Sag das doch deinen Freunden!
Samstagabend: Die Minuten vor dem Abpfiff verbringt Bernhard Heusler im Kabinentrakt. Zusammen mit den verletzten Spielern, die sich bereits die Meistershirts übergezogen haben, bangt er nach dem 1:2-Anschlusstreffer von Sions Salatic um den Sieg. Mit gutem Ende: Basel bringt den Vorsprung über die Zeit, die Meisterparty beginnt. Zuerst im Stadion, dann auf dem Barfüsserplatz, später in diversen Lokalen in der Basler Innenstadt. Heusler hält lange durch. Überraschend frisch wirkt er am nächsten Tag. Erzählt, er habe nicht weniger geschlafen als sonst. Statt um sieben Uhr wacht er gestern erst um neun auf – «aber die üblichen fünf Stunden Schlaf habe ich gekriegt».
In Meisternächten überraschen die Spieler mit ungeahnten Tanzkünsten. Wie sieht das bei Ihnen aus?
Bernhard Heusler: Ich weiss nur: Es würde nicht gut aussehen. Und darum überlasse ich das
Tanzen den Spielern. Es ist ihr Abend, in erster Linie haben sie und der
Trainerstaff den Titel gewonnen. Ich feiere sicher mit, muss aber nicht
im Zentrum stehen.
Der siebte Titel in Folge war nur noch eine Frage der Zeit. Konnten
Sie sich vorbereiten auf den Moment, in dem es geschafft ist?
Man
muss differenzieren: Zwischen der Routine und der Erwartungshaltung,
die von aussen an uns herangetragen werden. Und den Gefühlen, die der
Moment des Titelgewinns auslöst. Dieses Jahr war es wegen des Zeitpunkts
keine Explosion der Emotionen, ich spüre eine grosse Erleichterung und
Zufriedenheit. Ich freue mich sehr für die Mannschaft und den
Trainerstaff, die vom ersten Tag an eine wahnsinnige Solidarität lebten.
Im Vergleich zu den vergangenen Jahren war es eine ruhige Saison.
Wenn
ich an das unglückliche Ausscheiden in den Champions-League-Playoffs
gegen Tel Aviv denke, an die Personalien Shkelzen Gashi und Zdravko
Kuzmanovic oder an den Transfer von Steffen: Es gab Potenzial für
Konflikte. Vor allem dank der hohen Konstanz in der Meisterschaft und
den Leistungen in der Europa League wurden Polemik und Verunsicherung
jeweils im Keim erstickt.
Die Spieler posteten in den letzten Stunden reihenweise Bilder auf
Social Media. Von Ihnen haben wir nirgends ein Profil gefunden – warum
eigentlich nicht?
Nach meinem Geschmack habe ich als Präsident
des FC Basel mehr als genug Öffentlichkeit. Die Präsenz auf Social Media
wäre eine zusätzliche Anstrengung. Und ich müsste aufpassen, worüber
und wie ich mich äussere. Jede Aussage zu einem Thema könnte leicht
nicht als meine persönliche, sondern als Meinung des FC Basel
wahrgenommen werden.
Viele Menschen definieren sich über ihre Social-Media-Präsenz. Wie denken Sie darüber?
Das
geht mir zu weit. Ich bin der Meinung, dass ein Foto von meinem Salat
mit Pouletbrust niemanden wirklich interessiert. Und ob die Anzahl
«Likes» von grosser Bedeutung ist, will ich offen lassen. Zudem besteht
wohl eine gewisse Gefahr, davon abhängig zu werden. Bis hin zur
Beklemmung oder Verunsicherung, wenn ein Foto weniger Likes erhält.
Beruflich aber kommen Sie nicht um das Thema herum: Der FCB beschäftigt einen «Social-Media-Manager».
Da
können wir uns den Trends nicht entziehen. Heutzutage wird via Social
Media Nähe zwischen Fans und Spielern generiert. Früher geschah dies,
indem sich Karli Odermatt im «Holzschopf» an den Stammtisch setzte und
mit den Fans ein Bier trank.
Müssen sich die Spieler des FC Basel bei ihren Internet-Aktivitäten an Regeln halten?
Man
muss den Spielern eine gewisse Freiheit lassen, in dem sie ihre ganz
eigene Persönlichkeit zeigen können. Sie müssen sich einfach bewusst
sein, dass das Internet nicht vergisst. Was man hochlädt, kann drei
Jahre später gegen einen verwendet werden. Wir geben unseren Spielern
Kommunikations-Regeln mit auf den Weg. Zur Frage, ob sich ein
FCB-Spieler politisch äussern darf: Ja, das darf er. Solange er den FCB
nicht «missbraucht» und er mit seiner Äusserung nicht gegen unsere
Charta verstösst.
