zudem darauf, dass das Urteil nicht öffentlich gemacht wird.

Bis zum eigentlichen Verfahren dauerte es dann fast zwei Jahre – Hintergrund ist ein juristisches Hin und Her. Die Disziplinarkammer des Schweizer Sports stellte ihre Tätigkeit nämlich ein, und sämtliche Kompetenzen gingen an die neue Stiftung Schweizer Sportgericht (siehe Box) über. Nach rechtlichem Hickhack – auch in anderen Fällen – wurde klar, dass das neue Schweizer Sportgericht nur über Fälle nach dem 1. Januar 2022 urteilen kann.

Für diesen konkreten Fall hiess das, dass nur der Fall der 16-jährigen Juniorin und der Co-Trainerin der anderen Mannschaft behandelt wurde – allfällige Vergehen vor 2022 sind nicht Teil des Urteils.

Juniorin leidet an Erschöpfungszustand

Der Cheftrainer bezweifelte zwar noch die Zuständigkeit des Gerichts, hatte damit aber keinen Erfolg, und schliesslich fand die Hauptverhandlung vor dem Sportgericht Anfang März dieses Jahres statt. Die Juniorin konnte an der Verhandlung wegen eines bereits wochenlangen körperlichen Erschöpfungszustands nicht teilnehmen, da dieser durch zusätzliche psychische Belastung verstärkt werden würde.

Das Schweizer Sportgericht
Die Stiftung Schweizer Sportgericht ist eine von Swiss Olympic errichtete Stiftung und dient als Schiedsgericht, das sportrechtliche Streitigkeiten beurteilt – etwa bei Dopingfällen oder Ethikverstössen. Sie kann Sperren oder Bussen verhängen, jedoch keine Gefängnisstrafen, da sie kein staatliches Strafgericht ist. Strafrechtlich relevante Fälle müssen von den ordentlichen Gerichten behandelt werden. (lai)

Um es kurz zu machen: Das Gericht gab der Juniorin und der SSI recht. Im Entscheid heisst es: «Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die angeschuldigte Person die Juniorin in ein stark sexuell konnotiertes Gespräch verwickelte und freizügige Bilder von sich selbst zustellte, um im Gegenzug dasselbe zu fordern.» Es sei nachvollziehbar, dass sie sich in ihrer Position als Nachwuchsspielerin nicht in der Lage sah, sich aktiv gegen diese Nachrichten zu wehren und sich von der angeschuldigten Person unter Druck gesetzt fühlte.

Der Cheftrainer zeigte auch keine «eine aufrichtige Einsicht», sondern «die Anerkennung eines Fehlverhaltens wirkt als blosse Schutzbehauptung zu der Erlangung einer geringeren Sanktion», so das Sportgericht weiter.

Der Trainer wurde folglich wegen des Verstosses gegen das Ethik-Statut schuldig gesprochen, konkret wegen Verletzung der sexuellen Integrität. Eine lebenslange Sperre wie gefordert sprach das Gericht jedoch nicht aus. Der Schuldige erhielt rückwirkend ab 2023 ein Verbot von fünf Jahren, minderjährige Sportlerinnen und Sportler zu trainieren, sowie ein Verbot von drei Jahren, weibliche Sportlerinnen zu trainieren. Zudem muss er ein psychologisches Verhaltenscoaching absolvieren und Verfahrenskosten von 2500 Franken tragen. Entgegen dem Antrag der SSI wurde das Urteil nur anonymisiert veröffentlicht.

Das Urteil ist rechtskräftig, da kein Rekurs beim internationalen Sportschiedsgericht TAS eingereicht wurde. Ob auch straf- oder zivilrechtliche Schritte eingeleitet werden, konnte die SSI aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht bekannt geben.

Hinweis: Das gesamte Urteil ist hier zu finden, die Medienmitteilung dazu hier. (aargauerzeitung.ch)

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Eckhardt
30.07.2025 09:39registriert Juni 2024
Ein Trainer, der Fotos seines Penis an Schülerinnen von ihm verschickt, sollte NIE mehr Schülerinnen und Schüler trainieren.
Er hat etwas Wesentliches, was Integrität und Abhängigkeit seiner ‚Schutzbefohlenen‘ betrifft, nicht verstanden.
Beim Ausleben seine eigenen Ziele machte er auch vor der Grenze von Minderjährigen nicht halt.
Ich hoffe, es gibt ein nationales Register, und dass er dort namentlich vermerkt wird.
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Waldorf
30.07.2025 09:31registriert Juli 2021
Solches und anderes Verhalten gelten auch jetzt bei vielen noch als "isch doch ned ernst gemeint gsi, bis doch ned so empfindlich! Dörf mer ned mal meh chli flirte? Hüt dörf mer ja gar nüt meh säge! Wie söll mer denn öper ahspreche wenn mer nüt meh dörf??" Das fängt für Mädchen mit 14 an und hört für lange Zeit nicht auf.
1979
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Aramas
30.07.2025 09:55registriert August 2021
„Die Juniorin konnte an der Verhandlung wegen eines bereits wochenlangen körperlichen Erschöpfungszustands nicht teilnehmen, da dieser durch zusätzliche psychische Belastung verstärkt werden würde.“

Das dauert einfach alles viel zu lange. Die betroffenen Athlet*innen werden über Jahre wiederkehrend mit dem Geschehenen konfrontiert. Meist findet auch keine schnelle temporäre Sperre statt, was die Aufgabe des Sports oder einen Vereinswechsel zur örtlichen Trennung bedingen (in Nationalmannschaften unmöglich).

Viel Kraft und die notwendige Unterstützung wünsche ich der Athletin.
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