Er wäre bereit gewesen für das Comeback: Urs Kryenbühl hätte am vergangenen Wochenende beim Speed-Auftakt in Lake Louise gerne auch wieder um die Spitzenzeiten mitgeredet.
Vor knapp elf Monaten war der Unteriberger Skirennfahrer in Kitzbühel schwer gestürzt, riss sich dabei das Kreuz- und Innenband, brach sich das Schlüsselbein und erlitt eine Gehirnerschütterung.
Trotz dieses Horror-Crashs ist er wieder in Form – doch ein weiteres Problem machte seinem Comeback-Plan vorerst einen Strich durch die Rechnung. Als «nur» genesener und nicht geimpfter Athlet hatte er nicht nach Kanada einreisen dürfen und verpasste die dortigen Rennen. Deshalb kehrt der 27-Jährige erst ab dieser Woche in Beaver Creek in den Vereinigten Staaten auf die Weltcup-Piste zurück.
Wie geht es Ihnen, nachdem Sie an den ersten Speedrennen nicht dabei gewesen sind?
Urs Kryenbühl: Jedes verpasste Rennen schmerzt. Sei es im vergangenen Winter die WM wegen der Verletzung oder eben dieses Jahr die Rennen in Lake Louise. Ich bin Sportler und möchte Wettkämpfe bestreiten.
Sie konnten nicht teilnehmen, weil Sie nicht geimpft sind. Stehen Sie hinter Ihrer Entscheidung oder ändert sich das eventuell mit Olympia? Auch in Peking könnte eine Teilnahme ohne Impfung quasi unmöglich sein.
Ich stehe vollkommen hinter meiner Entscheidung. Und bis Olympia geht es noch einige Monate, da kann noch viel passieren. Mein Sturz hat mir gezeigt, dass man Tag für Tag nehmen und das Beste draus machen soll. Dies gilt auch im Hinblick auf die Konsequenzen.
Sie sind genesen und sagten in der Vergangenheit, dass Sie sich somit genügend geschützt fühlen. Zudem sprachen Sie von einer Angst vor Impf-Nebenwirkungen. Was für Reaktionen haben Sie erhalten?
Die Reaktionen waren grösstenteils positiv. Natürlich gibt es einige, die meinen Entscheid nicht verstehen und mir dies auch mit Nachrichten unter der Gürtellinie mitteilten. Aber es ist wichtig, in solchen Situationen cool zu bleiben und Beleidigungen keinen Platz zu geben. Ich halte mich an die schönen und positiven Nachrichten der vielen Leute, die hinter mir und meiner Entscheidung stehen, fest. Ich fokussiere mich aufs Skifahren und suche den Weg nach vorne.
In Beaver Creek geben Sie nun Ihr Comeback. Sind sie dafür bereit?
Ja, ich fühle mich bereit für meine Rückkehr und freue mich sehr darauf.
Wie verlief Ihre Genesung nach dem schweren Crash in Kitzbühel?
Ich bin damit sehr zufrieden. Die Vorbereitung sowie mein körperlicher Zustand sind jetzt sehr gut. Im Anbetracht meines Sturzes empfinde ich es sowieso als ein kleines Wunder, dass ich bereits wieder auf diesem Niveau Ski fahren kann.
Hätten Sie kurz nach dem Unfall gedacht, dass es so gut vorwärtsgeht?
Wissen tut man es nie, und eine Garantie gibt es auch keine. Ich habe das Knie nicht operiert und mich vom Unteriberger Naturarzt und meinem Schwiegervater Sepp Marty behandeln lassen – das würde ich wieder genauso machen. Ich hatte seit Reha-Beginn ein gutes Gefühl und versuche stets, in allem etwas Positives zu sehen.
Konnten Sie den Sturz auch psychisch verarbeiten?
Mein Mentaltrainer hat mir dabei wertvolle Unterstützung gegeben, dafür bin ich ihm sehr dankbar. Ich kann sagen, dass ich den Sturz soweit verarbeitet habe – obwohl Ereignisse wie dieses einen Menschen immer prägen.
Verspüren Sie teilweise noch einen Anflug von Unwohlsein auf der Piste, in Erinnerungen an Kitzbühel?
Nein, ich fühle mich grundsätzlich immer gleich, wenn ich auf eine Weltcuppiste komme. Ich verspüre eine Mischung aus Vorfreude und Respekt.
Weil Sie wegen der Einreisebestimmungen schon früh in die USA fliegen mussten, konnten Sie im November knapp zwei Wochen nicht auf der Piste trainieren. Behindert Sie das Training im schneelosen Kalifornien?
Nein, im Gegenteil. Es hat auch seine positiven Seiten. Ich konnte dank dem Strand und den warmen Temperaturen in Santa Monica den Kopf noch einmal lüften, um dann bei den ersten Rennen voll «giggerig» und motiviert am Start zu stehen.
Brauchen Sie nach der langen Rennpause wieder etwas Eingewöhnungszeit im Weltcup?
Ja, das ist ganz normal. Jeder Athlet, der nach einer Verletzung zurückkommt, braucht das. Diese Zeit werde ich mir auch geben, um Schritt für Schritt wieder an meine Bestleistungen heranzukommen.
Welche Ziele haben Sie sich diese Saison gesetzt?
Die Vergangenheit hat mir gezeigt, dass es weit nach vorne reicht, wenn ich mein perfektes Skifahren zeigen kann. Genau das ist auch in diesem Winter mein Ziel. Ich möchte Bestleitungen zeigen und damit idealerweise auch wieder in die vorderen Ränge fahren.