Der Eishockeyspieler Morris Trachsler von den ZSC Lions hat sich vor
der Abstimmung dezidiert gegen die Durchsetzungs-Initiative geäussert.
Ausgerechnet als Angestellter eines Klubs, der von SVP-Vertretern
alimentiert wird.
Sehen Sie, in Ihren Augen ist der ZSC ein
SVP-Klub. Darum sind die Aussagen von Morris Trachsler für Sie so
speziell. Genau das will ich verhindern, dass der FCB einem politischen
Lager zugeteilt wird. Es würde schnell heissen, der FCB-Präsident
missbrauche sein Amt, um politisch Stimmung zu machen. Darum halte ich
mich da zurück. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es jemanden
interessiert, wie mein Christbaum geschmückt ist.
Das sehen wir gerade anders. Wirkt es befremdend, wenn jede banale Aktivität von Ihnen auf grosses Interesse stösst?
Ja.
Und auch die Überinterpretation von gewissen Dingen, ob positiv oder
negativ. Ich habe mir lange Zeit keine Gedanken über mein Image gemacht
und mich deswegen nicht stressen lassen. Image ist aber immer etwas, was
allein aufgrund der Aussenwahrnehmung gegeben wird. Die Leute sollen
mich einfach normal nehmen, nicht zu viel in mich interpretieren.
Wo suchen Sie Wertschätzung?
Bei Menschen, die mich wirklich
kennen. Aber was heisst Wertschätzung? Zu diesem Begriff habe ich ein
zwiespältiges Verhältnis. Jeder Mensch ist genau gleich viel wert, hat
Anspruch auf Respekt. Wertschätzung des eigenen Tuns sollte nie Antrieb
oder Ziel sein. Das kann zu Verbitterung führen. Wenn man sich in einer
Rolle, wie ich sie habe, nach persönlicher Wertschätzung ausrichtet,
macht man unweigerlich Fehler und ist schnell frustriert. Hingegen: Wird
der FC Basel wertgeschätzt, tut mir das sehr gut. Ich will, dass der
Club, die Mitarbeitenden und das Team in dem geschätzt werden, was sie
leisten. Hier kann ich auch mal empfindlich reagieren, wenn ich das
Gefühl habe, es fehlt an Wertschätzung und Respekt.
Sie haben mit Trainern und Spielern mit Menschen zu tun, die sehr
empfänglich sind für Anerkennung. Was sagen Sie denen, wenn sie über
mangelnde Wertschätzung klagen?
Ich sage dann immer: Wenn wir das
Gefühl haben, dass unsere Arbeit zu wenig gewürdigt wird, dann hält uns
das wach. Wenn wir uns unfair behandelt oder beurteilt fühlen, dann
will ich keine Zeit verlieren mit Hadern und Heulen, sondern dies als
Motivation nehmen, noch mehr zu tun, um es den «bösen Kritikern» zu
zeigen.
Das tönt nach einem taktischen Mittel, die Angestellten auf hoher Betriebstemperatur zu halten.
Ja
und nein. Es ist vor allem Instinkt. Ich bin überzeugt, es gibt im
Sport nichts Dümmeres, als zurückzuschauen, selbstzufrieden zu sein oder
gar vor der Ziellinie aufhören zu rennen.
Trotzdem: Ihr schaut ja auch auf die Tabelle und seht den grossen
Vorsprung auf die Konkurrenz. Wie schafft ihr es beim FCB, den
Schlendrian vor der Tür zu lassen?
Es gibt zwei Elemente: In der
wichtigsten Gruppe des Unternehmens FCB, der ersten Mannschaft inklusive
Trainerstab, verlassen uns jedes Jahr wichtige Stützen und
Persönlichkeiten. Dies schafft immer wieder neue Konstellationen.
Wichtig ist, dass Mentalität und Hunger in der Gruppe bleiben. Diesen
Effekt hatten wir in den letzten Jahren auch durch Trainerwechsel. Wäre
Thorsten Fink bis heute geblieben und sieben Mal in Folge Meister
geworden, hätte er es wohl gesehen.
Und das zweite Element?
Innerhalb des Klubs spüre ich einfach keine Anzeichen, dass wir uns zurücklehnen und nicht mehr vollen Einsatz leisten möchten.
