20 Punkte beträgt der Vorsprung bei sechs ausstehenden Runden in der schottischen Premiership. Das reicht den Glasgow Rangers nach dem samstäglichen 3:0 gegen St.Mirren und dem 0:0 von Erzrivale Celtic gegen Dundee tags darauf zum vorzeitigen Meistertitel. Es ist der 55. in der Geschichte des Traditionsklubs. Notabene war der schottische Rekordmeister noch 2012 wegen Insolvenz in die 4.Liga zwangsrelegiert worden.
Cedric Itten, nach dem nahtlosen Wechsel im vergangenen Sommer vom FC St.Gallen zu den Glasgow Rangers ging es schnell bis zur ersten Titelfeier.
Das habe ich schon gemerkt, als ich im letzten Sommer hier ankam: Wir wollten, ja wir mussten ihn gewinnen, er war das erklärte Ziel nach dem Zwangsabstieg in die 4.Liga. Vor allem ging es auch darum, Celtics zehnten Titelgewinn in Folge zu verhindern – das wäre das erste Mal in der Historie des schottischen Fussball gewesen. Aus all diesen Gründen sagen die Fans und der Verein hier, dieser Meistertitel sei von der Bedeutung und den Emotionen her der wichtigste der Klubgeschichte.
Die Schotten gelten als trinkfreudig. Wie muss man sich in Glasgow derzeit eine Meisterfeier unter Coronabedingungen vorstellen?
Wir sind immer noch im Lockdown. Es war sehr emotional, vor dem Spiel gegen St.Mirren empfingen uns 10000 Fans vor dem Ibrox Stadium und applaudierten uns. Sie blieben natürlich draussen, liessen Feuerwerk ab und sangen während der ganzen Partie. Wir gewannen 3:0, durften danach aber natürlich nicht raus wegen der Sicherheitsbestimmungen. Also mussten wir unter uns feiern und anstossen, es floss schon das eine oder andere Bier. Am nächsten Tag schauten wir gemeinsam die Celtic-Partie auf dem Trainingsgelände an. Und als dann unser Titelgewinn fix war, brachen alle Dämme. Wir sangen drinnen, die Fans draussen vor dem grossen Tor.
Vier Tore steuerten Sie in der Meisterschaft bei, kamen über die Reservistenrolle aber nicht hinaus. Weshalb lief es nicht nach Wunsch?
Mir war wichtig, dass die Rangers länger mit mir planen, mein Vertrag läuft ja über vier Jahre. Als ich Anfang August zum Klub stiess, hatte er bereits die erste Meisterschaftspartie bestritten und eine siebenwöchige Vorbereitung hinter sich. Ich kam schliesslich in fast jedem Spiel zum Zug, und weil wir immer gewannen, gab es wenig Gründe, die Stammformation zu ändern. Ich habe dennoch viel profitiert. Ich brauche einfach etwas Geduld, wir haben hier viele Nationalspieler, das Team wird künftig aber sein Gesicht verändern, es wird automatisch mehr Einsätze für mich geben. Meine Eingewöhnungszeit ist nun jedenfalls zu Ende.
Hätten Sie im Nachhinein eine Pause gebraucht im Sommer? Sie verletzten sich ja ziemlich schnell.
Für mich kam ja nur ein Wechsel ins Ausland infrage. Aber es war schon streng. Wir hatten in der Schweiz damals viele Spiele in kurzer Zeit, und als die Saison fertig war, wollten mich die Rangers sofort und eine Pause war nicht möglich. Den ersten Einsatz hatte ich drei Tage nach dem Wechsel. Ich war mir wohl die Belastung nicht gewohnt, die Folge daraus war dann eine muskuläre Verletzung. Das kommt aber bei dem einen oder anderen Spieler vor bei 60 bis 65 Saisonspielen inklusive den beiden Cups und der Europa League.
Wie muss man die schottische Liga einstufen von der Qualität her? Gerade auch im Bereich der hinteren Tabellenregion?
Der Vergleich ist schwierig. Hier dominieren die Rangers und Celtic. In den hinteren Regionen stehen die Teams extrem defensiv, zum Teil agieren sie ohne Stürmer. 90 Minuten bespielst du diesen Abwehrblock, in der Super League ist das nie so extrem. Daran musste ich mich gewöhnen, bei Flanken beispielsweise stehen neun bis zehn Spieler hinten. Der schottische Fussball ist physischer, die Profis sind breiter, der Schiedsrichter lässt mehr durchgehen, den Videoschiedsrichter gibt es nicht. Es war schon eine Umstellung.
Wo sehen Sie bei sich Fortschritte?
Ich habe spielerische, ernährungstechnische und körperliche Fortschritte erzielt, habe nun ein paar Kilos Muskelmasse mehr. Ich war schon erstaunt, wie sich die Leute hier ernähren. Das Image stimmt so nicht, das Essen hier ist gut und gesund, gerade auch auf dem Campus, wo drei Köche uns bewirten. Ab 9.30 Uhr sind wir jeweils dort, der Tag dauert bis 16 Uhr und damit schon länger als in der Schweiz.
Steven Gerrard gilt als Baumeister des Erfolgs, notabene haben seine Rangers in der Meisterschaft nie verloren. Als Fussballer hatte Gerrard Weltformat, als Trainer?
Wir haben eine gute Basis, vertrauen uns. Er ist grossartig, eine riesige Persönlichkeit. Er kann uns extrem gut auf jedes Spiel einstellen, damit wir jedes Spiel Vollgas geben. Ich kann nur von ihm lernen. Er selbst leitet die Trainings ja nicht wirklich, das machen die zahlreichen Assistenten. Steven Gerrard hat mich schon ein paarmal in sein Büro gerufen. Das erste Mal, als er das machte, war schon speziell, ich kannte ihn ja nur vom Fernsehen.
Nun geht es gegen Slavia Prag im Europa-League-Achtelfinal weiter, zudem ist EM-Jahr. Wo werden Sie den Sommer verbringen?
Wir sind im Europacup weit gekommen, es ist möglich, noch viel weiter zu kommen. Aber Slavia hat in der letzten Runde Leicester geschlagen. Und natürlich wäre ich gerne an der EM dabei, das wäre ein Traum. Trainer Vladimir Petkovic muss nun entscheiden, ob ich mit meiner Saison bei den Rangers dem Nationalteam nähergekommen bin.
Beobachten Sie die Schweizer Liga eigentlich noch? Beim FC Basel kriselt es gewaltig, auch der FC St.Gallen kommt nicht vom Fleck.
Ich versuche, jedes Spiel des FC St.Gallen zu schauen. Der Klub liegt mir am Herzen, ich habe dem Verein sehr viel zu verdanken. Basel schaue ich weniger.