Seit dem 23. April ist Belinda Bencic, die Tennis-Olympiasiegerin, Mutter von Bella. In der Tennishalle in Uzwil, St.Gallen, spricht die 27-Jährige nun mit CH Media zum ersten Mal ausführlich über ihr neues Leben.
Belinda Bencic, man kann sich eigentlich auf alles vorbereiten im Leben. Aber man kann nicht erahnen, wie es ist, wenn man Eltern wird. Wie war das für Sie?
Belinda Bencic: Während der Schwangerschaft habe ich mir immer diese Gedanken gemacht, wie es sein wird, wenn ich Bella in den Armen halte. Jetzt kann ich sagen: Es ist für mich der schönste Moment, den man sich vorstellen kann. Jeder Tag ist eine Riesenfreude und ich freue mich auf jeden Moment in der Zukunft. Es sind riesige Emotionen, total anders als auf dem Platz.
Wie anders?
Persönlicher. Das Tennis kommt einem sehr unwichtig vor in diesen Momenten.
Wie haben Sie die ersten Tage und Wochen nach der Geburt erlebt?
Ich war einfach total glücklich. Natürlich war ich müde und erschöpft. Aber es war total cool. Auch die Familie war begeistert. Alle haben sich richtig mit uns gefreut und wir drei konnten es sehr geniessen. Sorry, ich muss sagen wir vier. Unsere Hündin Paula gehört ja auch zu uns. Wir hatten wirklich schöne, ruhige Tage zusammen.
Und wie hat ihre Hündin Paula auf Bella reagiert?
Sie hat eine spezielle Bindung zu Martin (Hromkovic, ihr Verlobter, Anm. d. Red.). Wenn er die Kleine in den Armen hielt, war Paula nicht eifersüchtig, aber man hat schon gesehen, dass sie sich gefragt hat, wer das jetzt ist und was das soll. Jetzt versteht sie, dass Bella zu uns gehört. Es läuft wirklich wunderbar. Paula kommt auch zu uns ins Bett.
Wie haben Sie die Geburt erlebt?
Bella kam hier in der Schweiz zur Welt und es lief alles so, wie man sich das wünscht.
Kommen Sie zu genügend Schlaf?
Absolut. Ich hatte es mir schlimmer vorgestellt. Sie schläft gut.
Wie kamen Sie eigentlich auf den Namen Bella?
Mir gefiel der Name schon immer und Martin und ich waren uns deshalb schnell einig. Eine spezielle Geschichte steckt also nicht dahinter. (Lacht.)
Sie sprechen Deutsch und Slowakisch, Ihr Verlobter Martin ist Slowake, spricht gut Deutsch und wie Sie Englisch. Mit welchen Sprachen soll Bella aufwachsen?
Wir sind beide der Meinung, je mehr Sprachen Bella mit auf den Weg bekommt, desto besser. Vermutlich werde ich Deutsch sprechen und Martin Slowakisch, irgendwann kommt dann wohl Englisch dazu. Beim Französisch kann ich ihr nicht so viel mitgeben. (Lacht.)
Wo halten Sie sich derzeit am meisten auf?
Wir waren viel hier in der Schweiz. Ich würde sagen, dass wir zur Hälfte in der Schweiz und zur anderen Hälfte in der Slowakei sind.
Bis wie kurz vor der Geburt haben Sie noch gespielt?
Nicht mehr lange. Anfang November war ich noch beim Billie Jean King Cup dabei. Da habe ich aber den anderen die Bälle nur noch stehend aus dem Korb zugespielt. Ich habe wirklich länger nicht mehr gespielt und den Schläger lange nicht mehr in den Händen gehabt. Die ganze Hornhaut an den Händen ist auch weg. Aber das kommt schnell wieder. (Lacht.)
Wie haben Sie die Veränderungen des Körpers wahrgenommen?
Weil ich noch nicht intensiv trainiere, fällt es mir schwer, das schon zu beantworten. Was ich sagen kann: Es ist schon unglaublich, was der Körper leistet und wie schnell er sich anpasst. Auch, dass ich mit weniger Schlaf gut auskomme. Es ist auch für mich selber spannend, das zu beobachten. Im Moment ist die ganze Muskelkraft weg. Während der Schwangerschaft ging natürlich das Gewicht rauf, danach wieder runter. Es ist ein ständiger Wechsel.
Ist Ihnen Ihr Körper auch einmal fremd geworden?
