Ihr Knie wurde schon oft operiert. Es hatte sich einst entzündet und fast Ihre Karriere beendet. Wenn wir davon ausgehen, dass Sie mit Ihrem Knie eine Beziehung führen: Wie läuft es im Moment?
Beat Feuz: Wir sind nach schwierigen Jahren, in denen wir uns wohl mehrmals getrennt hätten, in der Versöhnungsphase (lacht). Die Beziehung hatte zahlreiche Tiefs. Aber mittlerweile sind wir auf gutem Weg, damit wir uns wieder richtig gern haben.
Das heisst, Sie sind zufrieden, obwohl es nie mehr perfekt sein wird?
Genau. Mein Knie wird niemals mehr optimal für den Profisport geeignet sein. Dafür ist es zu kaputt. Aber ich kann mittlerweile in den Rennen wieder voll attackieren. Es macht wieder Sinn. Ich stelle mir nicht mehr nach jedem Rennwochenende die Frage, warum ich mir das antue. Die Sinnfrage, die ich mir früher oft gestellt habe, ist nicht mehr da.
Wann ist letztmals in Ihrer Skikarriere etwas nach Plan verlaufen?
Immer wieder (lacht). Natürlich, die grossen, langfristigen Pläne sind wegen meiner körperlichen Probleme nicht immer aufgegangen. Zum Beispiel die Saisonvorbereitung. Aber in einzelnen Rennen, in der Vorbereitung darauf, läuft immer wieder alles genau wie gewünscht.
In der vergangenen Saison haben Sie wegen einer Verletzung erst in Wengen Ihr Comeback gegeben. Eine Woche später fuhren Sie in Kitzbühel als Zweiter auf das Podest. Was löst das heute aus?
Einen solchen Tag wie damals habe ich noch nie erlebt. Das war etwas vom Eindrücklichsten überhaupt. Es war ein brutales Rennen bei schwierigen Verhältnissen und mit schweren Stürzen. Trotzdem gelang mir quasi aus dem Nichts, fast ohne Vorbereitung, eine optimale Fahrt. Das konnte ich nicht fassen.
Können Sie es heute erklären?
Für den ganzen Rest der Saison, mit den zwei Siegen beim Weltcupfinal in St.Moritz, habe ich bis heute nicht wirklich eine Erklärung. Das Einzige, was ich sagen kann, nachdem ich das Video meiner Fahrt in Kitzbühel gesehen hatte, ist, dass ich einfach verdammt gut Ski gefahren bin. Mich hat verblüfft, dass mir das praktisch ohne Training gelungen ist.
Nun kommen Sie besser vorbereitet nach Kitzbühel. Was ist möglich?
Möglich ist immer viel. Doch in Kitzbühel ist die Marge zwischen Erfolg und Misserfolg sehr klein. Darum würde ich hier, egal wie gut ich in Form bin, nie ankündigen, dass ich auf das Podest fahre.
Weil die Strecke so unglaublich schwierig und gefährlich ist. Sind Sie vor dem Start nervös?
Nein. Ich bin am Start eher ein ruhiger Typ. Ich muss mich eher pushen, um in den Rennmodus zu kommen. Natürlich bin ich vor einer Fahrt in Kitzbühel, aber auch bei anderen grossen Rennen, angespannter als sonst. Das hat aber mehr mit dem Stellenwert der Rennen zu tun.
Sie sind ruhig, trotz des Wissens, dass es in Kitzbühel schon viele schlimme Stürze gab?
Die Piste in Kitzbühel ist brutal. Im Ziel ist man glücklich, dass man gesund angekommen ist. Aber oft denke ich dann auch, es war eben doch geil, hier runterzufahren. Man darf es aber nicht übertreiben, sonst wirft einen die Strecke gnadenlos ab.
Wie bringt man die Stürze, die es immer wieder gibt, aus dem Kopf?
Sie sind präsent. Man kann sie nicht ausblenden. Vielleicht einzig während der Fahrt. Da konzentriert man sich nur darauf, was gerade passiert. Aber sonst muss man nur den Fernseher einschalten und sieht die Wiederholungen der Stürze.
Zuletzt in Wengen kritisierten zahlreiche Fahrer, dass die Strecken immer mehr entschärft werden.
Ich verstehe, dass es schwierig ist für die Verantwortlichen, eine Piste zu bauen. Es gibt viele Dinge zu beachten. Aber eine Abfahrt braucht Tempo. Erst so zeigt sich, wer ein richtiger Abfahrer ist. Wenn man nun künstlich versucht, das Tempo auf den Strecken zu reduzieren, nimmt man dem Wettbewerb etwas den Reiz.