Und der FCB hat anders als die meisten anderen Fussballunternehmen keine Hausbank.
Das
waren meine Worte beim Rücktritt von Gigi Oeri: Ihre extrem wichtige
Sicherheit ist weg. Man muss sich mehr konzentrieren, wenn man auf dem
Seil steht und unten ist kein Netz. Fehler sind unverzeihlich.
«Basler Alleinherrschaft» – wie entgegnen Sie diesem Begriff?
Es
gibt zwei Sichtweisen: Als FCB-Präsident verfolge ich kompromisslos das
Ziel, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Mannschaft möglichst
dominant auftritt. Und dann gibt es die Sichtweise von oben auf die
Super League, die besagt, dass ein dominanter Klub der Liga auf Dauer
schadet. Dem entgegne ich, dass wir nur drei der letzten sieben Titel
vor dem zweitletzten Spieltag entschieden haben. Wer gähnende Langeweile
beklagt, verfolgt unsere Meisterschaft nicht.
Warum ist in dieser Saison der Vorsprung grösser denn je? Die Vorzeichen waren nicht optimal.
Mit
Marco Streller haben wir den Führungsspieler schlechthin verloren.
Einen, der auf dem Feld Verantwortung übernahm und in der Kabine eine
absolut positive Erscheinung war. Dazu mit Fabian Frei und Fabian Schär
zwei Nationalspieler. Wir mussten den Trainer wechseln und ein neues
Team zusammenstellen. Was mir schon zu Beginn aufgefallen und bis heute
geblieben ist, ist die totale Solidarität. Wie ich sie zuvor noch nie
erlebt habe. Keine Grüppchenbildung, ein grosses Wir-Bewusstsein. Jeder
schaut zum anderen.
Ist diese Solidarität das, was Sie von Urs Fischer erwartet haben?
In
dieser Form kann man das von keinem Trainer erwarten. Urs Fischer ist
seit Christian Gross der Trainer, für den der Meistertitel am meisten
bedeutet. Diesem Ziel hat er alles untergeordnet. Dies zu spüren, ist
für mich als Präsident wahnsinnig wohltuend. Dieser Trainer will mit
aller Kraft diesen Titel. Und dieser Trainer weiss genau, wie schwierig
es für den FC Basel ist, am Ende der Meisterschaft oben zu stehen. Ihm
muss keiner erklären, dass man auch in Thun oder Vaduz hervorragenden
Fussball spielt.
Für Fischer ist es der erste Meistertitel. Wie gross ist die Gefahr, dass sein Hunger auf Titel nach dem ersten Mal abnimmt?
Das
hängt von der Persönlichkeit ab. Champions definieren sich nicht über
Titel. Die machen das Ganze ja aus Ansporn von Freude. Ich zitiere in
diesem Zusammenhang immer Roger Federer: «Aus vergangenen Titeln ziehe
ich Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit, dass ich solche Titel
gewinnen kann.» So wie ich Urs Fischer als Sportsmann wahrnehme, habe
ich nicht die geringste Befürchtung, dass er nach diesem Titel satt sein
könnte.
Murat Yakin sagte, in Basel zähle nur noch der Europacup. Der Gewinn
der Meisterschaft sei blosse Pflichterfüllung. Er ist nicht der
Einzige, der dies so wahrnimmt.
Die Einstellung, dass der
Titelgewinn bloss eine Pflicht ist, kann ich nicht teilen. Es ist doch
wie in einem Unternehmen: Man muss sich bewusst sein, welchen Markt man
beherrschen will. Man möge es mir verzeihen: Ich bin angespannter, wenn
wir gegen Vaduz als gegen Real Madrid spielen.
Rundherum explodieren die TV-Verträge. Ist es in Zukunft noch realistisch, dass der FCB im Europacup überwintert?
Wenn
man mir nun anböte, dass sich die Erfolge der Schweizer Klubs in den
nächsten zehn Jahren wiederholen, würde ich im Namen des Schweizer
Fussballs sofort unterschreiben. Auf uns hat es unmittelbar keinen
Einfluss, ob 1.6 oder 2.3 Milliarden in die englische Premier League
fliessen. Aber die anderen grossen europäischen Ligen wird es dazu
treiben, einen Exodus ihrer Besten auf die Insel zu vermeiden, womit sie
noch mehr Geld generieren. Das wiederum führt dazu, dass auch die Löhne
in diesen Ligen steigen werden. Wir werden noch mehr Mühe haben,
Spieler zu halten und zu rekrutieren. Natürlich können wir einem
Südamerikaner sagen: Bei uns spielst du in der Champions League. Aber
wenn er beim 15. der Bundesliga das Doppelte verdienen kann, wird es schwierig.