Ja und Nein. Martin schaute mich an und sagte: «Wow, das ist anders, du mit Bauch.» Für mich hat sich das alles irgendwie fliessend angefühlt, weil ja alles in mir passiert ist. Es ist lustig, das zwei Männern zu erklären. Ich würde es so sagen: Man gewöhnt sich an den neuen Körper, es passiert ja nicht vom einen Tag auf den anderen. Es war total normal in dem Moment, obwohl eine grosse Verwandlung passiert in so kurzer Zeit. Für mich war es eher eine Umstellung, als ich nicht mehr schwanger war, als da kein Bauch mehr war.
Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Stillen gemacht?
Absolut problemlos, zum Glück. Wenn Bella Hunger hat, dann stille ich. Und heute kann man ja auch gut abpumpen, wie gerade jetzt. Ich bin jetzt das erste Mal ohne sie unterwegs.
Und wie fühlt sich das an, erstmals von Bella getrennt zu sein?
Es ist sehr speziell, wenn man zuvor sechs, sieben Wochen rund um die Uhr miteinander verbracht hat. Es ist mir schon schwergefallen. Am Anfang wollte ich am liebsten gar nicht aus dem Haus. (Lacht.). Sie ist jetzt bei meiner Mutter.
Mit 27 Jahren sind Sie eine eher junge Mutter. War das immer Ihr Wunsch?
Ich finde, es ist ein perfekter Zeitpunkt. Vom Alter her und vom Punkt, an dem wir im Leben stehen, fühlt es sich ideal an. Man kann es ja nie planen. Aber es ist perfekt gekommen.
Im August sagten Sie, Sie überlegen sich, ob es für Sie besser ist, noch während oder erst nach der Karriere Mutter zu werden …
… ich bekam so viele Fragen zu diesem Thema. Mein Grossmami hat mich gefragt, weshalb ich so viel über Kinder spreche. (Lacht.) Aber ich wurde halt dauernd darauf angesprochen, weil mit Naomi Osaka, Angelique Kerber oder Elina Switolina ein paar Mütter zurückgekehrt sind. Ich wurde gefragt, ob ich mir das vorstellen könnte. Und wie Sie sehen: Ja, kann ich. (Lacht.)
Haben Sie schon eine Idee, wie Sie sich künftig organisieren wollen?
Ich habe noch keine Vorstellung davon, wie das sein wird, zu reisen. Wir sind jetzt zwei Mal mit dem Auto zwischen der Slowakei und der Schweiz hin- und hergereist und haben mehr Gepäck. Aber wie es dann wirklich sein wird, wird sich zeigen. Natürlich will ich möglichst viel mit Bella zusammen sein. Ich kann mir nicht vorstellen, an Turniere zu gehen und sie zu Hause zu lassen. Für mich haben die Familie und Bella Priorität. Und ich werde mich ihr anpassen.
Werden Sie also Ihren Turnierkalender anpassen?
Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Natürlich will ich nicht anderthalb Monate irgendwo spielen, wo ich lange und weit weg von Zuhause bin. Es muss für uns als Familie passen.
Sie waren immer nur mit Ihrem Verlobten Martin und sporadisch einem Trainer oder Physiotherapeuten unterwegs. Werden künftig Ihre Eltern mitreisen?
Das kann ich mir gut vorstellen. Schon jetzt haben wir die grösste Unterstützung von den beiden Grossmamis, von Martins Mutter und meinem Mami. Wir werden sie sicher bei der Betreuung brauchen, das wäre eine grosse Hilfe.
Wenn Sportler Väter werden, ist das weniger einschneidend als für Sportlerinnen, weil sie keine Schwangerschaft durchmachen und nicht stillen. Wie nehmen Sie das wahr?
Es ist einfach anders. Dazu, ob es unfair ist, habe ich mir keine grossen Gedanken gemacht. Wenn Martin noch Fussballprofi wäre, wäre die Situation auch wieder anders. Die Situation ist, wie sie ist. Ich wollte es so. Natürlich ist es nicht einfach und eine Herausforderung, aber es ist nicht unmöglich. Über allem steht der Gedanke: Was ist das Beste für Bella? Dann für mich und für Martin. Zu sehen, wie andere Sportlerinnen damit umgehen, ist eine grosse Inspiration für mich. Weil es zeigt, dass es möglich ist.
Heute sind mehr Mütter auf der Tour unterwegs als früher. Wie erklären Sie sich das?
Es ist heute besser, weil unser Ranking länger geschützt ist, bis zu drei Jahre. Man muss sich heute als Tennisspielerin nicht mehr zwischen Kind und Karriere entscheiden, weil auch beides geht.