Das Tempo ist nicht das Problem?
Klar, bei hohem Tempo zu stürzen, ist sehr gefährlich. Aber normalerweise stürzen wir Athleten nicht in Passagen, die einfach nur schnell geradeaus gehen. Zum Beispiel passiert im Haneggschuss in Wengen selten etwas.
Dort wurde eingangs ein Sprung eingebaut, um das Tempo zu reduzieren.
Hier sehe ich das Problem. Die Sprünge sind oft nicht genug gut gebaut. Das ist sehr gefährlich. Nicht die Sprünge an sich sind das Problem. Aber wenn der Aufbau nicht optimal ist, wird es sehr schwierig.
Man will das Tempo reduzieren, um Unfälle zu vermeiden, und bewirkt das Gegenteil?
Nochmals zurück nach Wengen. Schon in die Kombiabfahrt hat man gesehen, dass die Athleten mit diesem Sprung Mühe hatten. Was, wenn wir von ganz oben gefahren und müde angekommen wären?
Das Schweizer Männer-Speedteam besteht eigentlich nur aus Ihnen, Carlo Janka und Patrick Küng. Ihr seid aber nicht mehr die Jüngsten. Warum fehlt Swiss Ski der Nachwuchs?
Das kann ich mir auch nicht wirklich erklären. Aber es ist auch nicht meine Aufgabe, das zu erklären. Für das haben wir den Schweizer Skiverband, der für den Nachwuchs zuständig ist. Ich muss auf mich schauen. Ich denke, meine Resultate haben in den letzten Jahren gepasst.
Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann sagt, die Schweiz müsse mit ihren Voraussetzungen den Anspruch haben, die Skination Nummer eins zu werden. Stimmen Sie zu?
Definitiv ja. Diesen Anspruch müssen wir haben. Der Skiverband ist da aber in der Pflicht. Der Verband muss dafür sorgen, dass dies so wird. Oft wird bei Swiss Ski über fehlenden Nachwuchs gejammert. Es ist immer einfach, von oben herab zu kritisieren, gleichzeitig aber nichts zu ändern.
Erklären Sie das.
Der Verband muss sich fragen, ob er vielleicht etwas in der Struktur verändern muss. Ich gehöre zwar nicht mehr zum Nachwuchs und konnte meine Leistungen ja oft erbringen. Und hoffentlich kann ich das auch weiterhin. Aber bei den Jungen muss der Verband nun zeigen, dass er etwas in die Wege leiten kann.
Trotzdem: An der Heim-WM in St.Moritz müssen es wohl Sie, Janka oder Küng richten.
Diese Situation sind wir uns gewöhnt. Weil es ja seit längerem niemanden mehr neben uns gibt, der in der Abfahrt wirklich mit den Besten mithalten kann. Natürlich wäre es schön, wenn wir mit einer breiteren Basis nach St.Moritz fahren könnten, und vielleicht passiert das ja noch. Aber wenn wir in der WM-Abfahrt mit drei Mitfavoriten am Start stehen, dürfen wir wohl nicht allzu fest jammern.
Mit Ihren zwei Siegen beim Weltcupfinal in St.Moritz sind Sie automatisch Topfavorit.
Die WM ist immer speziell und es zählt nicht, was war. Aber ich freue mich auf St.Moritz. Weil ich weiss, dass ich dort sehr gut gefahren bin. Für mich wird es ein ähnliches Feeling werden wie für die Schweizer generell jeweils Wengen. Dort sind wir immer gut. Ich war nun in St.Moritz auch gut. Das gibt eine positive Energie. Und an der Motivation kann es an einer Heim-WM ja bei niemandem liegen.
2012 konnten Sie beinahe den Gesamtweltcup gewinnen. Dann folgte eine Infektion im Knie und seither ist alles anders. Was ist heute noch möglich bei Ihnen?
Für mich hat nach der Infektion eine zweite Karriere begonnen. Es ist nicht mehr das möglich, was einmal war. Dafür ist mein Knie zu instabil. Aber es ist immer noch viel möglich in einzelnen Rennen.
Der Gesamtweltcup ist also kein Traum mehr?
Das Thema hat sich für mich nach der Saison 2012 erledigt. Heute muss man mich nicht immer auf der Rechnung haben. Aber zwischendurch (lacht). Das habe ich ja auch schon mehrmals bewiesen. Von Erfolgen in einzelnen grossen Rennen darf ich immer noch träumen.