Vielleicht verliert das Argument Champions League an
Überzeugungskraft. Wenn nämlich die angedachte Premium-Liga kommt,
welche die reichsten und besten Klubs Europas vereint. Geben Sie als
Mitglied der European Club Association (ECA) Gegensteuer?
(Lacht.)
Ja, so wie der Bahnhofvorstand von Saint-Louis, wenn ihn stört, dass
der TGV von Basel nach Paris bei ihm keinen Halt macht. So viel zu
Gegensteuer. Diese Gedankenspiele werden auf der Meta-Ebene der ganz
grossen Klubs geführt. Klar ist, dass ich mich und unsere Ideen
einbringe, wo immer ich kann. Wie realistisch diese Gedanken sind, ist
offen. Denn die Bildung einer Liga ohne Solidaritätsgedanken ist auch
eine politisch-rechtliche Frage, welche die EU beschäftigen könnte.
Man hat den Eindruck, als sei die Premium-Liga beschlossene Sache.
Wir
werden sehen. Wenn man die Gedankenspiele weiterdreht, hat eine
Premium-Liga eine gewisse Logik. Denn die Schere geht im Fussball immer
weiter auseinander. Für uns ist es rein sportlich betrachtet fast
interessanter, gegen Saint-Etienne oder Feyenoord Rotterdam zu spielen
als gegen Real Madrid. Ich geniesse eben auch die internationalen
Vergleiche, wo man sich auf Augenhöhe begegnet.
Die Konzentration auf das absolute Premium-Produkt – was halten Sie von dieser Entwicklung?
Schauen
wir nach Amerika. Dort gibt es diese Konzentration im Profisport, wo
die Ligen als geschlossener Zirkel funktionieren und eine
Aufsichtsbehörde für Chancengleichheit sorgt, schon lange. Für mich ist
dieses System noch immer fremd. Was aber nicht heisst, dass es nicht
doch ein Zukunftsmodell sein kann.
Sie haben mal gesagt, im Fussball sei unanständig viel Geld im Umlauf. Wo hört der Anstand auf?
Es
wirkt für viele andere Sportarten unanständig. Man könnte es sich auch
einfach machen und sagen: Es ist so viel Geld, wie der Fussball hergibt.
Wenn man «unanständig» als extrem viel und nicht wertend versteht,
stehe ich zu dieser Aussage. Auch dazu, dass der Fussball eine
übersteigerte Bedeutung geniesst. Das hängt damit zusammen, dass der
Fussball internationales Entertainment und nicht mehr nur Sport ist. Es
bringt nichts, wenn wir über das Gehalt eines Messi oder Ronaldo
diskutieren. Weil wir sonst auch darüber diskutieren müssten, warum Tom
Cruise für einen Film 13 Millionen verdient. Messi, Ronaldo, Cruise –
das sind internationale Entertainment-Stars.
Bernhard Heusler als Sozialromantiker?
Im Fussball, warum
nicht? Ein archaisches Fussballstadion, schlechter Rasen, Kopf an Kopf
auf der Stehtribüne – das schrecklich schöne 5:4 gegen Luzern im
Ausweichstadion Gersag in Emmenbrücke (Red.: im Oktober 2009) werde ich
mein Leben lang nicht vergessen.
Würden Sie gerne das Rad zurückdrehen und den FCB der 70er-Jahre präsidieren?
Das
wäre undankbar gegenüber dem, was wir heute beim FCB haben. Die
Gegenwart beim FCB bietet unglaublich viel Spannendes. Ich bin auch
verantwortlich für 250 Menschen, die in diesem Klub angestellt sind.
Sind Sie in zehn Jahren noch FCB-Präsident?
Nein, das bin ich nicht.
Sie wollen noch etwas anderes machen?
Zu
sagen, ich sei in zehn Jahren noch Präsident, wäre respektlos dem Klub
gegenüber. Dafür nehme ich mich schlicht zu wenig wichtig. Ich fühle
mich nicht als Glücksritter, der quasi zufällig die tollste Aufgabe in
der Stadt geniessen darf. Aber ich bin auch nicht der Glücksfall für den
FCB, ohne den dieser wunderbare Club nicht erfolgreich weiterexistieren
könnte.