Hat es in den letzten Wochen trotzdem einmal den Moment gegeben, wo Sie sich gesagt haben: «Ich möchte eigentlich gar nicht mehr in den Tenniszirkus zurück, sondern mich ganz diesem kleinen Menschen widmen»?
Nein, den hat es nicht gegeben. Aber ich habe mir während der Schwangerschaft schon Gedanken gemacht, ob diese Gedanken kommen werden. Jetzt spüre ich natürlich sehr, dass ich gerne so oft wie möglich mit Bella zusammen sein will. Aber es hat nie den Moment gegeben, wo ich dachte: Ich kehre nicht mehr zurück. Für mich war auch so eine Frage, ob ich das Tennis vermissen werde …
... und, vermissen Sie es?
Ja, ich vermisse es. (Lacht.)
Was fehlt Ihnen am meisten – das Reisen, der Wettkampf?
Am meisten habe ich die Bewegung vermisst, vor allem auch in der Schwangerschaft. In dieser Beziehung waren die letzten Monate tough, weil ich von 100 auf Null ging. Ich konnte es wirklich kaum erwarten, wieder joggen zu können.
Dabei joggen Sie ja eigentlich gar nicht so gerne.
Doch, jetzt schon. (Lacht.) Ich muss wirklich sagen: Was ich früher nicht so gerne hatte, das habe ich nun wirklich vermisst. Einfach mal ein wenig zu schwitzen. Es war hart, physisch nichts machen zu können.
Sie waren kürzlich erstmals wieder auf dem Tennisplatz, wie hat sich das angefühlt?
Ich würde sagen, «auf dem Platz gestanden» ist eine bessere Beschreibung als «trainieren». Nein, ich habe langsam angefangen. Ich habe mir Zeit gegeben, mich diese sechs Wochen nach der Geburt auszuruhen. Jetzt habe ich angefangen, den Körper zu bewegen, die Muskeln zu aktivieren, Physio zu machen. Im Moment ist es noch nicht Training. Ich hatte einfach Lust, den Ball zu spüren. Es war mega cool, das hat mich richtig gefreut. Es war cool, natürlich noch mit ganz wenig Bewegung. Aber es hat sich sehr gut angefühlt.
Sie sagen, Sie wollen einen Schritt nach dem anderen machen. Den Tennisfan interessiert natürlich vor allem, wann Belinda Bencic zurückkehrt. Gibt es da ein bestimmtes Ziel?
Nein, überhaupt nicht. Es ist für mich sehr schwierig, einzuschätzen, wann das sein könnte. Die nächsten Wochen, Monate werden ausschlaggebend sein, wie ich mich fühle, wie ich vorankomme. Ich möchte mir auch keinen zeitlichen Druck machen und sagen: Ich spiele im Herbst wieder. Oder im Winter.
Wie muss man sich Belinda Bencic während den French Open vorstellen? Auf dem Sofa vor dem Fernseher, mit Bella im Arm?
Ich habe mir das schon gerne angeschaut im Fernsehen. Ich habe Tennis total anders geschaut, als Zuschauerin, weniger emotional. Ich konnte es mehr geniessen, musste nicht an mein Ranking denken, konnte das von aussen betrachten. Das war ein spezielles Gefühl.
Es dürfte Ihnen dann etwas schwerer fallen, bei Wimbledon zuzuschauen als beim French Open.
Ja, ich fand es jetzt nicht so schlimm, die French Open zu verpassen. (Lacht.) Aber Wimbledon ... Ich muss immer sagen: Es ist nicht schade, dass ich Zuhause bin, weil ich da etwas Schöneres habe, einen guten Grund, dass ich Wimbledon und wahrscheinlich Olympia verpassen werde.
Was heisst wahrscheinlich?
Ich will nicht sagen, ich will nicht spielen, vielleicht spiele ich in einer Woche wie eine Weltmeisterin. Nein, ich werde sie wahrscheinlich verpassen.
Wahrscheinlich verpassen bedeutet nicht sicher verpassen.
Ich werde sie zu 99,9 Prozent verpassen. (Lacht.)
Wie sehr wird es Sie schmerzen, als Olympiasiegerin nicht in Paris anzutreten?
Wie gesagt: Ich kann nicht sagen, es wird wehtun. Das würde es, wenn ich eine Verletzung hätte. Aber jetzt passiert das aus einem guten Grund.
Und in Paris wird ja sowieso auf Sand gespielt ...
... genau. (Lacht.) Und es gibt ja noch Los Angeles 2028.
Da können wir mit Ihnen rechnen?
Ja, ich hoffe es sicher.